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STUDIO! Ausgabe 4/2022

„Greenwashing funktioniert nicht mehr“

Gelungene Kommunikation ist der Schlüssel zu nachhaltigerem Handeln. Franzisca Weder, Universitätsprofessorin mit dem Fokus Nachhaltigkeitskommunikation, erklärt, warum das Thema weit über Öffentlichkeitsarbeit und Berichte hinausreicht und wie man es als Unternehmen angehen sollte.

Text: Doris Neubauer

Sie forschen zum Thema Nachhaltigkeitskommunikation. Was alles umfasst dieser Begriff?

Franzisca Weder: Es gibt drei Perspektiven: Einerseits sprechen wir von der Kommunikation von nachhaltigem Handeln nach außen und der Öffentlichkeit gegenüber. Unternehmen sind nicht autark, sondern mit der Gesellschaft vernetzt und müssen den Erwartungen ihrer Stakeholder gerecht werden. Diese Dimension der Nachhaltigkeitskommunikation nach dem Prinzip „Gutes tun und darüber sprechen“ dominiert weiterhin.

Was sind die anderen Perspektiven?

Weder: Die zweite Dimension ist der öffentliche Diskurs über Nachhaltigkeit, an dem Unternehmen und Organisationen unterschiedlicher Art teilnehmen können. In den Massenmedien passiert hier allerdings nicht viel. Im Bereich der sozialen Medien hingegen, insbesondere durch Influencer, findet dieser Diskurs statt. Die dritte Dimension ist die revolutionäre: die Kommunikation für eine bessere Zukunft, für den Wandel. Da diskutieren wir über Alternativen zum kapitalistischen System. Das ist der Bereich, der vor allem durch NGOs und Zivilgesellschaft stimuliert wird. Unternehmen haben damit noch oft Schwierigkeiten. Allerdings gibt es auch die Form des Corporate Activism. In der Black-Lives-Matter-Bewegung haben beispielsweise einige Unternehmen soziale Verantwortung übernommen.

AAU

Besteht da nicht die Gefahr, dass Themen für die Unternehmenskommunikation instrumentalisiert werden?

Weder: Dieses Greenwashing funktioniert so nicht mehr: Als die ehemalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig öffentlichkeitswirksam zum Glücksspielkonzern Novomatic wechselte, hat das Diskussionen angeregt. Gemäß dem Prinzip der Skandaltheorie: Je mehr Diskussion, desto besser. So können wir unser moralisches Verständnis wieder neu einordnen und darüber nachdenken, was wir von einem Unternehmen erwarten, was für uns »gutes« und was »schlechtes« Handeln ist. Auch das ist ein Aspekt der dritten Dimension, der Kommunikation für den Wandel: Es muss der Finger auf wunde Punkte gelegt werden. Handlungsveränderung passiert nämlich nur durch Irritation und wenn man aus der Komfortzone gedrängt wird.

Gleichzeitig soll die Kommunikation für den Wandel nicht so irritieren, dass sie ein Gefühl der Ohnmacht erzeugt. Wie sieht die richtige Balance aus?

Weder: Dabei darf man eine zentrale Frage nicht außer Acht lassen: Wer kommuniziert hier eigentlich? Wer übernimmt die Federführung in der Definition unserer Leitwerte? Bisher ist die dominante Perspektive, dass es einen Kommunikator gibt, der Stakeholder zum Zuhören und Mittun bringen und in die richtige Richtung lenken möchte – das sind zumeist Unternehmen oder politische Akteure. Das ist aber ein einseitiger Prozess. Partizipation ist der Gegenbegriff: Hier geht es darum, weitere Kommunikatoren zu identifizieren. Es ist wichtig, den Übergang von Engagement zu Partizipation zu schaffen.

© Shutterstock/Ground Picture

Können Sie ein Beispiel bringen?

Weder: Ein Unternehmen beschließt, auf Recycling zu setzen, kommuniziert die Idee über das Intranet an seine Mitarbeitenden und erwartet, dass alle mittun. Die Variante der Partizipation sieht anders aus: Zuerst stellt man fest, ob Nachhaltigkeitsthemen existieren, für die es im Unternehmen Experten gibt. Vielleicht sind ein paar Mitarbeitende in der Altenpflege engagiert. Dieses Thema kann das Unternehmen aufgreifen und Position beziehen: Dafür stehen wir, das ist wichtig. Diese Herangehensweise hat eine andere Systematik, als nach außen zu schauen und Recycling einzuführen, weil es andere auch tun. Diese Partizipation muss ich fördern und mit dem arbeiten, was ich habe.

Wie gelingt das?

Weder: Ausschlaggebend ist, wie man Beteiligung gestaltet. Zuhören, miteinander vernetzen und in Beziehung treten sind wichtig. Was sind gemeinsame Themen verschiedener Abteilungen? Im American Football gibt es den „Huddle“. Dabei versammeln sich die Spieler in der Mitte, um miteinander die nächsten Schritte zu diskutieren. Diesen Prozess des Aushandelns finde ich wichtig, wenn es um Nachhaltigkeit im Unternehmenskontext geht. Wo können Kommunikationsräume geschaffen werden, in denen Mitarbeitende über Hierarchieebenen hinweg nachspüren können, was Nachhaltigkeit für sie bedeutet? Das ist das Spannende am Master-Studium International Sustainability Communication: Wir unterrichten Executives, die diese Prozesse in Unternehmen künftig gestalten können.

Franzisca Weder

ist Associate Professor an der Universität Klagenfurt und arbeitet derzeit an der University of Queensland, Brisbane, Australia.

Im neuen berufsbegleitenden Masterstudium MA (CE) International Sustainability Communication an der FHWien der WKW wird die Expertin das Modul »Psychological and Sociological Aspects of Sustainability Communication« unterrichten und darin einen tieferen Blick auf die kulturelle Nachhaltigkeit werfen.

Titelbild STUDIO! 4/2022