Die jungen BerufseinsteigerInnen von heute wollen in erster Linie einen Job, der Spaß und Sinn macht«, weiß die Wiener Unternehmensberaterin Julia Lipok aus jahrelanger Erfahrung im Personal-Recruiting eines großen Handelskonzerns. »Ganz klar wollen sie auch gutes Geld verdienen und Karriere machen, aber nicht um jeden Preis.« Flexible Arbeitszeiten, mobile Arbeitsplätze, Eigenverantwortung und viel Freizeit haben oberste Priorität. Auch nach Möglichkeiten zu Auszeiten wie etwa Bildungskarenzen wird gleich beim Einstellungsgespräch gefragt. »Also ich hätt‘ mich das nie getraut«, gesteht Lipok, die noch in eher traditionellen Arbeitsstrukturen groß geworden ist.
Junge MitarbeiterInnen in spe stoßen dann oft auf 50plus-Führungskräfte. »Da prallen Welten aufeinander«, weiß Lipok. »In den Strukturen von gestern mit den Methoden von heute an den Problemen von morgen zu arbeiten, ist ein Widerspruch in sich und schreit geradezu nach Veränderung in der Führungskultur, im Recruiting, in den Arbeitsabläufen. Denn nicht nur technologisch hat sich vieles verändert, auch MitarbeiterInnenzufriedenheit ist heute anders definiert und auf anderen Wegen zu erreichen als vor 20 Jahren.« Die Unternehmensberaterin bringt einen etwas überspitzten, aber anschaulichen Vergleich: »Wer heute einer gut ausgebildeten, ehrgeizigen jungen Fachkraft ein Smartphone oder einen Laptop als besonderen Anreiz und Bonus verkaufen möchte, wird bloß ausgelacht. Denn das wäre so, als wenn man in den 70ern JobanwärterInnen die Benutzung eines Vierteltelefons oder einer Schreibmaschine als Motivations-Turbo angeboten hätte.«
Führungskräfte müssen umlernen
Flexibilität, kreatives Mitgestalten, kontinuierliches Feedback, kollegiale Führung, transparente Unternehmensstrukturen, inspirierende Teamarbeit und individuelle Gestaltung der Work-Life-Balance sind heute der Schlüssel zu einem guten Arbeitsklima. Viele Führungskräfte müssen erst lernen, mit der raren Anwesenheit der MitarbeiterInnen umzugehen. Angst vor Machtverlust und Kontrollen, ob Arbeitszeiten eingehalten werden, sind obsolet. Vertrauen statt Kontrolle ist die Devise. Die totale Flexibilität durchzuhalten, ist für Führungskräfte aber alles andere als einfach. »Da braucht‘s schon viel Vertrauen ins Team, wenn Vorgesetzte in der Früh in ein leeres Büro kommen und nicht wissen, wo und womit die MitarbeiterInnen gerade beschäftigt sind«, resümiert die Unternehmensberaterin.
Rechtslage ist nicht mehr up-to-date
Flexible Arbeitsstrukturen stoßen außerdem auf gravierende rechtliche Barrieren. »Denn Arbeitszeitflexibilisierung, wie sie vielen Unternehmen oder MitarbeiterInnen vorschwebt, oder das Konzept der Vertrauensarbeitszeit kennt das österreichische Arbeitsrecht derzeit nicht«, sagt Rechtsanwältin Anna Mertinz (Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte), die sich auf Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts spezialisiert hat. »Hier hinkt das Arbeitsrecht der Praxis nach. Es ist eine Fülle an Regelungen zu beachten, nicht nur im Arbeitszeitgesetz sondern auch in Verordnungen, Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen. Im Arbeitsrecht sind zum Beispiel Höchstarbeitszeitgrenzen festgelegt, die vom Arbeitsinspektorat überprüft werden. Bei Verstößen drohen hohe Verwaltungsstrafen, oft im vier- oder fünfstelligen Bereich. Ersatzleistungen für Überstunden können gerichtlich eingeklagt werden«, warnt die Rechtsanwältin.
Erst langsam halten Flexibilisierungsmöglichkeiten Einzug ins Arbeitszeitrecht und in Kollektivverträge. So hat beispielsweise SOS Kinderdorf einen Kollektivvertrag ausgearbeitet, der für alle MitarbeiterInnen eine bezahlte Auszeit vorsieht. Die ArbeitnehmerInnen erhalten jährlich eine Sabbatical-Gutschrift im Ausmaß von einer Wochenarbeitszeit auf ein Zeitdepot. Ab dem fünften Dienstjahr kann die angesparte Auszeit konsumiert werden. »Unsere Sabbatical-Regelung ist ein Instrument der Arbeitsflexibilität und dient der Burn-out-Prophylaxe«, erklärt SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer Christian Moser. »Gerade im Sozialbereich sind die ArbeitnehmerInnen großen psychischen Belastungen ausgesetzt. Regenerationsphasen sind nötig und werden auch gerne in Anspruch genommen.«
Neues Arbeiten in der Forschung
Trotz rechtlicher Grauzonen ist der Trend zu flexiblen Arbeitszeitmodellen auch in Österreich auf dem Vormarsch. Das zeigt eine Studie, die das Institut für Personal & Organisation an der FHWien der WKW 2014 in Kooperation mit der Plattform »DNA – Das Neue Arbeiten« durchgeführt hat. Das Ergebnis: Mobiles Arbeiten wird bereits von 50 Prozent der Unternehmen unterstützt, bei Kleinstbetrieben sind es sogar 75 Prozent. Fast jedes fünfte Unternehmen hat bereits konkrete Flexibilisierungsprojekte initiiert. Teils wurde komplett auf die neue Arbeitswelt umgestellt. Andere Firmen starteten Teilprojekte mit Fokus auf Flexibilisierung, Mobilität, neue Arbeitsplatzgestaltung und innovative Arbeitsstrukturen. »Wir haben uns aber auch die Frage gestellt, ob und wann ein Unternehmen reif für das Neue Arbeiten ist«, erklärt Sabine Groblschegg, Betriebswirtin und Lektorin am Institut für Personal & Organisation der FHWien der WKW. »Dafür haben wir in einem weiteren Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Plattform DNA eine Reifegradmessung entwickelt, die anhand von klar definierten Erfolgsfaktoren aufzeigt, wo Unternehmen in Bezug auf Neues Arbeiten stehen.«
Reif für das neue Arbeiten
Das Reifegradmodell ist eine Art Leitfaden, der ganzheitlich alle Aspekte der neuen Arbeitswelt aufzeigt, und Unternehmern als Gradmesser dient, ob ihr Betrieb fit dafür ist. Der Leitfaden umfasst sieben Faktoren: Unternehmerisches Denken und Handeln, Unternehmenserfolg mit Freude, flexible Strukturen und Teamarbeit, Unabhängigkeit von Ort und Zeit, produktivitäts- und kreativitätsförderndes Ambiente, zeitadäquate Technologie, offen und bereit für alle Generationen.
Auf Basis eines quantitativen Onlinefragebogens wurde das Reifegradmodell im Rahmen einer Studie wissenschaftlich geprüft. Das Ergebnis zeigt, dass Österreichs Unternehmen schon recht weit sind, was die Bereitschaft betrifft, Selbstverwirklichung zu ermöglichen. »In puncto Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist das Angebot in vielen Unternehmen zwar bereits vorhanden, aber in den meisten Fällen wollen die Führungskräfte die MitarbeiterInnen doch regelmäßig sehen. Angst vor Macht- und Kontrollverlust ist nach wie vor stark in den Köpfen der Vorgesetzten verankert«, analysiert Groblschegg die Ergebnisse der Forschungsarbeit. »Erstaunlich große Bedenken herrschen auch im Technologiebereich. Der uneingeschränkte Zugriff auf firmeninterne Technologien von außerhalb löst bei vielen Führungskräften ebenfalls große Ängste aus. Datensicherheit ist hier ein heißes Thema. Doch eingeschränktes Arbeiten von außen stößt gerade bei jungen MitarbeiterInnen auf Unverständnis«, so Groblschegg.
Ihr Fazit: Es gibt noch jede Menge Widersprüche zu beseitigen, um MitarbeiterInnen unterschiedlichsten Alters aktiv und eigenverantwortlich in den Wertschöpfungsprozess zu integrieren. Neues Arbeiten bedeutet Abschied von der »alten« Arbeit – der klassischen Lohnarbeit. Für den Sozialphilosophen und Vater des Begriffes »New Work«, Frithjof Bergmann, ist das neue Arbeiten nichts weniger als ein Mittel, die Gesellschaft zu verändern: »Nicht wir sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit sollte uns dienen«, so Bergmann. »Ziel der Neuen Arbeit ist es nicht, die Menschen von der Arbeit zu befreien, sondern die Arbeit so zu transformieren, damit sie freie, selbstbestimmte menschliche Wesen hervorbringt.«
»Ich saß im Zug nach Italien und wollte eigentlich nach Spanien«
studio! im Gespräch mit Autorin Emily Walton über Traumjobs, Leidenschaft und Lebenswege abseits der Trampelpfade.
Von der Redaktionsstube ins freie AutorInnenleben. Mit 25 Jahren haben Sie Sicherheit gegen Freiheit getauscht. Was war ausschlaggebend für diese Entscheidung?
Walton: Bereits während meines Journalismus-Studiums an der FHWien der WKW habe ich bei mehreren Medien als Praktikantin gearbeitet. Vor dem Studienabschluss bekam ich dann einen fixen Platz beim KURIER im Ressort »Karrieren«. Damit war ich mit 22 Jahren bereits dort, wo ich hinwollte. Ich durfte erfolgreiche Persönlichkeiten interviewen und in einem Medium mit ansehnlichen Reichweiten publizieren. Ich war anfangs sehr glücklich, doch nach drei Jahren begann der Glanz zu verblassen. Die Themen und Schwerpunkte der Interviews wiederholten sich. Es gab wenige Aufstiegschancen im Ressort. Und ich wollte mehr und anders mit Sprache arbeiten.
Dann zogen Sie einfach die Handbremse?
Walton: Ja, es war Zeit, innezuhalten. Zu fragen: Wo bin ich eigentlich und wo will ich hin? Ich habe festgestellt, dass ich im Zug nach Italien saß, aber eigentlich nach Spanien wollte. Während meiner ersten Arbeitsjahre hatte ich eine große Leidenschaft für Literatur entwickelt. Meine Prioritäten und Ziele hatten sich geändert. Also studierte ich Germanistik und begann neben meiner Arbeit, Kurzgeschichten und Buchrezensionen zu schreiben. Mein Wunsch Autorin zu werden, wuchs weiter, mit einem Vollzeitjob ließ sich dies nicht vereinbaren. 2010 habe ich den Zeitungsjob gekündigt und damit Sicherheit gegen Freiheit eingetauscht.
Ein mutiger Schritt in Richtung Selbstverwirklichung – charakteristisch für die Lebenseinstellung der Generation Y?
Walton: Ob Generation X oder Generation Y – ich persönlich fühle mich als Individuum und keiner spezifischen Generation zugehörig. Und es war auch keineswegs ein spontaner Akt der Befreiung, sondern ein bewusst geplanter Schritt. Mein Glück war, dass ich bereits mit 26 Jahren jede Menge berufliche Erfahrungen gemacht hatte und dadurch genau wusste, was ich wollte und was nicht. Das Leben als freischaffende Journalistin und Autorin ist nicht immer einfach, aber ich war immer überzeugt von meinem Können und hatte deshalb nie Angst, keine Aufträge zu bekommen.
Welche weiteren Ziele haben Sie?
Walton: Vor vier Jahren erschien mein erstes Buch »Mein Leben ist ein Senfglas« in einem kleinen Verlag. Ich bekam gute Kritiken und war mit dem Erfolg des Buchs zufrieden. Doch ich wusste, das ist nicht der Endpunkt, sondern ein guter Start für meinen weiteren Weg. Gerade ist mein aktuelles literarisches Projekt erschienen (Anm.: die Romanbiografie »Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte«). Da hatte ich das Glück, einen größeren Verlag zu gewinnen, der mir andere Strukturen bot. Ich habe jetzt das Gefühl, ein weiteres Ziel in meinem Leben erreicht zu haben, auch wenn es schwierig ist, mit Literatur Geld zu verdienen. Ich bin mit diesem zweiten Buchprojekt in die amerikanische Literatur eingetaucht, konnte mein Wissen über die 1920er-Jahre vertiefen und literarisch verwerten. Diesen Weg möchte ich weiter gehen.
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