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studio! Ausgabe 1/2019

Cover Story: … erfolgreich in die Zukunft führen

Familienunternehmen spielen in der österreichischen Wirtschaft eine tragende Rolle – auch, weil Erfolg für sie oft eine ganz spezielle Bedeutung hat. Über Tradition, Werte und unternehmerische Verantwortung.

von Mascha K. Horngacher

Wie definiert man unternehmerischen Erfolg? Die naheliegendste Antwort ist wohl: über Umsatz und Gewinn. Julia Fandler hat für sich auch noch ein anderes Kriterium definiert: »Es nicht nur die nächsten paar Jahre krachen lassen, sondern ein solides Unternehmen führen, das ist motivierend.« Die Eigentümerin der Ölmühle Fandler GmbH führt in vierter Generation das Erbe der Ölproduktion im steirischen Pöllau fort. Dabei ist der Betrieb stetig gewachsen, nur der Standort ist seit der Gründung 1926 derselbe. Julia Fandler hat den Betrieb seit 2005 deutlich vergrößert, ist den zentralen Werten der Mühle aber treu geblieben: kompromisslose Produktqualität sowie der Mensch im Mittelpunkt.

Familienbetrieb: eine Frage der Definition

Die langfristige Ausrichtung des Betriebs über Generationen hinweg ist ein Markenzeichen von Familienunternehmen. Dabei prägen Betriebe wie die Ölmühle Fandler Österreichs Unternehmenslandschaft deutlich: 51 Prozent (ohne Ein-Personen-Unternehmen) der Unternehmen sind hierzulande Familienunternehmen. Laut einer Studie der WKO vom Mai 2018 beschäftigen sie 1,8 Millionen Menschen – und damit einen Großteil der heimischen ArbeitnehmerInnen.

Die Bandbreite der Familienunternehmen reicht vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum weltweit agierenden Großkonzern. Kennzeichnend ist dabei die Leitungs- und Eigentümerstruktur: Oft liegen Eigentümerschaft und Unternehmensführung in der Hand einer einzigen Person. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal nennt Daniela Ortiz von der FHWien der WKW: die Definition von Erfolg. »Erfolg wird in vielen Familienunternehmen nicht nur an der Gewinnmaximierung gemessen, sondern es werden auch nicht-finanzielle Indikatoren herangezogen, zum Beispiel die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Verankerung in der eigenen Region.«

(c) Fronius International GmbH

Verantwortung für Mensch und Umwelt

Ortiz ist stellvertretende Leiterin des Center for Corporate Governance & Business Ethics der FHWien der WKW. Mit ihrem Team untersucht sie unter anderem Klein- und Mittelbetriebe, die im Bereich verantwortungsvolle Unternehmensführung eine Vorreiterrolle einnehmen. Soziale und umweltrelevante Aspekte prägen deren Geschäftsprozesse wesentlich. Im Rahmen eines von der Stadt Wien geförderten Forschungsprojekts arbeitet Daniela Ortiz auch mit Julia Fandler zusammen. Über die Ölmühle Fandler sagt Ortiz: »Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Unternehmensleitung nicht in Quartalen denkt, sondern in Generationen. Die Ölmühle ist Stakeholder-orientiert und arbeitet auch mit Ressourcen aus der Region.«

Familienunternehmen zeichnen sich oft durch ein Verantwortungsbewusstsein für Gesellschaft und Umwelt aus, das stark von der Unternehmensleitung vorgegeben und vorgelebt wird. »Unternehmerische Verantwortung wird zunehmend gesellschaftlich erwartet. Werteorientierte Unternehmen haben somit eine große Chance, sich dadurch am Markt zu positionieren«, sagt Ortiz. Verantwortungsvolles Wirtschaften ist hier Selbstverständlichkeit – und nicht reine Marketingstrategie. Ortiz’ Empfehlung lautet daher: »Tue Gutes und rede darüber.«

Typisch für Familienunternehmen sei auch, dass sie nicht jedem Trend hinterherlaufen. Sie verstehen sich oft als Träger einer Tradition. Was jedoch nicht bedeute, dass Familienbetriebe nicht innovationsfreudig sein können, betont Ortiz. Wenn neue Wege eingeschlagen werden sollen, hat ein kleiner Familienbetrieb eindeutig einen Vorteil gegenüber anderen Unternehmensformen: Kürzere Wege ermöglichen eine schnelle Umstellung.

(c) Fandler/Gerhard Wasserbauer

Verwandlung von „Deinem“ zu „Meinem“

Für Julia Fandler hat sich bald nach ihrer Betriebsübernahme die Notwendigkeit eines Relaunches der Marke ergeben. Bio-Produkte wurden im Lebensmitteleinzelhandel immer wichtiger. Auch wenn Fandler-Öle bereits in Bio-Qualität erhältlich waren, war das am Etikett nicht ausreichend erkenntlich. Durch den Relaunch-Prozess wurde das geschafft und noch viel mehr: »Es war eine richtiggehende Metamorphose«, erinnert sich Fandler. »Der Betrieb meines Vaters wurde zunehmend zu meinem.«

Der Relaunch war eine sehr bewusste Entscheidung – dass sie ihrem Vater in der Unternehmensleitung nachgefolgt ist, jedoch nicht: »Das war kein Entschluss, ich bin reingewachsen.« Seit ihrem 20. Lebensjahr war sie im Betrieb tätig, lernte die Ölmühle von der Pike auf kennen und war, wie sie sagt, eine normale Mitarbeiterin in sämtlichen Unternehmensbereichen. Erst später hatte sie sich mit der Verwaltung einen eigenen Aufgabenbereich geschaffen. Sehr zur Freude ihres Vaters, der sich vermehrt um den Außendienst kümmern konnte. Es blieb schließlich aber nicht viel Zeit für eine Übergabe: Julia Fandlers Vater erkrankte und starb früh. Eine belastende, aber auch lehrreiche Phase für die Unternehmerin. »Ich musste aus einer homogenen Gruppe von Mitarbeitern als Führungskraft heraustreten, delegieren und Kritik geben lernen.« Gelungen sei ihr das durch den Rückhalt in der Belegschaft sowie deren Anteilnahme am Schicksal der Familie Fandler.

(c) Fandler/Gerhard Wasserbauer

Masterplan für die Zukunft

Ganz anders verlief die Nachfolge bei Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß. Als Enkelin des Firmengründers leitet sie seit 2012 gemeinsam mit drei Nicht-Familienmitgliedern die Fronius International GmbH. Der oberösterreichische Industriebetrieb ist spezialisiert auf Schweißtechnik, Photovoltaik und Batterieladetechnik und hat weltweit über 4.500 MitarbeiterInnen. Eigentlich wollte sie beruflich ihren eigenen Weg gehen, doch 2001 folgte sie dem Angebot ihrer Mutter, den Finanzbereich von ihr zu übernehmen. »Dass ich heute an der Spitze des Unternehmens stehe, hat sich erst über die Jahre entwickelt«, schildert Engelbrechtsmüller-Strauß.

Ab ihrem Einstieg bei Fronius hat sich die Familie intensiv damit beschäftigt, wie die Übergabe an die nächste Generation gestaltet und geschafft werden kann. Dabei ist es nicht nur um die Geschäftsführung an sich gegangen, denn auch Engelbrechtsmüller-Strauß’ Schwester Petra Strauß sowie ihr Cousin Peter Fronius arbeiten im Unternehmen. »Wir denken auch jetzt darüber nach, welche Regeln wir für die Zukunft und somit für die vierte Generation aufstellen müssen. Es ist ein fortlaufender Prozess, der aus meiner Sicht nie aufhören wird«, so die Fronius-CEO.

(c) Fronius International GmbH

Keine 08/15-Übergabe

Geht es nach Claudia Rosenberger von der Nachfolgebörse der Wirtschaftskammer Wien, ist das der ideale Prozess. Ein Jahr Planung sei zur Vorbereitung der Nachfolge das Minimum, zwei bis drei Jahre wären optimal. In manchen Fällen können aber auch fünf bis zehn Jahre sinnvoll sein, um die Nachfolge gut vorzubereiten. Es komme auf die Größe und Struktur eines Betriebs an, meint Rosenberger. »Eine Betriebsübergabe ist immer ein Einzelfall. Aus diesem Grund ist eine individuelle Beratung empfehlenswert.« Die Nachfolgebörse ist eine kostenfreie Serviceleistung der WKW und richtet sich an alle Unternehmen, die in den nächsten fünf Jahren eine/n NachfolgerIn suchen. Gleichzeitig werden über die Inserate auf der Online-Plattform InteressentInnen an einer Betriebsübernahme angesprochen.

Aktuell sind österreichweit knapp 1.300 Betriebe auf der Plattform registriert – 455 davon allein in Wien. Abhängig von der Attraktivität der Branche, der Aktualität oder dem Preis kann die Vermittlung bei manchen Betrieben nur wenige Wochen dauern, bei anderen wiederum Jahre. Familienbetriebe regeln die Nachfolge zwar meist innerfamiliär, suchen aber dennoch die Beratung im Übergabeprozess durch die Wirtschaftskammer.

(c) Fronius International GmbH

Anders als geplant

Wie zum Beispiel Barbara Vrba. Vor zwei Jahren übernahm sie das H*S*C – HaushaltsServiceCenter in Wien-Döbling von ihrer Mutter, im Betrieb tätig ist sie schon seit 2005. Gegründet wurde die Firma 2000 von ihrem Vater, der jedoch 2009 unerwartet verstarb. Die Mutter führte bis zu ihrer Pensionierung Ende 2016 den Betrieb weiter. »Die Nachfolge meines Vaters hatte ich mir anders vorgestellt«, schildert Vrba. Ein paralleles Arbeiten, Seite an Seite mit ihm, nicht nur in der Reparaturwerkstatt. Denn über betriebswirtschaftliche Themen hatte ihr Vater nie gesprochen. Dieses Wissen musste erst erarbeitet werden – mit Unterstützung von Vrbas Lebensgefährten, der damals BWL studierte. Heute führt sie mit ihm gemeinsam den Betrieb. »Bei der Übernahme waren viele Wege zu gehen und einiges zu beachten. Doch über die Nachfolgebörse habe ich erfahren, worauf ich aufpassen und in welcher Reihenfolge ich vorgehen muss, um dorthin zu kommen, wohin ich wollte.« Für diesen Input ist die heute 34-jährige sehr dankbar und erinnert sich: »Der Übernahmeprozess hat sich schwieriger angehört, als er schlussendlich war.«

(c) HSC/Christoph Dopplinger

Für Fronius-CEO Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß ist klar: »Niemand soll sich verpflichtet fühlen, den Familienbetrieb zu übernehmen, sondern es nur machen, wenn er oder sie wirklich will. Es muss Spaß machen. Nur dann findet man auch seinen eigenen Weg.« Gewisse Regeln machen die Zusammenarbeit im Familienunternehmen dann ebenfalls einfacher: eine bewusste Unterscheidung zwischen Firma und Familie etwa sowie Rollenklarheit. »Ich bin nicht nur Mutter, Tochter, Nichte, Schwester und Cousine, sondern auch Geschäftsführerin. In der Firma gelten andere Regeln als im System Familie. Dessen muss man sich bewusst sein. Außerdem soll berücksichtigt werden, dass Familienmitglieder, die nicht im Unternehmen tätig sind, sich nicht ausgeschlossen fühlen«, erklärt Engelbrechtsmüller-Strauß. Und man habe vereinbart, sich bei klassischen Familientreffen nicht über die Firma zu unterhalten: »Familie bleibt Familie und Firma bleibt Firma.«

Fest steht: Wer die Nachfolge eines Familienbetriebs übernimmt, beweist Mut. Werte erhalten und, wenn sinnvoll und notwendig, neue Wege zu gehen, das zeugt von unternehmerischer Verantwortung – ein guter Weg zur langfristigen Unternehmensentwicklung.

 

Familienunternehmen in Österreich