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STUDIO! Ausgabe 4/2022

Coverstory: Generation Nix-ist-fix

Viele Generationen hatten einen fixen Fahrplan: Karriereleiter, Familiengründung, Hausbau. Die Generation Z, aktuell in Ausbildung, sieht ihre Zukunft flexibler – doch nicht unbedingt entspannter.

Text: Maya McKechneay

Fast ein Drittel der Menschen weltweit ist derzeit zwischen 12 und 27 Jahre alt und gehört somit zur Generation Z. Allein in Österreich sind es 1,4 Millionen. Die GenZ, wie diese Generation auch genannt wird, unterscheidet sich von den Millennials (alias Generation Y) vor ihr, aber noch stärker von ihrer Elterngeneration, der Generation X, durch ihre technischen Skills und ihr Kommunikationsverhalten. Schließlich ist die GenZ die erste Generation von Digital Natives, die mit Handys und Tablets aufgewachsen ist, und auch die erste, die sich eine Welt ohne das Internet in der Hosentasche gar nicht mehr vorstellen kann. Es scheint, als habe die GenZ das Wissen der Welt für sich gepachtet: Doch was weiß eigentlich die Welt über sie?

Freizeit, Freunde, Familie

„Die GenZ ist eine spannende Generation, eben weil wir noch so wenig über sie wissen: Die Jüngsten sind noch in der Pubertät“, erklärt Hilda Helyes, Academic Expert & Lecturer im Competence Center for Marketing der FHWien der WKW. Sie hat sich aus Perspektive des Marketings mit der Generation Z befasst, aber nicht nur das: Als Lektorin an der FH hat sie täglich mit Studierenden dieser Generation zu tun. Ihre Wahrnehmung aus dem Unterricht mischt sich mit Studien, die sie liest. „Die Mehrheit der GenZ hat noch kein eigenes Einkommen“, sagt Helyes, „oder steht am Anfang ihrer Karriere. Sie will aber auch gar keine Karriere: Freizeit, Freunde und Familie sind viel wichtiger!“

Das Leben genießen – solange es noch geht

Dass sich die GenZ weniger um eine klassische Aufstiegskarriere der kleinen Schritte bemüht, liegt wohl auch daran, dass sie der Stabilität des Systems misstraut. Laut dem Global 2022 GenZ and Millennials Survey, für den die Unternehmensberatung Deloitte auch 14.800 Angehörige der GenZ befragen ließ, gilt die größte Sorge dieser Gruppe den steigenden Lebenshaltungskosten. 51 Prozent der befragten GenZ in Österreich vermuten, dass sich die allgemeine wirtschaftliche Situation im kommenden Jahr verschlechtern wird. Ähnlich pessimistisch sieht ihre Prognose für die soziale und politische Entwicklung aus.

© Gettyimages/Andriy Onufriyenko

Weltweite Multi-Krise

„Als ich Anfang 20 war, waren die Voraussetzungen andere als heute“, erinnert sich Georg Feldmann, der die Ansprüche der GenZ am Arbeitsmarkt – gemeinsam mit Tilia Stingl und Jasmin Séra von der FHWien der WKW – genauer untersuchte. „Es ging grundsätzlich bergauf. Zukunftssicherheit war kein Thema. Auf der Bank gab es sechs Prozent Zinsen. Nach dem Studium konnte man mit einem Job rechnen und nach drei bis vier Jahren mit einem Firmenfahrzeug.“

Für die Generation Z stelle sich die Situation anders dar, sind sich die drei TeamkollegInnen einig. „Es gibt eine Multi-Krise: eine Teuerungskrise, eine Schuldenkrise, eine Energiekrise, eine Klimakrise. All das sehen und verstehen die Jungen“, fasst Feldmann zusammen. Seine Kollegin Tilia Stingl, die mit der GenZ auch durch ihre eigenen Kinder, 15 und 19 Jahre alt, vertraut ist, ergänzt: „Nicht nur meine Kinder, auch ihre Freunde sind mit der Unsicherheit als Status quo groß geworden.“

Job: Wertschätzung wichtiger als Wohlstand

Am Jobmarkt ist die Generation Z vielleicht gerade wegen dieser Ungewissheit entspannt: Die Studierenden des Studienbereichs Digital Economy der FHWien der WKW, wo Stingl arbeitet, hätten „heute null Probleme, einen Job zu finden. Ich kann zwar beobachten, dass sichere Arbeitsstellen gefragt sind. Trotzdem will man sich nicht binden. Jobs werden schneller gewechselt. Die Generation Z hat sich wegbewegt von der Mentalität der Workaholics, die die Millennials noch ausgezeichnet hat. Man will sinnerfüllt leben und die Freizeit genießen.“ – „Mit dem Versprechen einer Jobanzeige, dass es einen Gratis-Obstkorb, einen Pingpong-Tisch und Afterwork-Events gibt, kann man heute niemanden mehr ködern“, glaubt Jasmin Séra. „Für die GenZ ist ausschlaggebend, dass sie sich mit den Werten eines Unternehmens identifizieren kann. Entsprechend sollten Unternehmen Hierarchien abbauen, beispielsweise indem sie alle Generationen an einen Tisch holen, damit man – Stichwort Peergrouping – voneinander lernt. Alle sollten das Gefühl haben, gehört zu werden.“

Freiheit und Flexibilität

Die Statistik bestätigt die Wahrnehmung von Stingl und Séra: Laut Deloitte-Studie haben ÖsterreicherInnen der GenZ ihren Arbeitgeber primär deshalb gewählt, weil er ihnen eine gute Work-Life-Balance ermöglicht. Als wesentliche Motivation, einen Job zu kündigen, nannte die gleiche Gruppe hingegen zuvorderst, dass ihre individuelle Leistung  nicht geschätzt werde. Ein zu niedriges Gehalt gab wesentlich seltener Anlass zur Kündigung.

Es sei nicht mehr wie früher, sagt Georg Feldmann, als man gewusst habe: „Zehn Jahre muss ich im Job durchhalten, dann habe ich eine Wohnung finanziert.“ Der finanzielle Anreiz sei geringer, dafür seien Freiheit und Flexibilität gewachsen: „Wir leben heute in einer Multi-Options-Gesellschaft. Es gibt unzählige Berufe, die es früher noch nicht gab. Man muss sich nicht mehr auf Jahrzehnte committen und kann schnell wechseln, wenn das Umfeld nicht passt.“

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Konsum: „Bitte die ganze Palette!“

Multi-Option ist auch ein wesentliches Schlagwort, wenn Hilda Helyes über das Konsumverhalten der Generation Z spricht und darüber, wie gutes Marketing sie erreicht. Sollte man die Haltung dieser Generation in ein Motto packen, wäre es laut der Marketing-Expertin: „Bitte die ganze Palette!“ – „Durch ihre Erziehung ist die GenZ eine breite Auswahl gewohnt. Ich will nicht sagen, sie ist ‚verzogen‘, aber wir Eltern haben immer gefragt: ‚Willst du Erdbeerjoghurt oder Vanille?‘ und so weiter. Diese Auswahl fordern sie nun auch als KonsumentInnen ein: ‚Netflix oder Prime Video?‘ Die GenZ switcht schnell und ohne Bedenken zwischen den Produkten.“

Hat die GenZ eine Kaufentscheidung getroffen, soll das Produkt sofort verfügbar sein: „Wenn im Internet zu sehen ist, dass ein Influencer ein T-Shirt trägt, empfiehlt zeitgemäßes Marketing, dass man es sofort kaufen kann.“ Kaufen, das heißt bei der GenZ: bevorzugt online und mobil.

   

Shoppingtrip mit Influencern

Wie aber erreichen Unternehmen diese sprunghafte Kundschaft? „Empfehlungen sind wichtig“, sagt Helyes. „Diese Generation hat keine klassischen Idole oder Vorbilder mehr, sondern Influencer. Die funktionieren wie Freunde, geben Tipps und zeigen, wie man sein Leben besser gestaltet.“ Besonders relevant für Kaufentscheidungen seien Nano-Influencer mit 1.000 bis 5.000 Followern und Mikro-Influencer mit 5.000 bis 20.000 Followern, weil sie authentisch wirken. Entsprechend dieser Entwicklung würden Social-Media-Kanäle immer stärker zu direkten Einkaufskanälen ausgebaut. Allgemein, sagt Helyes, konsumiere diese Generation jedoch nicht mehr als vorhergehende. „Materieller Besitz ist ihr gar nicht so wichtig.“

Spielt aber Nachhaltigkeit in diesem Konsumverhalten überhaupt eine Rolle? „Man hat an den Fridays-for-Future-Aktionen gesehen, wie wichtig dieser Generation das Engagement für die Zukunft ist. Beim Konsumieren ist sie weniger engagiert. Nachhaltige Produkte zu kaufen, ist immer noch eine Frage von Schicht und Bildung.“

Die GenZ unterrichten

Als Lehrende geht Hilda Helyes immer öfter neue Wege, denn das Lernverhalten der Studierenden hat sich in den letzten Jahren – auch durch die Corona-Situation –  verändert:  „Die Idee, dass sie immer alles Wissen in der Tasche haben, gibt den Studierenden große Sicherheit und hinterlässt uns Lehrende mit der Frage: Was unterrichten wir und wie unterrichten wir es?“

Hier kommt Silke Schwaiger vom Teaching & Learning Center der FHWien der WKW ins Spiel. Sie sagt: „Die Lehren aus den Corona-Semestern fließen in den Auf- und Ausbau unserer Angebote ein. Damals hatten wir zum Beispiel am Schreibzentrum starken Zulauf von Bachelor-Studierenden. Diese haben ein großes Bedürfnis nach audiovisuellen Inhalten. Deshalb setzen wir auf die Erstellung kürzerer Lernvideos und Podcasts, mit denen man die Präsenzlehre entlasten kann.“

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Beide Seiten gestalten den Unterricht

Hilda Helyes greift wie viele andere Lehrende gerne auf dieses Angebot zurück und nutzt regelmäßig das E-Learning-Studio der FHWien der WKW. Schließlich, sagt sie, brauche man mittlerweile ein ganzes Arsenal kreativer Methoden, um die Aufmerksamkeit der Studierenden zu triggern: „Man muss viel switchen. Viele Methoden einbringen. Snackable Content. Ein fünfminütiges Video als Hausaufgabe aufgeben und in der Stunde darüber diskutieren. Mini-Tasks, Gruppen-Tasks, Umfragen, Diskussionen. Interaktiv arbeiten, Dialog schaffen und die Studierenden immer wieder aktivieren. Sie brauchen das Gefühl, dass sie den Unterricht aktiv mitgestalten können.“

Das heiße aber nicht, dass diese Generation weniger kompetent als frühere sei – vielmehr seien die Kompetenzen anders gelagert: „Zu sagen: In meiner Zeit war es besser, wäre  Generationenblindheit. Es war nicht besser. Es war anders. Wenn wir als Lehrende verstehen, wie die junge Generation tickt, können wir sie unterstützen, ihre Kompetenzen zu entfalten.“

Lernen für Digital Natives

Mit den Angeboten ihres Teaching & Learning Centers kommt die FHWien der WKW den Bedürfnissen der Generation Z entgegen.

Writing Lab – dieses vorläufig bis 2025 von der Stadt Wien geförderte Projekt verschränkt nach dem Blended-Learning-Prinzip synchrone Inhalte wie Workshops, individuelle Coachings oder Schreibwerkstätten mit asynchronen Inhalten wie Lernvideos, Erklärvideos oder Podcasts. Ziel ist, die Lese- und Schreibkompetenz der Studierenden zu stärken. Auch ein Online-Writing-Lab ist im Aufbau.

Hauptzielgruppe: Studierende, die ein Bachelor- oder Masterstudium beginnen.

E-Learning-Studio – ein Angebot an Lehrende der FHWien der WKW, die hier ein Video- und Podcaststudio buchen können, um – bei Bedarf angeleitet von ExpertInnen für digitale Lehre – Inhalte multimedial aufzubereiten.

Hauptzielgruppe: Lehrende, die die Präsenzlehre durch multimediale Inhalte ergänzen wollen.

"Echter Journalismus" der nächsten Generation

Die Generation Z sieht die Welt gespiegelt in Internet und sozialen Medien: Zwei österreichische Projekte wollen dafür sorgen, dass  journalistische Qualitätskriterien auch dort Einzug halten.

Text: Doris Neubauer

Ob Covid-19 oder Ukraine-Krieg: 18- bis 24-Jährige konsumieren Nachrichten vor allem im Netz. Das zeigt der Digital News Report Österreich, der im Juni 2022 veröffentlicht wurde. Soziale Medien sind mit 55 Prozent die am weitesten verbreitete Quelle. „Dort ist echter Journalismus aber schwer zu finden“, sagt Valentine Engel vom Digitalverlag hashtag.jetzt. Sie findet, dass Recherche, Transparenz, Storytelling und Integrität auf diesen Kanälen wenig bis gar keine Beachtung finden. Dies möchte das Start-up Hashtag ändern, das im März 2021 von Ex-„Datum“-Chefredakteur Stefan Apfl gemeinsam mit der Genossenschaft Bloomedia gegründet wurde. „Mit Hashtag versuchen wir, journalistische Inhalte so aufzubereiten, dass junge Menschen sie konsumieren wollen“, erklärt die 26-jährige Valentine Engel, die ihren Chef in einer Lehrveranstaltung des  Master-Studiengangs Journalismus & Neue Medien an der FHWien der WKW kennengelernt hat und seit November 2021 im Digitalverlag arbeitet. „Deshalb verbinden wir journalistische Prinzipien oft mit Humor.“

Kommunikation auf Augenhöhe

Witzig klingen bereits die Namen der Bewegtbild-, Audio- und Cross-Formate, die Hashtag auf Instagram, TikTok oder YouTube präsentiert: Auf geschichte.oida etwa erfahren die 17.000 AbonnentInnen in Sekunden, wie amerikanische Soldaten 1945 – angeblich auf dem Weg in ein Bordell – in den Straßen Salzburgs mit ihrem Panzer  steckengeblieben sind. Oder dass in den Vorarlberger Alpen bis 2001 tote Kühe gesprengt wurden, um sich den kostspieligen Abtransport zu sparen. Mit fadem Geschichtsunterricht hat der TikTok-Kanal weder inhaltlich noch in der Aufbereitung viel gemeinsam. „Kommunikation mit jungen Menschen muss auf Augenhöhe stattfinden. Die interessieren sich nicht dafür, wenn man zu ihnen herunterredet“, erklärt Engel die Bedürfnisse der GenZ. „Deshalb ist es für uns besonders wichtig, junge Menschen im Team zu haben, die ihre Sichtweisen in die Arbeit einfließen lassen.“ So wurde geschichte.oida nicht nur von Studierenden der FH Joanneum in Graz in einem Seminar für Onlinejournalismus mit Stefan Apfl entwickelt. Vier JungjournalistInnen aus diesem Umfeld sind es auch, die die „random facts der österreichischen Geschichte“ seit Jänner 2022 präsentieren.

© privat

Dass die Studierenden von der Themenwahl bis zum Fact-Checking journalistisches Handwerkszeug nutzen, dafür sorgt das neunköpfige Hashtag-Kernteam. Das Start-up, das auch Formate für rund zwei Dutzend Kunden wie die Stadt Wien und den waff produziert, versteht sich als Inkubator und „Hub für Medienschaffende mit journalistischem Ethos“, sagt Engel, die im dritten Semester des Master-Studiengangs an der FHWien der WKW ist: „Wir beraten Personen in ihrem beruflichen Tun – inhaltlich, formal und unternehmerisch.“ Diese bewerben sich auf Castingaufrufe oder werden direkt gescoutet. „Auf der anderen Seite melden sich laufend Menschen bei uns, die auf die eine oder andere Weise mit uns kooperieren wollen“, ergänzt die Assistentin der Geschäftsführung, deren Aufgabenbereich von der Organisation der Castings bis zur InfluencerInnen-Betreuung reicht.

Energie zum Mitreden

Junge JournalistInnen sind auch bei Iris Strasser und ihren Kollegen von BAIT „grundsätzlich jederzeit willkommen „. Neben dem Produzieren von Inhalten für soziale  Medien, sollen sie vor allem Fake News aufdecken. Zwar seien „Falschnachrichten keine Probleme, die nur junge Menschen betreffen“, sagt die Redakteurin. Doch äußert laut Digital News Report Österreich jeder Dritte Bedenken, im Internet zwischen Fakes und Fakten unterscheiden zu können. Anders als Boomer oder Millennials seien GenZ aber „aufnahmefähiger, haben die Energie mitzureden und vor allem noch Zeit etwas zu verändern. Deshalb setzen wir bei ihnen an.“

Die Idee zum Fact-Checking-Kanal kam Strassers Mitstreitern Thomas Prager und Tim Dombrowski vom Verein Digitaler Kompass – Institut für Nachrichtenkompetenz und digitale Bildung vor drei Jahren: „Der Digitale Kompass besucht jedes Jahr eine Vielzahl an Schulklassen, um Medienkompetenz zu unterrichten, und steht dadurch in direktem Austausch mit SchülerInnen, die über Sehgewohnheiten und Trends gerne berichten“, erklärt die 23-Jährige die Anfänge des Projekts.

© Marko Laitinen

Mit den Jugendlichen erarbeitete das Team das journalistische und grafische Konzept von BAIT: In kurzen Clips sollen auf TikTok – und damit erstmals dort, wo sich die 13- bis 19-Jährigen aufhalten – Trends und Themen auf Richtigkeit überprüft werden. Zusätzlich möchte BAIT den Jugendlichen zeigen, wie sie Fake News erkennen können: „Neben den klassischen Tools wie Bilder-Rückwärtssuche, Tineye und YouTube Data Viewer fehlen die theoretischen Hintergründe, die es braucht, um Falschinformationen aufdecken zu können, weil herkömmliche Medien oft nicht beim Wissensstand von SchülerInnen ansetzen“, sagt Strasser. Die Kurzvideos sollen hier zum Diskurs anregen. „Zugleich versuchen wir den RezipientInnen die Arbeit von JournalistInnen näherzubringen, um zum einen die  Vorgehensweise im Journalismus zu verstehen und in das Privatleben integrieren zu können und zum anderen das allgemeine Vertrauen in den Journalismus zu stärken.“

Eine Generation, die Informationen überprüft

Die Weichen sind gestellt: Nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne steht mit Ines Holzmüller eine erfahrene Faktencheckerin bei BAIT in den Startlöchern. Die 31-jährige Absolventin des Master-Studiengangs Journalismus & Neue Medien war zuletzt bei faktiv, dem Faktencheck-Kanal des Nachrichtenmagazins Profil, tätig. Ab Mitte November soll sie als Chefredakteurin dafür sorgen, dass Anfang 2023 die ersten Inhalte auf dem neuen Kanal zu sehen sind. Damit rückt BAIT seiner Vision von einer  „Generation Heranwachsender, die journalistische Grundtechniken beherrscht und Informationen im digitalen Raum selbständig auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht“ einen Schritt näher.

© Digitaler Kompass

Reverse Mentoring: Von den Jungen lernen

Ein Themenschwerpunkt über die Generation Z, ohne die Jungen selbst zu Wort kommen zu lassen? Geht gar nicht. Wir haben vier Teenager nach ihren Zukunftsplänen gefragt – und danach, was Ältere besser machen könnten.

Text: Maya McKechneay

Seit 2019 kooperiert die FHWien der WKW mit der Vienna Business School in Wien-Josefstadt. Naheliegend, sich mit SchülerInnen des dortigen 4. Jahrgangs zusammenzusetzen. Gemeinsam mit ihrem Lehrer, John Toth, kamen Anika Künzel, Sophie-Marie Hofmann, Maximilian Hrebicek und Leonie Malek (alle 17 Jahre alt) zum Gespräch ins Café Florianihof und diskutierten bei Kaffee und Cola.

Work-Life-Balance & Karriereziele

Wie stellt ihr euch ein Leben vor, das euch zufrieden macht?

Anika: Ich möchte nach der Ausbildung verschiedene Jobs ausprobieren, um herauszufinden, was mich wirklich interessiert. Ich hoffe außerdem, dass ich mir keine Gedanken mehr über Geld machen muss und mir leisten kann, was ich möchte.

Sophie-Marie: Materielle Dinge sind mir gar nicht so wichtig. Ich möchte in meiner Arbeit erfolgreich sein und würde mich freuen, wenn man sich  später mal an das erinnert, was ich erreicht habe.

Max: Ich möchte als Unternehmer in der Finanzdienstleistung erfolgreich sein. Gesundheit, Familie, soziales Umfeld, finanzielle Freiheit sind wichtig. Wenn es da passt, wird es mir gut gehen.

Laut Statistik macht die finanzielle Situation eurer Generation die größten Sorgen. Wie zuversichtlich seid ihr, dass ihr euch bis ins Alter absichern könnt?

Leonie: Dadurch, dass ich auf eine HAK gehe, bin ich zuversichtlicher als andere. Ich habe eine gute Ausbildung.

Anika: Ja, mit Matura haben wir es leichter.

Sophie-Marie: Ein konkreter Plan hilft auch: Ich möchte zuerst Medizin studieren und mich dann auf Radiologie spezialisieren.

Max: Die ersten paar Jahre, bis man ins Arbeitsleben reinkommt, könnten schwierig werden, und ich glaube auch, dass die Jugend heute auf größerem Fuße lebt als die Elterngeneration. Hier oder dort müsste man einsparen.

© Maya McKechneay

Wie sieht für euch ein attraktiver Arbeitgeber aus?

Anika: Flexible Arbeitszeiten. Homeoffice. Desksharing. Abwechslung.

Sophie-Marie: Ein respektvoller Umgang miteinander und Gender-Equality.

Max: Respekt, Vertrauen. Niemand sollte herablassend agieren. Flexibilität: Ein oder zwei Tage von zu Hause zu arbeiten, wäre schön.

Habt ihr Vorbilder in der Arbeitswelt?

Die meisten schütteln den Kopf.

Leonie: Das klingt vielleicht kitschig, aber mein Vorbild ist meine Mutter: Sie ist alleinerziehend und trotzdem erfolgreich im Job. Ihre Work-Life-Balance hat sie super hinbekommen.

Lernen & Medien

Wie informiert ihr euch und welche Medien nutzt ihr?

Alle nennen zunächst Instagram und hier als erstes den Account der „ZIB“.

Leonie: Ich schaue die „ZIB“ aber auch im Fernsehen – bei Wahlen zum Beispiel. Klassischen Medien wie dem „Standard“ oder der „ZIB“ vertraue ich eher als zum Beispiel Infos auf TikTok.

Anika: TikTok ist eher für Unternehmen, die dort ihre Firma promoten. Ich nutze es zur Unterhaltung, weniger zur Information.

Sophie-Marie: Ich recherchiere viel im Internet und lese Zeitschriften.

Max: Neben der „ZIB“ haben auch „Die Presse“ oder „Der Standard“ Insta-Accounts. Ich schaue aber auch ganz klassisch TV-Nachrichten oder höre Radio. Und ich suche viele Informationen auf Google.

© Maya McKechneay

Welche Quellen nutzt ihr zum Lernen?

Leonie: YouTube-Videos sind beispielsweise in Geschichte sehr wichtig. Sonst lerne ich am liebsten aus Büchern oder ich googele Inhalte. Bevor ich mir aber ein Video ansehe, lese ich lieber einen Text.

Sophie-Marie: Ich lerne auch gerne mit Büchern! Da hat man was in der Hand. Details kann man auf Google suchen oder gleich konkret auf YouTube.

Zukunft

Was kann die Generation der jetzt 40- bis 50-Jährigen von euch lernen?

Anika: Technik und Computer: Das können wir besser. Man muss sich nicht immer persönlich treffen, um ein Gespräch zu führen. Und man muss auch nicht alles ausdrucken (lacht).

Sophie-Marie: Wir SchülerInnen haben uns mit dem Homeschooling viel leichter getan als Ältere mit dem Homeoffice…

Max: … die hat das Homeoffice während Corona überfordert. Wir dagegen arbeiten schon seit der ersten Klasse mit Laptop. Wir beherrschen Online und „Teams“.

Leonie: Was man auch von uns lernen kann: Toleranz und Offenheit. In meiner Familie gibt es oft Diskussionen über Themen wie Sexualität. Da ist Offenheit wichtig.

Was würdet ihr EntscheidungsträgerInnen raten?

Anika: Zum Thema Nachhaltigkeit gäbe es viel zu sagen. Und zum Thema Gender-Equality.

Leonie: Für mich persönlich ist Nachhaltigkeit wichtig. Unsere Zukunft hängt ja davon ab. Und soziale Fragen. Die sind in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt – man könnte viel mehr tun!

© Maya McKechneay

Stichwort Nachhaltigkeit: Wärt ihr bereit, euch einzuschränken? Weniger zu heizen oder auf Fernreisen zu verzichten?

Anika: Ich denke schon, dass ich mich einschränken könnte. Aber es bringt nichts, wenn ein anderer Mensch dafür nichts macht. Man müsste ein Gleichgewicht herstellen. Statt allen Menschen Vorschriften zu machen und vieles zu verbieten – Autofahren zum Beispiel –, sollte man nach Alternativen suchen…

Anika: … und die Politik sollte die Rahmenbedingungen vorgeben.

Leonie: Rahmenbedingungen ja, aber nicht die Menschen komplett einschränken! Das könnte – wie man bei Corona gesehen hat – nach hinten losgehen.

Sophie-Marie: Auf politischer Ebene kann mit Kontrollen viel getan werden: Einige Produkte sollten gar nicht zugelassen werden, wenn es schon nachhaltigere Alternativen gibt.

Max: Vorhin habe ich im Radio gehört: Die Kreislaufwirtschaft beginnt zu boomen. Viele Unternehmen setzen da Initiativen. Änderungen am System bringen ja viel mehr, als wenn ein Einzelner auf seinen Flug nach Amerika verzichtet.

Worauf freut ihr euch am meisten, wenn ihr ans Erwachsenenalter denkt?

Leonie: Auf die Unabhängigkeit. Daheim ausziehen, Entscheidungen treffen, Erfahrungen machen.

Max: Ich freue mich darauf, mein Wissen anwenden zu können. Vieles auszuprobieren, aus Fehlern zu lernen, meine Persönlichkeit weiterzuentwickeln, meinen Horizont zu erweitern. Ich will nicht behütet werden, sondern mich aktiv engagieren, etwas bewegen.

Sophie-Marie: Ich stelle es mir schön vor, auf eigenen Beinen zu stehen. Dazuzulernen. Selbstständiger zu werden. Ich will mich gar nicht mehr auf die Eltern verlassen und beschützt werden.

Anika: Ich glaube: Erst wenn man als Erwachsene die Theorie in die Praxis umsetzt, versteht man wirklich, was man gelernt hat – und wozu.

© Gettyimages/Andriy Onufriyenko
Reverse Mentoring

Kooperation von Vienna Business School Schönborngasse und FHWien der WKW

Reverse Mentoring kehrt das klassische Prinzip – Ältere geben ihr Wissen an Jüngere weiter – um: Stattdessen teilen Jüngere ihre  Erfahrungen, Sichtweisen und Vorstellungen mit Älteren. Die Zusammenarbeit von Vienna Business School und FHWien der WKW bringt HAK-SchülerInnen mit Führungskräften aus der Wirtschaft zusammen, um Erfahrungen zum Thema „Digitale Transformation“ auszutauschen. Denn in diesem Themenfeld machen Jüngere ganz andere Erfahrungen als etablierte Führungskräfte.

Dazu Sebastian Eschenbach, projektverantwortlich aufseiten der FHWien der WKW: „Die Voraussetzung ist: gegenseitige Wertschätzung, Neugierde auf andere Lebenswelten, die Offenheit, sich überraschen zu lassen, und auch eine gewisse Distanz – den Lehrling aus dem eigenen Betrieb oder die eigene Tochter kann man nicht gut fragen, was er oder sie über das Darknet weiß.“

Für Fragen stehen John Toth, j.toth@vbs.ac.at (Vienna Business School) und Sebastian Eschenbach, sebastian.eschenbach@fh-wien.ac.at (FHWien der WKW), gerne zur Verfügung.

Titelbild STUDIO! 4/2022