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STUDIO! Ausgabe 1/2022

250 Monate »Zeitvertreib«

Den Prepaid-Anbieter paysafecard gründete Udo Müller quasi als Ferienbeschäftigung, während er Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen studierte. Gute Idee: Denn als CEO blickt er heute auf eine sagenhafte Wachstumskurve.

Text: Joe Puschitz

Da waren diese vier Monate im Sommer, die es zu überbrücken galt. Udo Müller hatte im Jahr 2000 seine Diplomarbeit an der TU Graz abgeschlossen. Bis zur Diplomprüfung im Herbst war noch Zeit totzuschlagen. »Da hat es sich super ergeben, dass mein Bruder und  einige Freunde mit einer Start-up-Idee dahergekommen sind und gefragt haben, ob ich mitmachen will. Und ich dachte mir, das ist ein perfekter Zeitvertreib.« Dass es dann doch über 250 Monate – also 21 Jahre – geworden sind, die Müller nun bei paysafecard beschäftigt ist, hätte er sich damals nicht träumen lassen. Schon gar nicht, dass er dem Unternehmen als CEO vorstehen würde.

»Ich bin durch Zufall dazugestoßen, habe die Entscheidung aber keinen einzigen Tag bereut«, sagt Müller, der damals, wie auch seine Mitstreiter, noch keine Erfahrungen auf dem Gebiet des virtuellen Zahlungsverkehrs mitbrachte. Allein die Geschäftsidee schien allen schlüssig: Prepaid-Zahlungen für all jene zu ermöglichen, die zwar im Internet einkaufen, dabei aber weder Kreditkarte noch Kontonummer preisgeben wollen. »Wir wollten die Anfänge des Online-Zahlens einfacher und sicherer machen. Wir haben dieses Segment schon früh und erfolgreich besetzen können.«

Zuwachs im Lockdown

Der Erfolg lässt sich in Zahlen ausdrücken: 2020 erzielte paysafecard über vier Milliarden Euro Transaktionsvolumen, das an rund 650.000 Verkaufsstellen eingesammelt wurde. 12 Millionen KundInnen nutzen die Online-Zahlung per Prepaid-Karte mindestens einmal im Jahr – und es werden immer mehr. »Unser Wachstum bewegt sich jährlich im zweistelligen Bereich. Besonders die Pandemie hat uns einen starken Schub gegeben, im Lockdown gab es extreme Zuwächse beim Umsatz«, sagt Müller. Seinen Job als CEO sieht er darin, die Wachstumsdynamik auch langfristig zu sichern – und für die nächsten drei bis fünf Jahre vorauszudenken.

Dabei kommt ihm zugute, dass er den Betrieb von der Pike auf mitverfolgt hat. Als paysafecard noch ein Start-up mit zehn MitarbeiterInnen war, half er mit, wo er konnte. Er arbeitete im Vertrieb, machte Webshop-Akquise, beschäftigte sich mit Business-Development und trieb die Expansion ins Ausland voran. Im Jahr 2006 übernahm er erste Führungsverantwortung, bis er 2013 den CEO-Posten seines Bruders »erbte«, als dieser das Unternehmen verkaufte. »In den letzten zehn Jahren wurde paysafecard insgesamt fünf Mal weiterverkauft, ich habe schon mehrere Eigentümerstrukturen miterlebt – von Private Equity bis hin zur Börsennotierung«, sagt Müller. Mit seiner Strategie der Voraussicht hat er bisher noch jedes Mal die neuen Vorgesetzten und AnteilseignerInnen von seinem Weg überzeugen können.

© Felix Hohagen

»Für KundInnen einen Mehrwert schaffen«

Deshalb rät er auch UnternehmerInnen in spe, die seinem Vorbild nacheifern wollen, langfristig zu denken. »Immer auf den eigenen Hausverstand hören und Entscheidungen nicht aus einer kurzfristigen Perspektive heraus treffen«, lautet sein Ratschlag an künftige CEOs. Und: »Ich folge einem starken Produktfokus – man muss für Kundinnen und Kunden einen Mehrwert schaffen, etwas, das ich auch selbst verwenden würde.« Müller hat seinen analytischen Zugang, Probleme in kleinere Teilprobleme zu zerlegen, aus der Mathematik mitgenommen. Auch wenn ihm die Formeln aus Schul- und Studienzeit nicht mehr geläufig sind, die Art zu denken habe ihn auf Leben und Beruf vorbereitet.

Abseits des Berufs verbringt er Zeit mit seinen Kindern und hilft ihnen beim Latein- oder Mathe-Lernen. Als begeisterter Bergfahrer ist er mit seinem Rennrad am liebsten in den steilen Hügeln rund um seine Heimatstadt Graz unterwegs, bis auf den 1.445 Meter hohen Schöckl radelt er hinauf. Corona hat seinen sportlichen Ehrgeiz noch befeuert, der dem beruflichen in nichts nachsteht: »Ich möchte auch in den nächsten drei bis fünf Jahren noch ein zweistelliges Wachstum zustande bringen. Seit Beginn von paysafecard kennen wird nichts anderes.«

paysafecard

Das Unternehmen beschäftigt 250 Mit­­arbeiterInnen, sein Hauptsitz liegt in Wien. Eigentümer ist die international agierende Paysafe Group mit Sitz in London. paysafecard ermöglicht in 50 Ländern, mit Bargeld Zugang zu einfachen und sicheren Onlinetransaktionen zu erhalten.

STUDIO! 1/2022 Cover