Vor 20 Jahren wurde das Institut für Tourismus-Management gegründet. Dies war der Start für die FHWien der WKW, eine von zehn Fachhochschulen in Österreich. Was hat sich seit damals im tertiären Bildungssektor verändert? Und wie sehen die nächsten zwanzig Jahre aus? studio! hat VertreterInnen aus Bildung und Wirtschaft um ihre Einschätzungen gebeten.
Kleiner Haufen mit Freiheiten
Einige der ersten Studierenden von damals unterrichten nun selbst an »ihren« Fachhochschulen, so wie, z.B., Gabriele Tragschitz-Köck, heute Lektorin am Institut für Tourismus-Management an der FHWien der WKW. Oder managen sie, so wie Michael Heritsch, der 1996 an der FHWien der WKW am Institut für Unternehmensführung zu studieren begann. Seit 2006 ist er Geschäftsführer dieser Institution. »Vor zwanzig Jahren waren wir ein kleiner Haufen in Aufbruchsstimmung. Man hatte unglaublich viele Freiheiten und verhältnismäßig wenig Bürokratie «, erinnert er sich an die Anfangszeit.
Den rechtlichen Rahmen für die neuen Fachhochschulen bildete 1993 das Fachhochschul-Studiengesetz (FHSTG). Damit wurde Studieren erstmals außerhalb staatlicher Einrichtungen möglich. Das Ziel war, praxis- und wirtschaftsnahe Ausbildungsstätten zu etablieren – als Ergänzung zum bestehenden Hochschulsystem. In ihrer Anfangszeit wurden die Fachhochschulen oft scheel beäugt, bekam doch der traditionelle Uni-Betrieb erstmals Konkurrenzdruck zu spüren. Und ein FH-Studium wurde von vielen nicht ernstgenommen, wie Michael Heritsch noch weiß: »Einen Abschluss an der FH hat man damals nur als ›Magister Light‹ gesehen. Doch in der Zwischenzeit haben sich die Fachhochschulen ihren Platz erkämpft.« Heinrich Schmidinger, Präsident der Österreichischen Universitätenkonferenz, bestätigt dies: »Die FH haben zweifellos eine Nachfragelücke geschlossen und zählen mittlerweile zum festen Bestandteil der österreichischen Hochschullandschaft.« Oder, wie Michael Heritsch es ausdrückt: »Das FH-System ist erwachsen geworden.«
Kooperation statt Konkurrenz
Um den tertiären Bildungssektor klarer zu strukturieren, sei eine klare Aufgabenaufteilung gefragt, wie auch Heinrich Schmidinger einfordert: »Der rasche Ausbau der FH in den vergangenen 15 Jahren hat die Gefahren des Wildwuchses vor Augen geführt, bei dem die FH gegenüber den Universitäten nicht nur komplementäre, sondern auch überlappende Aufgaben übernommen haben.« Den Grund dafür sieht Michael Heritsch in politischen Verfehlungen: »Man hat damals den FH ihren Platz nicht zugewiesen.« Die Bundesschulsprecherin Angi Groß (Schülerunion) erlebt die Aufgabenteilung heute recht klar: »Fachhochschulen fokussieren die praktischen Bereiche einer Ausbildung. Dafür hat man mit einem Uni-Abschluss später gute Chancen auf einen Platz in der Forschung.«
Für Michael Heritsch ist genau diese Kompetenzverteilung das Ziel: »Der theoretische Unterbau ist bei den Unis eindeutig dominant. Dafür orientiert sich unser Angebot an den Bedürfnissen der Wirtschaft. Wenn sich Unis nach Markt und Wirtschaft richten müssten, ginge viel verloren, zum Beispiel die sogenannten ›Orchideenfächer‹ auf den Unis. Die sollen meiner Meinung nach unbedingt erhalten bleiben.« Heinrich Schmidinger sieht das Berufsbild der Uni-AbsolventInnen in »beruflichen Tätigkeiten, die eine Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden erfordern.«
Er will auch spezifische Studienrichtungen wie Medizin, Technik und bestimmte Bereiche der Natur- und Rechtswissenschaften ausschließlich an den Universitäten angesiedelt sehen: »Beispielsweise würde ich ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Fachhochschule für ebenso problematisch halten wie umgekehrt einen Gastronomie- oder Eventmanager mit Universitätsabschluss.«
Albin Hahn, Finanzvorstand bei Manner, plädiert für eine noch intensivere Zusammenarbeit und Austausch von FH und Universitäten, »da sich beide Institutionen gegenseitig unterstützen, fördern und weiterentwickeln.«
Der unmittelbare Draht
Die AbsolventInnen der Fachhochschulen können sich mittlerweile in der Wirtschaft durchsetzen, wie die außerordentlich guten Beschäftigungsraten zeigen. Am Beispiel der FHWien der WKW wird deutlich, wie Praxisnähe im Fachhochschulwesen umgesetzt werden kann: »Die Wirtschaft stellt auch einen großen Teil unserer Lektorinnen und Lektoren und bekommt so einen unmittelbaren Draht in die Hochschule hinein«, so Michael Heritsch. Auch Albin Hahn lobt die Zusammenarbeit von FH und ihren Partnerfirmen: »Es wird eng mit Unternehmen gearbeitet. Aktuelle Fragestellungen werden aufgegriffen und anwendungsorientierte Forschung wird gefördert.«
Besonders schätzt das langjährige Mitglied im Partnerkomitee der FHWien der WKW, Albin Hahn, an der Fachhochschule außer der guten wirtschaftlichen Vernetzung die internationale Ausrichtung der Studienlehrgänge, »beides Garanten für erfolgreiche Absolventen «. Manner unterstützt die Stiftungsprofessur für Corporate Governance & Business Ethics. Durch sie soll beantwortet werden, wie sich ethisches Handeln im Business auf den Unternehmenserfolg auswirkt. »Diese Stiftungsprofessur wird von unseren Partnerfirmen finanziert und leistet etwas, das konkret diesen Unternehmen nützt«, erklärt Michael Heritsch. Die FHWien der WKW profitiert auch selbst von dieser Forschung: »Wir bekommen einen unglaublichen Einblick in das internationale Geschäft.«
Aber auch Lehrinhalte wie Social Skills nehmen unmittelbar auf die Praxis Bezug und damit einen hohen Stellenwert ein. Dabei wird Know-how rund um Assessment Center, Präsentationen, Moderation und Teamwork vermittelt. Michael Heritsch betont: »Teamfähig muss auch ein Generaldirektor sein.«
Stichwort Hochschul-Milliarde
Zusätzlich zum Budget für die Leistungsvereinbarungsperiode (2013–2015) investierte die Bundesregierung 990 Millionen Euro zusätzlich in Universitäten und Hochschulen: 240 Millionen Euro an Offensivmitteln, 300 Millionen Euro fließen ins Grundbudget und weitere 450 Millionen Euro entfallen auf den Bereich Hochschulraum-Strukturmittel.
Der neue Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner bemüht sich nun um mehr finanzielle Mittel für den Bereich Wissenschaft und Forschung: Nach seinen Berechnungen werden für diesen Bereich bis zum Jahr 2018 zusätzlich 1,6 Mrd. Euro benötigt.
Stichwort Bologna
Am 19. Juni 1999 unterzeichneten Hochschulminister und -ministerinnen aus 29 europäischen Ländern die sogenannte Bologna-Erklärung, um sich gemeinsam zu einem Reformprozess ihrer Hochschulbildungssysteme zu bekennen. Die Erklärung wurde bisher von 47 Mitgliedern unterzeichnet, darunter Kasachstan und der Heilige Stuhl. Ziel ist die Errichtung des Europäischen Hochschulraums, der Studierenden, JungakademikerInnen, Lehrenden und Forschenden sowie wissenschaftlichem/künstlerischem Personal größtmögliche Mobilität bieten soll.
Derzeit wird unter anderem an der Optimierung der Studienarchitektur (Bachelor/Master/Doktorat) gearbeitet, d. h. an einer »Studierbarkeit von Curricula«. »Die ursprüngliche Umstellung von Master- und Diplom-Abschluss auf die neuen Abschlüsse wurde an einigen Hochschulen zu ambitioniert angegangen. In den Überarbeitungen der Curricula legen nun viele GestalterInnen mehr Wert auf mehr Flexibilität in der Akkumulierung der ECTS-Anrechnungspunkte, Mobilitätsfenster und eine Durchlässigkeit zum nächsten Zyklus«, spricht Regina Aichner vom Österreichischen Austauschdienst (OeAD) die Kritik an, die seit der ersten Umstellungswelle der Studienarchitektur 2009 von Lehrenden und Studierenden der Universitäten geäußert wurde. »Bei den FH hat die Umstellung sehr gut funktioniert, weil ihre Strukturen jünger und offener sind als jene der Universitäten, die Jahrzehnte oder Jahrhunderte alte Traditionen aufbrechen und sachte zur Diskussion stellen müssen.« Probleme in der Praxis seien nach wie vor, mit einem FH-Bachelor an einer Uni im Master weiterzustudieren oder mit einem FH-Master eine Dissertationsstelle zu finden. Eine weitere Herausforderung sei der Auslandsaufenthalt im Rahmen von berufsbegleitenden Studiengängen.
Kontakt: bologna@oead.at
Die Zukunft
Verbesserungspotenzial gibt es auch trotz zwanzigjähriger Erfolgsstory. So empfindet Angi Gross die Studiengebühren oft zu hoch und nicht für alle leistbar. Generell ist das Thema Finanzierung ein wichtiger Aspekt: »Der FH-Sektor ist ja kein teurer Sektor«, gibt Michael Heritsch zu bedenken, »und zahlt sich für den Staat in jedem Fall aus.« Wenige Drop-outs – »weniger könnten es natürlich immer sein« – und die hohen Beschäftigungszahlen seien starke Argumente für mehr öffentliche Fördergelder.
Die Kooperationen mit den Unis noch mehr voranzutreiben, ist dem Geschäftsführer der FHWien der WKW ebenfalls ein Anliegen – das er mit Albin Hahn teilt, der sich eine gute Vernetzung der FH mit den Universitäten wünscht, denn: »Das österreichische Bildungswesen muss in den kommenden Jahren die hohe Qualität des Industriestandortes Österreich sichern.« Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, bedarf es auch einiger Veränderungen. Zum Beispiel benötige man mehr Studienplätze, da die Universitäten die magische Grenze von 300.000 demnächst überschreiten, wie Heinrich Schmidinger meint: »Eine partielle Verlagerung der Studierendenzahlen von den Universitäten zu den Fachhochschulen wäre willkommen.« Michael Heritsch sieht »in zwanzig Jahren den FH-Sektor in etwa gleich groß wie den Universitätssektor.« Nur den größten, besten und spezialisierten Hochschulen räumt er langfristig Überlebenschancen ein: »Mitschwimmen wird schwer.« Die verbleibenden exzellenten Fachhochschulen könnten dann mit den Universitäten in puncto Lehre und Forschung in großen Clustern zusammenarbeiten. Heinrich Schmidinger befürchtet allerdings, »dass die Profile von Unis und FH auch in den kommenden Jahren immer mehr verschwimmen«. Er empfiehlt den betroffenen Institutionen, ihre Strategien zu überprüfen. Die Kerncharakteristika der Teilsysteme innerhalb des tertiären Sektors sollten seiner Meinung nach daher »auch das Alleinstellungsmerkmal des jeweiligen Teilsystems bilden«. Michael Heritsch ist jedoch überzeugt, dass man in zwanzig Jahren auch an den Fachhochschulen ein Doktorat absolvieren können wird.
Pünktlich zu ihrem 20-Jahr-Jubiläum führt die FHWien der WKW erstmals das Ranking der Top-FH Österreichs an. Michael Heritsch sieht die FHWien der WKW in zwanzig Jahren sogar in den internationalen Hochschul-Rankings »ganz weit oben, das ist zu schaffen«. Er hofft auf Rankings, in denen die Lehre stärker als bisher berücksichtigt wird.
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