Der Strom kommt von der Photovoltaik-Anlage, geduscht wird mit Regenwasser, geheizt wird mit Holz. »Manche unserer Kunden wollen zu 100 Prozent von externen Systemen unabhängig sein und haben das auch geschafft: Sie produzieren täglich bis zu 10 Kilowattstunden Strom selbst und kommen mit der Regenwasseraufbereitung übers Jahr«, macht Theresa Mai aus ihrer Bewunderung keinen Hehl. »Aber die Frage des Wohnkomforts ist eine andere – gerade wenn im Winter der Sonnenstrom knapper wird.«
Dass eine solche autarke Lebensform nicht für jeden machbar ist, weiß die umtriebige Unternehmerin aus eigener Erfahrung. Wenn der Tag um 6 Uhr 30 anfängt und sie nach 12 Stunden Arbeit abends erschöpft heimkommt, freue sie sich über ihre warme Wohnung – der Hackschnitzelheizung im Wohngebäude sei Dank. »Doch auch die ist autark, weil das Holz aus der Region stammt«, so Mai: »Autarkie ist nichts, das fertig aus dem Regal genommen wird, um sein Leben umzustellen. Sie muss zur Lebenssituation und zur eigenen Geschichte passen.« Vor allem aber ist das Unabhängigwerden ein Prozess.
Puzzlesteine eines guten Lebens
Für die gebürtige Gedersdorferin begann diese Entwicklung 2012. Damals trat Handwerksunternehmer Christian Frantal mit einer Idee an die junge Marketingfachfrau heran: ein Wohnwagen aus natürlichen, regionalen, möglichst recycelten Rohstoffen, der einen unabhängigen Wohnkreislauf ermöglicht. Gemeinsam gründeten sie das Start-up Wohnwagon. Mit diesem wollten sie nicht bloß autarke Mini-Häuser bauen, sondern eine Einstellung vermitteln: »Was brauchst du für ein gutes Leben?«, lautet die zentrale Frage für die Firmenchefin, die nebenbei das Masterstudium Executive Management an der FHWien der WKW durchgezogen hat. Reduktion aufs Wesentliche, das Werken mit der Natur und nachwachsenden Baustoffen wie Holz oder Schafwolle – die Antworten haben sich aus der Arbeit an den kleinen Wohneinheiten wie von selbst ergeben und sich seither »tausendfach bewahrheitet«. Die wichtigste Mission war und ist aber Autarkie. »Dass wir vom Wahnsinn in der Welt unabhängig werden, das ist höchste Zeit«, sagt Mai, die ihre Erfahrungen in ihrem Buch »Wie wir leben könnten« zusammengefasst hat. »Vielen wird in Berufs- und Lebenssituationen Energie von außen abgezogen. Sie stecken so im Hamsterrad, dass sie kaum ihrem eigenen Tempo folgen können.«
Der Wunsch, gemeinsam etwas zu tun
Ein weiterer Puzzlestein fürs gute Leben hingegen rückte erst mit der Zeit in den Fokus: »Nachdem ich halbwegs unabhängig war, entstand der Wunsch, in Beziehung zu treten. Fast der wichtigste Aspekt von Autarkie sind die Verbindungen miteinander«, ist die Buchautorin heute überzeugt. »Welche Talente hast du, welche ich, was tun wir gemeinsam? Es gibt nichts Schöneres, als in Netzwerken Projekte auf den Boden zu bringen. Das habe ich erst mit unseren Kunden verstanden.« Diese nutzen nämlich die Freiheit, die sie durch ihr mobiles Tiny House gewonnen haben, um dieses zu Nachbarn, Familien oder Freunden zu stellen. »Sie haben uns gezeigt, wie erfüllend dieses Leben in einer Gemeinschaft sein kann, in der jeder seine individuellen Freiheiten hat, in der man sich aber dennoch bewusst dafür entscheidet, wieder mehr gemeinsam zu machen.«
Gemeinschaft leben im Dorf
Mittlerweile kann das auch Mai bestätigen: Ende 2018 ist sie mit ihrem Unternehmen ins niederösterreichische Gutenstein gezogen. Im Dorf setzt sie seither ihre Vision von einem guten Leben in die Praxis um. Das Gemüse wächst auf den Feldern, Gemüsegärtner Erich karrt es mit dem Radanhänger zum Gutensteiner Hof. Gemeinsam mit BewohnerInnen, Angestellten und Genossenschaftsmitgliedern wird täglich zu Mittag gegessen. Gekocht wird »im Radl«. Es ist nur eine von zahlreichen Gelegenheiten, zusammenzukommen: Beim Bauen des Hühnerstalls, beim gemeinsamen Einkochen, beim Organisieren eines Konzerts, bei Workshops oder einem Sportprogramm – an Gelegenheiten zum Austausch mangelt es nicht. Dass dabei wirtschaftliche Verbindungen entstehen, ist erwünscht.
»Im Frühjahr hat sich die Idee zu den Alltagshelfern ergeben«, erzählt die Neo-Gutensteinerin, die im Frühjahr endlich selbst in einen Wohnwagon ziehen möchte. »Diese können von Dorfbewohnern für kleine Arbeiten gebucht werden.« Projekte wie dieses laufen in der Genossenschaft »Dorfschmiede« zusammen, die bereits 59 Arbeitsplätze in der Region geschaffen hat. Die nächsten Ideen sprudeln schon aus Mai heraus: »Mich reizt es, autarke Nachbarschaften zu entwickeln«, verrät sie, »immer mehr Grundstücksbesitzer treten an uns mit der Anfrage heran, ob wir gemeinsam etwas Größeres machen können. Die Idee ist, nicht nur vereinzelt Wohnwagons oder Häuser zu planen, sondern Gesamtprojekte, bei denen wir unser Wissen über nachhaltiges Bauen, zu Gemeinschaft und Wirtschaftskreisläufen einbringen.« Um noch mehr Menschen zu einem »nachhaltigeren, schöneren Leben für uns alle« zu inspirieren.
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