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STUDIO! Ausgabe 4/2022

Im Interview: Josef Weghaupt – „Supermärkte werden wir nie beliefern!“

Gegründet 2009, gehört Joseph Brot heute zum Hochwertigsten, was die Wiener Back-Szene bietet. Dabei startete Gründer Josef Weghaupt seine Karriere bei einem Industriebäcker. Wieso er vieles anders macht als die anderen und warum gut Brot Weile braucht, erklärt er im Interview, für das STUDIO! ihn im Waldviertel besuchte.

Text: Maya McKechneay

Im Outfit eines Bäckers, das auch seine MitarbeiterInnen tragen, kommt Josef Weghaupt dem STUDIO!-Team entgegen, verteilt Schutzhauben für die Haare, die aus hygienischen Gründen alle tragen müssen, und führt gleich hinüber in die Backstube – eine helle, mitten in den Feldern gelegene Halle, aus deren Panoramafenster man pickende Hühner und viel Horizont sieht. Hier werden viele Arbeitsschritte von Hand ausgeführt. Einer der Gründe, warum das Joseph Brot mehr kostet als die industriell gefertigte Konkurrenz. Den Vorwurf, dass er Bobo-Brot für wohlhabende Städter backe, kann Josef Weghaupt nicht mehr hören – und räumt ihn mit der ersten Antwort gleich mal aus.

Herr Weghaupt, kaufen die Leute hier am Land Ihr Brot?

Josef Weghaupt: Ja! Es hat eine Weile gedauert, bis sie gesehen haben, der ist eh okay und auch das, was er macht. Aber jetzt geht es hier oft zu, dass du glaubst, du bist in einer Filiale in Wien.

Und zweite wichtige Frage an den Experten: Was machen Sie privat mit Ihrem Brot, wenn es schon ein paar Tage alt ist?

Weghaupt: Toasten! Wir daheim machen sonntags gerne Käsetoast. Der ist gut mit Kimchi dazu. Und wenn man etwas mittoasten will, dann bieten sich scharfe Peperoni oder Zwiebeln an, die man unter den Käse mischt.

Im Sandwich-Toaster?

Weghaupt: Ich mach’ das im Backrohr. Das funktioniert immer.

Danke. Sprechen wir jetzt über Ihren Werdegang. Sie sind gelernter Lebensmitteltechniker und Fleischhauer, wie kamen Sie zum Brot?

Weghaupt: Ich habe mit 19 beim Magistrat in Wien gearbeitet, bei der MA 59, das ist das Marktamt, die Lebensmittelaufsichtsbehörde. Das habe ich zwei Jahre gemacht, hat mich nicht gefreut. Damals haben alle Qualitätsmanager gesucht, weil die neuen EU-Regelungen kamen. Und ich hatte die HTL für Lebensmitteltechnologie und Fleischwirtschaft besucht, in Hollabrunn, und hatte die notwendige Qualifikation. Damals habe ich ganz pragmatisch einen Betrieb bei mir in der Nähe gesucht. So kam ich als Qualitätsmanager zu einer Industriebäckerei.

Wie ging es Ihnen in diesem Job?

Weghaupt: Am Anfang hat es Spaß gemacht. Es war viel zu tun. Ich habe viel erreicht für die Firma. Irgendwann bin ich in Vertrieb und Marketing gewechselt. Ich wollte immer Verschiedenes wissen und verstehen. Dort gab es auch die Produktentwicklung. Die habe ich komplett neu aufgebaut. Ich wollte die Qualität steigern. Bis ich draufgekommen bin, dass unser Kunde, also der Handel, an Qualität überhaupt nicht interessiert war. Der Großkunde war ausschließlich interessiert am Geld.

© Philipp Tomsich

Den Großkunden kann man sich als Supermarkt vorstellen?

Weghaupt: Ja. Supermarktketten, Diskonter. Irgendwann war das natürlich schwierig … wie sag’ ich das jetzt diplomatisch? Du baust eine Abteilung auf, findest motivierte Leute, sagst: Hey, lass uns was Gutes machen! Und dann gehst du mit den Konzepten zum Handel und der fordert nur: Mach’s billiger! Die Einkäuferin hat damals – das muss 2008 oder 2009 gewesen sein – meine Kalkulation für ein steirisches Brot angeschaut, das wir entwickelt haben, und gesagt: Streichen Sie die Kürbiskerne aus der Steiermark und nehmen Sie chinesische. Das konnte ich für mich und meine Kollegen nicht mehr vertreten. Ich war mir sicher, es geht anders auch. Man kann ehrliches Brot produzieren und dafür gibt es einen Markt.

Gab es damals schon alternative Bäckereien in Wien?

Weghaupt: Ja, nur nicht in dieser Dichte wie heute. Ich habe viel beim Helmut Gragger gekauft. Es gab auch den Kasses aus dem Waldviertel, der den Julius Meinl am Graben beliefert hat.

Wie haben Sie Ihre Geschäftsidee entwickelt?

Weghaupt: Mein Businessplan war zunächst ein ganz anderer. Es gab und gibt ja viele alte, leer stehende Bäckereien. Die Idee wäre gewesen, diesen Leerstand zu nutzen und wirklich gutes Brot zu produzieren. Ich hatte drei Rezepte entwickelt für drei Produkte. Um eine Probe anzubieten, habe ich diese Brote wirklich zuhause gebacken, das ist kein Scherz, und habe sie einem Gastronomen, dem Bernd Schlacher vom „Motto am Fluss“, präsentiert. Der hat gesagt: Können wir machen. Da hat sich die Frage gestellt: Wo backe ich jetzt?

Sie wollten als Unternehmer starten – hatten dafür aber keine Ausbildung.

Weghaupt: Nein. Und auch nicht den Background. Mein Papa war Eisenbahner, meine Mutter Hausfrau. Ich stand also vor der Entscheidung: Just do it – oder lassen. Irgendwann hat mir ein Freund gesagt: In Vitis hat gerade eine Bäckerei zugesperrt, vielleicht haben die ihre Betriebsanlagengenehmigung noch nicht zurückgegeben? So bin ich Ende 2009 gestartet. Vitis liegt im Waldviertel, über zwei Stunden von Wien entfernt. Ich habe nur die Gastronomie beliefert. Jeden Tag zwei Stunden rauffahren, zwei Stunden runter, dazwischen backen, nachher liefern. 2010 war ich ziemlich am Ende, hatte keine Reserven mehr, konnte nicht mal mehr tanken.

© Philipp Tomsich

9 Filialen

betreibt Joseph Brot aktuell, davon 6 in Wien und je eine in Salzburg, Linz (eröffnet im November 2022) und in Burgschleinitz im Waldviertel.

91 MitarbeiterInnen

arbeiten in der Brotmanufaktur in Burgschleinitz. Einige pendeln aus Wien, die meisten kommen aus der Umgebung, wo Arbeitsplätze rar sind, sowie aus dem benachbarten Tschechien und der Slowakei. Es gibt aber auch Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan, die hier Anstellung gefunden haben. Auf die Internationalität seines Teams ist Weghaupt stolz. Und darauf, dass er für die vielen Arbeitsschritte, die hier von Hand  ausgeführt werden, fair zahlt.

850 Laibe

des Signature-Brotes Joseph Brot werden in Burgschleinitz täglich gebacken und von dort an die Filialen geliefert.

Was hat Ihnen damals den Mut gegeben, weiterzumachen?

Weghaupt: Zufälle. Freunde.

Und Ihre Begeisterung?

Weghaupt: Für die war ich damals schon zu fertig. Aber klar: Ohne Begeisterung geht’s nicht.

Wie kam es zum Wiederaufschwung?

Weghaupt: Ich wollte eine eigene Filiale eröffnen in Wien, dazu hatte ich elf Bankgespräche zur Finanzierung. Eine niederösterreichische Bank hat schließlich an mich geglaubt – und bei der bin ich bis heute Kunde. So konnte ich 2011 den ersten Standort in der Naglergasse im ersten Bezirk aufsperren.

Damals entstanden auch Name und Logo: Joseph Brot schreibt man mit ph, Ihren eigenen Vornamen mit f. Warum?

Weghaupt: Ich war bei der Gründung erst 29. Es sollte traditionell klingen. Und das J vom Schriftzug ist ein Buchstabe aus meiner Unterschrift.

Ab dem Zeitpunkt der Filialgründung ging es bergauf?

Weghaupt: In der Naglergasse ist es abgegangen wie die Post. 2013 war dann aber wieder ein schlimmes Jahr. Wir haben eine Filiale in Linz aufgesperrt, im Konvent der Elisabethinen in der Landstraße, und mussten sie wegen behördlicher Auflagen wieder schließen. Ab 2014 habe ich gemerkt, als One-Man-Show ohne Management geht es nicht mehr, und habe mir Leute ins Team geholt.

© Philipp Tomsich

Es kamen dann schnell weitere Filialen dazu. Was waren Ihre Überlegungen bezüglich Wachstum? Wäre es zum Beispiel vorstellbar gewesen, Joseph Brot in Supermärkten anzubieten?

Weghaupt: Unmöglich. Solange es mich gibt, werden wir nie Supermärkte beliefern!

Stattdessen wurden einige Filialen als Buffets ausgebaut, in denen man auch sitzen und essen kann.

Weghaupt: Mir war klar, dass man die Geschichte unseres Brotes breiter anlegen muss. Brot ist sicherlich gut, aber welche Milch, welche Butter, welchen Schinken esse ich dazu? Woher kommen diese Produkte? Ich bin der Ansicht, dass die Herkunft unseres Essens auf die Karte gehört. Transparenz. Dass das möglich ist, beweisen wir in unseren Bistros. Wir versuchen dort, die Kunden noch besser abzuholen und auf unterschiedlichen Ebenen zu erreichen.

Wollen Sie in diese Richtung weiterwachsen?

Weghaupt: Momentan nicht. Wir haben aktuell drei Bistros in Wien, das reicht 100-prozentig. Wir wachsen gerade sehr stark qualitativ in der Bäckerei, experimentieren zum Beispiel mit Urgetreidesorten. Urgetreide, das sind jahrhundertealte, auch speziell in Österreich gewachsene Sorten, die nicht gekreuzt wurden. Waldstaudenroggen zum Beispiel. Der braucht zwei Vegetationsperioden, bis er reif ist. Und: Er ist nicht patentiert (Weghaupt schaut vielsagend). Das ist schlecht, oder? Da verdient einer nicht … Wir arbeiten viel mit solchen Sorten, und dabei gehen wir langsam vor. Und das ist gut so! Ich bin der einzige Eigentümer, es gibt keine Investoren, keine stillen Beteiligten. Und für mich passt dieses Tempo gut.

© Philipp Tomsich

Keywords Joseph Brot

Fermentation

Lateinisch fermentare = gären, schwellen machen. Bezeichnet die mikrobielle oder enzymatische Umwandlung organischer Stoffe in Säure, Gase oder Alkohol. Bei der Teigvorbereitung gibt das Gärgas dem Brot Volumen und sorgt im Inneren für die Porung. Diesen Vorgang auf natürliche Weise anzustoßen, so wie Weghaupt, dauert wesentlich länger, als – wie in der Industrie üblich – größere Mengen Backtriebmittel zuzuführen.

Langzeitgeführter Teig

Einen natürlich fermentierten Teig nennt man darum „langzeitgeführt“. Langzeitgeführte Teige haben mehr Zeit, Geschmack zu entwickeln, sie  bekommen im Ofen eine reschere Kruste, sind länger haltbar und bekömmlicher.

Kurze Lieferwege

Dass Josef Weghaupt von Anfang an auf Produkte aus Österreich setzte, kam ihm in der Corona-Krise zugute. Seine Lieferwege waren kurz und
stabil. Einige Produkte, wie der Dinkel für sein Brot und die Eier für seine Aufstriche, werden sogar in Sichtweite, direkt vor der Brotmanufaktur, erzeugt.

Niedrigenergie-Ofen

Josef Weghaupt betreibt einen Niedrigenergie-Ofen, der mit Thermoöl, also erhitztem Öl in einem Rohrleitungssystem, mit rund 290 Grad beheizt wird. Statt der in der Industrie üblichen Kilowattzahl benötigt er, nach eigener Aussage, auf gleicher Backfläche nur rund die Hälfte der Energie.

Titelbild STUDIO! 4/2022