Seit Coaching in aller Munde ist, hat der gute alte Kurs offenbar ausgedient. Selbst IT-Weiterbildungen firmieren heute als Coaching, auch wenn sie sich von ganz normalen Kursen praktisch nicht unterscheiden. Warum, das erklärt Steffi Bärmann, Academic Coordinator Human Resource Development, Training & Coaching an der FHWien der WKW. Sie hat den Fachbereich Coaching an der Fachhochschule mitaufgebaut und weiß, dass vieles als Coaching bezeichnet wird, einfach, weil es interessanter klingt. Doch: »Österreich ist weltweit das einzige Land, das Coaching gewerblich regelt. Man darf also nicht einfach ein Gewerbe als Coach eröffnen.« Wer sich als Coach ausgibt und keiner ist, kann demnach rechtlich belangt werden, warnt Bärmann. Was macht nun Coaching aus?
Den Begriff bringt man nicht zufällig mit SpitzensportlerInnen in Verbindung, also mit Menschen, die sich im harten Training Techniken unter Anleitung aneignen. Im Umfeld des Wettbewerbs steht ihnen dann ein Coach zur Seite, der sie motiviert und darin unterstützt, sich auf die Situation einzustellen und alle Ressourcen optimal zu nutzen.
ExpertInnen für das eigene Leben
Das Coaching, um das es hier geht, wurde aus dem Sportbereich auf das Management übertragen. Im Fokus sind Fragen und Probleme der Arbeitswelt. Dabei durchlaufen Einzelne, eine Gruppe oder ein Team einen zeitlich begrenzten und thematisch definierten Beratungs- und Begleitungsprozess. Die Devise lautet: Der/die KlientIn ist ExpertIn für das eigene Leben und hat das Potenzial, unter Anleitung eigenständig Antworten und Lösungen zu finden.
Zielgruppe: gesunde Menschen
Die Einsatzbereiche von Coaching reichen von Karriereberatung bis hin zu akuten persönlichen Krisen in bestimmten Lebenssituationen (Stress, Burnout oder Mobbing). Bei der Strategieentwicklung, bei organisationskulturellen oder wirtschaftlichen Krisen, Umstrukturierungen oder ähnlichen Fragestellungen, die eine Gruppe betreffen, kann Coaching ebenfalls helfen.
Die im Coachingprozess eingesetzten Methoden und Techniken sind ein Mix aus verschiedenen Bereichen: Der systemische Ansatz bezieht die Wechselwirkungen des Lebensumfeldes mit ein, der humanistische zielt auf eine empathische, wertschätzende Gesprächsführung, das Neuro-Linguistische Programmieren (kurz NLP) arbeitet u. a. mit Wahrnehmens- und Kommunikationspräferenzen. Viele Erkenntnisse stammen aus der Psychotherapie, erzählt Steffi Bärmann. Sollten sich viele Menschen tatsächlich nicht besser an einen oder eine PsychotherapeutIn wenden als an einen Coach? Bärmann: »Es gibt Grenzen, an denen nicht mehr weitergearbeitet werden soll. Dann, wenn es um Heilung gehen sollte. Coaching richtet sich an gesunde Menschen.«
Von der Theorie in die Praxis und zurück
Bärmann ist selbst Coach. Vor ihrer Anstellung an der FHWien der WKW war sie weltweit beratend unterwegs, auch heute coacht sie noch im Rahmen ihrer Tätigkeit. Ihr Ausbildungsprofil bezeichnet sie als bunt: »Ich wusste zu Beginn nicht, was es am Markt gibt, nur, dass ich Menschen darin unterstützen wollte, ihr Potenzial zu finden.« Mittlerweile hat sie mehrere Ausbildungen in verschiedenen Bereichen absolviert.
Weiterbildung steht nach wie vor auf ihrer Agenda, denn das ist ein Muss als zertifizierter Coach nach der International Coach Federation (ICF). Dieser Coaching-Verband versucht, mit einer Zertifizierung die Branche zu professionalisieren, Qualitätsstandards und einen Ethik-Code zu etablieren. »Eine Zertifizierung zeigt, welche Kompetenzen und Erfahrungen erworben wurden«, erklärt Bärmann und verweist auf Kernkompetenzen wie Kommunikation, Gestaltung der Coach-Coachee-Beziehung, Prozess- und Ablauforganisation, Selbstreflexion, berufliche Rollen-, Fach- und Feldkompetenz.
DIY: Online-Coaching für die Karriere
Vom Coach weiter zum Coachee: Gut beraten – vom Berufseinstieg bis zum -ausstieg – ist man auf der Plattform karriere.at. Michaela Foißner-Riegler, Head of Human Resource bei karriere.at, schätzt Coaching als eine wertvolle Anleitung zum Selbermachen. Daher bildet der karriere.at-Blog umfassend ab, worauf es in Beruf und Karriere in den unterschiedlichen Stadien ankommt. »Unser Redaktionsteam behandelt Themen, zu denen Menschen Fragen haben, und versorgt sie mit Facts.« Als eine Art Online-Coaching finden BerufseinsteigerInnen in den Blogbeiträgen Tipps – von No-Gos im Lebenslauf bis zum Dresscode beim Job-Interview, wenn einen die sommerlich hohen Temperaturen zum Schwitzen bringen. In Webinaren können User ihre Fragen an ExpertenInnen stellen.
Für AbsolventInnen gibt es an Hochschulen regelmäßig das Angebot eines CV-Checks – auch an der FHWien der WKW. »Die eigene Wirkung kann mit einer Videoanalyse trainiert werden«, weiß Foißner-Riegler. Nicht vergessen sollte man auch auf die Expertise von FreundInnen und Bekannten, die bereits im Berufsleben stehen. Die Personalistin von karriere.at rät außerdem, sich nicht von der Technik einschüchtern zu lassen. Künstliche Intelligenz fasse zwar bei Persönlichkeitstests im Recruiting Fuß, deren Urteil werde aber nie ausschlaggebend für eine Anstellung sein, ist Michaela Foißner-Riegler überzeugt.
Coaching für Start-ups
Einen großen Schritt vom Berufseinstieg entfernt liegt meist die Unternehmensgründung. Business Angel Michael Altrichter, bekannt unter anderem aus der Puls 4-Start-up-Show »2 Minuten 2 Millionen«, berät GründerInnen. Selbst erfolgreicher Gründer, hilft er als Investor Start-ups bei der Entwicklung ihres Geschäftsmodells. »Zu Beginn eines Coachings geht es um Logik-Fragen zum Produkt, zum Team oder zur Strategie«, erzählt Altrichter. Erst wenn eine engere Partnerschaft angestrebt wird, müssen Antworten auf Details gefunden werden. In diesem Fall geht die Status-quo-Analyse direkt in die Suche nach Lösungen für zuvor identifizierte Probleme über, wofür bei Bedarf auch externe PartnerInnen hinzugezogen werden.
Beratung solle schon bei der Unternehmensgründung in Anspruch genommen werden, vor allem Rechtsberatung, meint Altrichter und verweist auf Anwaltskanzleien, die Start-ups Spezialpreise bieten. Außerdem empfiehlt er die Kontaktaufnahme mit dem Verein AustrianStartups, einer unabhängigen, nicht gewinnorientierten Plattform zur Unterstützung von innovativem Unternehmertum in Österreich. Aus seiner eigenen Erfahrung empfiehlt der Impact Investor: »Grundsätzlich kann sich jeder in unterschiedlichen Lebenssituationen coachen lassen – privat wie geschäftlich. Vor allem dann, wenn man selber keinen Ausweg sieht.«
Mentale Stärke lässt sich trainieren
Bei GründerInnen ist der Coaching-Auftrag klar umrissen; das muss aber nicht immer so sein. FHWien-Alumnus Philipp Pechhacker ist nebenberuflich als diplomierter Mental-, Intuitions- und Bewusstseinstrainer tätig. Er bietet Trainings zur Stärkung des Selbstbewusstseins, zum besseren Umgang mit belastenden Situationen sowie zur Entspannung und Stressreduktion an. Die Methode: konzentrative Entspannung – eine Art Meditation. »Ich bin hauptberuflich Führungskraft und weiß, wie wichtig zwischenmenschliche Abläufe und Prozesse, aber auch die eigene Kongruenz mit den Tätigkeiten sind. In unserer immer komplexer werdenden und schnelllebigen Welt, wo Erfolg oft in Zahlen und Überstunden gemessen wird, war es für mich wichtig, ein Ventil zu finden, das mir Stress-Resilienz und Entspannung bringt.«
Sein eigener Weg zum Mentaltraining eröffnet heute seinen KlientInnen die Möglichkeit, sich fallen zu lassen und gemeinsam mit ihm an ihren Themen zu arbeiten. »Ich helfe Menschen dabei, den eigenen weisen Berater – die Intuition – kennen zu lernen.«
Für welche Art der Unterstützung man sich auch entscheidet, was zählt, ist der Erfolg. Wie dieser gemessen werden kann, ist eine Frage des Blickwinkels, meint Steffi Bärmann. Das liegt nicht zuletzt auch daran, ob der Coachee sich überhaupt verändern möchte, denn manchen wird das Coaching aufgedrängt, etwa von Vorgesetzten. »Man kann den Erfolg individuell erfassen, mit einer Zufriedenheitsskala oder anhand der Erreichung eines Ziels. Aber auf Basis von Zahlen und Daten den Coaching-Effekt zu messen, sehe ich kritisch«, sagt Bärmann, zu viele Nebeneffekte seien zu berücksichtigen.
Ein Erfolgsrezept kann sein: Freiwilligkeit und eine klare Zieldefinition. Dann wird aus dem Coaching eine berufliche wie persönliche Bereicherung.
„Was mich stört, sind Lippenbekenntnisse“
Markus Scholz leitet den Research Cluster SMEs & Family Businesses der FHWien der WKW. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Frage: Wie kann aus Nachhaltigkeit und unternehmerischer Verantwortung ökonomischer Nutzen entstehen?
Wie können Unternehmen verantwortungsvoll und nachhaltig arbeiten?
Scholz: Unternehmen sehen den gesellschaftlich geforderten Wandel oft als Problem, da dieser in der Regel mit hohem personellen und materiellen Ressourceneinsatz und die Umsetzung mit ökonomischen Risiken verbunden ist. Was den Unternehmen häufig weniger bewusst ist, sind die bedeutenden Wertschöpfungspotenziale, die sich aus diesen Themen ergeben. Die Europäische Kommission rechnet mit jährlichen Nettoeinsparungen in dreistelliger Milliardenhöhe durch die Umstellung auf ein kreislaufbasiertes Wirtschaftssystem.
An welchen konkreten Themen arbeiten Sie dabei?
Scholz: Am Research Cluster SMEs & Family Businesses arbeiten wir vor allem zu der Frage, wie Unternehmen sich strategisch derartig platzieren können, dass aus der Adressierung von Nachhaltigkeits- und Verantwortungsthemen ein unternehmerischer Nutzen entsteht. Wir nennen dieses Arbeitsgebiet Strategic Sustainability Management. Mich interessiert zudem das Thema Unternehmen und Menschenrechte. Unternehmen haben eine besondere Verantwortung, sich nicht zu Komplizen bei Menschenrechtsverletzungen zu machen, wenn sie in bestimmten Regionen der Welt wirtschaftlich aktiv sind. Um dieser Verantwortung nachzukommen, bedarf es besonderer Managementansätze, welche wir derzeit mit internationalen Partnern entwickeln.
Mit welchen Unternehmen und Organisationen haben Sie bereits zusammengearbeitet?
Scholz: Am Research Cluster SMEs & Family Businesses kooperieren wir mit österreichischen KMU sowie mit international tätigen Unternehmen, etwa mit Blaguss, Berndorf, Manner, Kapsch und Bain & Company. Des Weiteren wird unsere Expertise von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen nachgefragt, z. B. von der Europäischen Kommission, von österreichischen Ministerien und Transparency International, das sich dem weltweiten Kampf gegen Korruption widmet.
Stoßen Sie auch auf Widerstände?
Scholz: Was mich stört, sind Lippenbekenntnisse und eine noch weitverbreitete Verantwortungsdiffusion zwischen Politik und Unternehmen. Sowohl Politik als auch Unternehmen müssen verstehen, dass die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, welche insbesondere im Kontext der digitalen Transformation und zunehmend auch aus der Klimaproblematik entstehen, nur gemeinsam erfolgreich gelöst werden können. Dazu braucht es ein entschlossenes politisches Handeln sowie ein Unternehmertum, das sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist und sich nicht scheut, neue Wege zu gehen.
Nehmen Sie bei ethischen Fragen Haltungsunterschiede zwischen den Generationen wahr?
Scholz: Die Managergeneration 40+ ist teilweise noch stark von der Idee geprägt, die einzige Verantwortung von Unternehmen bestünde in der Gewinnmaximierung. Die jüngeren ManagerInnen verstehen, dass unsere bisherige Art und Weise des Wirtschaftens an Grenzen stößt und übernehmen immer häufiger Verantwortung für gesellschaftliche und ökologische Themen – übrigens nicht zuletzt, weil KundInnen, potentielle Arbeitskräfte und eine sich immer besser organisierende Zivilgesellschaft
dies verlangen.
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