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STUDIO! Ausgabe 3/2021

Aus dem Holz der Zukunft geschnitzt

Beniamino Grossrubatscher leistet sich, was andere Unternehmer fürchten: Schnitzer. Und legt der Kunsttradition des Grödnertals in Wien und im Web eine Rutsche in die Zukunft.

Text: Florian Sedmak

Dem Weihnachtsfest hat Beniamino Grossrubatscher heuer schon im Sommer entgegengefiebert: »Im Advent wird sich zeigen, wie gut wir in den letzten Monaten gearbeitet haben«, sagt der Währinger mit zwei Berufen: Als Angestellter eines Ticketingsoftware-Unternehmens betreut er Kulturstätten, als Unternehmer ist er Wiens einzige Anlaufstelle für Schnitzkunst aus dem Grödnertal in Südtirol.

Beides hängt biografisch zusammen: Als Spross einer Staatsopernsängerfamilie ist er von Haus aus kulturaffin, und sein Vater stammt aus einer berühmten Grödner Schnitzerdynastie.

Der Onkel aus Südtirol

»Unsere Familienkrippe hat schon in meiner Kindheit eine zentrale Rolle gespielt«, erzählt der Absolvent der FHWien der WKW, der dort nach der Matura Unternehmensführung zu studieren begann. Vom unternehmerischen Spirit seiner LektorInnen infiziert, versuchte er sich bald selbst als Entrepreneur – mit dem Bild seines Grödner Onkels Raimund Grossrubatscher vor Augen, der bereits in den 1980er-Jahren einen Handel mit Südtiroler Schnitzkunst aufgezogen hatte. Die lieferte er an Adventmärkte in ganz Europa, aber nicht nach Wien. »Was auch gefehlt hat, war eine würdevolle Onlinepräsenz für diese Kunstform«, sagt Grossrubatscher. Die ersten Importe aus Gröden verkaufte er zunächst im kleinen Stil im Umfeld der Währinger Pfarre Sankt Gertrud, die im Leben des aktiven Katholiken seit jeher eine wichtige Rolle spielt.

© Jonas Gufler Photo & Video

Schnitzkunst am Spittelberg

In Gröden bewahren heute nur mehr 20 bis 30 zumeist schon betagte Schnitzer die traditionelle Kunst – manche hauptberuflich, andere rein aus Leidenschaft. Raimund Grossrubatscher gibt Skulpturen bei den Handwerkern seines Vertrauens in Auftrag. Die fertigen Krippenfiguren, Kruzifixe und Heiligenstatuen aus Linden-, Ahorn- oder Zirbenholz reisen dann nach Wien zu Neffe Beniamino. Der meldete sich 2017 erstmals für den Adventmarkt am Spittelberg an. »Die Veranstalter haben sich riesig gefreut, dass es wieder Südtiroler Schnitzereien gegeben hat, und haben uns einen guten Platz in der Mitte zugeteilt«, erzählt Grossrubatscher, der eine Vision verfolgt: dem jahrhundertealten Handwerk eine Zukunft zu geben.

Zur Freude der Schnitzer

Um eine angemessene Onlinepräsenz zu schaffen, konzipierte und launchte er in Zusammenarbeit mit einer Webagentur die Seite groednerholzschnitzerei.at: »Unter den Schnitzern in Gröden ist das am Anfang auf große Skepsis gestoßen, aber mittlerweile sind alle stolz darauf.«

Als das Adventmarktgeschäft 2020 Corona zum Opfer fiel, baute er seinen Onlineshop auf und die Onlinepräsenz aus. Mit einem eigenen YouTube-Kanal sowie professionellen Auftritten auf Instagram und Facebook: »Erstens, weil man die Digitalisierung selbst mit etwas so Traditionellem, wie wir es anbieten, nicht ignorieren kann. Und zweitens, weil viele unserer Kunden internetaffine jüngere Paare sind, die mit dem Aufbau ihrer eigenen Familienkrippe beginnen.«

© Jonas Gufler Photo & Video

Minions und ein Bischofsstab

Eine Sonderstellung in Grossrubatschers umfangreichem Sortiment nehmen Spezialanfertigungen auf Kundenwunsch ein. Wie ein Bischofsstab für das Stift Heiligenkreuz, eine Arnold Schwarzenegger verdächtig ähnelnde Holzfigur oder Minions, eine Krampusmaske oder von Hand geschnitzte Familienwappen und Firmenlogos. »Damit zeigen wir, was alles möglich ist«, sagt Grossrubatscher, »aber wirklich wirtschaftlich ist der Prozess derzeit nicht: Dann muss der Onkel Raimund mit einer Zeichnung zu einem seiner Schnitzer gehen, von denen manche nicht einmal ein Telefon haben, und ihm alles haargenau erklären. Das wollen wir stärker digitalisieren.«

Mit seiner Online-Reichweite und dem Feedback auf den digitalen Auftritt ist Grossrubatscher bis jetzt zufrieden, doch der Marketingerfolg wird sich erst zur Hochsaison im Advent bewerten lassen. »Ich rechne damit, dass wir noch den deutlich größeren Teil unseres Umsatzes auf den Märkten machen werden und weniger online«, erwartet Grossrubatscher, der langfristig auf eine spiegelverkehrte Relation abzielt – und gerade alle Energie in die digitale Optimierung steckt: »Wir versuchen, erfolgreiche Onlineshops vor allem aus dem Kunst- und Handwerksbereich für unsere Südtiroler Originale so gut wie möglich als Vorbild zu nehmen.«

© Jonas Gufler Photo & Video
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