Vor sieben Jahren war Lisa Hastert zum ersten Mal in der Ukraine. Als Kommunikationsmitarbeiterin der EU-Kommission flog sie von Brüssel in den Osten des Landes, um über Hilfsmaßnahmen der Europäer zu berichten. Die Not vieler alter Menschen in der Region war schwer. Die Jungen gingen weg, um sich anderswo eine Existenz aufzubauen, ihre Eltern und Großeltern blieben. »Es gab Gebiete in der Ostukraine, in denen 30 Prozent der Menschen über 60 Jahre alt waren. Wir nannten das Gebiet deshalb oft die ›älteste humanitäre Krise der Welt‹«, erinnert sich Hastert.
Seither ist die 34-Jährige, die Journalismus und Medienmanagement an der FHWien der WKW und an der Sorbonne in Paris studiert hat, beruflich viel herumgekommen. Nach einigen Jahren als Mitarbeiterin des UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) in der Elfenbeinküste und beim International Rescue Committee (IRC) in Jordanien leitet sie heute in Ankara die Kommunikation des Regionalbüros von ECHO (European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations), einer Fachabteilung der EU-Kommission. Seit drei Jahren ist sie hier zuständig für die Türkei, die Ukraine, den Westbalkan und den südlichen Kaukasus.
Bei ECHO hat Hastert den Auftrag, die Geschichten hinter den EU-Hilfsgeldern für die Medien aufzubereiten. Menschen in Flüchtlingslagern, Spendenlieferungen, Soforthilfe bei Naturkatastrophen: Überall dort, wo es ans Eingemachte geht und das Leid groß ist, ist ihr Arbeitsplatz. Eine herausfordernde und nicht immer ungefährliche Arbeit. Trotzdem: Lisa Hastert hat etwas, das viele Menschen suchen: einen sinnvollen Job. Humanitäre Hilfe als berufliche Heimat, das stand für sie schon fest, nachdem sie als Studentin ein Praktikum bei der Caritas Wien absolviert hatte.
Mit der EU-Jacke im Feld
ECHO setzt Hilfsprogramme nicht selbst um, sondern finanziert Partner vor Ort, zum Beispiel UN-Organisationen oder die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Deren Büros stellen Analysen zur humanitären Situation im jeweiligen Land oder der Region bereit, unterstützen beim Aufbau von Interventionsstrategien und bieten technischen Support für Hilfsprojekte. ECHOs Netzwerk soll im Katastrophenfall eine schnelle und umfassende Hilfe sicherstellen und koordiniert alle europäischen Katastrophenschutzbehörden.
Dass die Jahrespläne, die Lisa Hastert ausarbeitet, nicht selten wackeln oder stark überarbeitet werden müssen, wenn wieder eine Naturkatastrophe zahlreiche Existenzen zerstört oder ein Krieg Menschen zur Flucht zwingt, liegt auf der Hand. Oft ist die gebürtige Grazerin auch selbst »mit der EU-Jacke im Feld«, dreht Videos oder erstellt Social-Media-Posts.
Wenn Medienanfragen kommen oder eine Pressekonferenz ansteht, hält die Kommunikationsexpertin genaue Regeln ein: Die Antworten auf Pressefragen müssen immer »strikt neutral und humanitär« ausfallen. Jedes politische Statement könnte für Missverständnisse sorgen und wird daher über den Hauptsitz in Brüssel koordiniert.
Erinnerungen an die Ukraine
Als Russland im Februar in die Ukraine einmarschierte, musste Lisa Hastert an ihre eigenen Aufenthalte dort denken. An all die »entzückenden alten Damen«, die die EU-Mitarbeiterin damals auf eine Tasse Tee einluden, um sich bei ihr, aber auch bei der Union zu bedanken. Für die Reparatur des Hausdachs etwa, in das ein russisches Projektil eingeschlagen hatte. Oder für erhaltene Gutscheine, mit denen sie das Notwendigste für den Alltag anschaffen konnten. Was aus den Frauen geworden ist? Wie es heute in ihren Dörfern aussieht?
Solche Gedanken können einen belasten. Lisa Hastert hat gelernt, sie als Begleiter ihres Berufs zu akzeptieren. Denn der sei vor allem »faszinierend, weil man immer nah dran am Geschehen ist und direkt mit Betroffenen zu tun hat«. Wenn es ihr zu viel wird und die Zeit es erlaubt, fährt sie von Ankara aus in drei Stunden an die Schwarzmeerküste. Ein Spaziergang am Meer bringt die Dinge oft wieder ins Lot und lenkt den Blick auf die positiven Seiten. »In den Ländern, die Flüchtlinge aufnehmen, gibt es oft ganz viel Solidarität.« Und noch etwas falle ihr immer wieder auf: die unglaubliche Stärke, die Menschen in Not an den Tag legen. »Sie sind alle traumatisiert, gestresst, an ihren physischen und psychischen Grenzen. Und trotzdem machen sie weiter, fangen irgendwo ein neues Leben an. Wir sollten immer wieder zeigen, wie stark Opfer eigentlich sind!« Eine, die Tag für Tag dazu beiträgt, ist Lisa Hastert selbst.
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