Ausschlafen, unter Palmen frühstücken und sich am Sandstrand sonnen – das schafft Julia Stelzl selbst an ihren freien Tagen nicht. Dabei arbeitet sie dort, wo andere Urlaub machen: Auf den britischen Jungferninseln in der Karibik ist sie seit Herbst 2023 als Skipperin für einen Veranstalter von Segeltörns unterwegs. Gemeinsam mit der befreundeten Gourmet-Köchin Rebeka Dokl sorgt sie dafür, dass die vorwiegend aus den USA stammenden Gäste an Bord eines Leopard-50-Katamarans den ultimativen All-inclusive-Urlaub erleben, für den sie zwischen 25.000 und 40.000 US-Dollar zahlen. Eine Woche lang liegt das Wohl der etwa acht Yacht-Passagiere in ihren Händen. Doch die Arbeit beginnt schon an den »freien Tagen«: Zwischen den Touren müssen der Generator und der Motor serviciert, Reparaturen durchgeführt, die Kabinen vorbereitet und muss Proviant eingekauft werden.
Gästewohl mit Wellengang
Kommen die Gäste an Bord, geht es gleich weiter: Nachdem sie mit Champagner begrüßt worden sind, folgen technische Einweisung und Security Briefing. »Direkt danach legen wir ab«, schildert die 27-Jährige ihren außergewöhnlichen Arbeitsalltag. Stelzls Aufgabe ist es auch, mit der Gruppe zu besprechen, ob sie touristische Hotspots sehen oder weniger frequentierte Routen wählen will. Braucht sie ein Unterhaltungsprogramm, oder genießt sie ihre Privatsphäre? Verbringt sie viel Zeit am Boot, oder muss sie mit dem Beiboot auf eine der 60 Inseln gebracht werden? Diese Fragen gilt es pro Gruppe individuell zu beantworten. Flexibel reagieren muss Julia Stelzl auch auf Wetterbedingungen. Bei hohem Wellengang etwa könne man erst nach dem Ankern kochen. Dann unterhält sie die Gäste, während Rebeka am Herd steht. »Wenn ich um 6 Uhr aufstehe, ist meist schon jemand wach, und bis 22 Uhr bin ich immer ›on‹. Ich schalte nie ab.« Nicht einmal nach Feierabend. Denn der findet in der kleinen Kabine statt, die sie mit ihrer Teamkollegin teilt.
Doch auch wenn ihr Job fordernd ist, kann Stelzl ihn genießen. »Ich bin dankbar, dass ich so viel Zeit auf dem Boot verbringen kann«, sagt sie und bereut keineswegs, im Sommer 2022 ihre sichere Karriere im Tourismusmarketing aufgegeben und sich »voll und ganz für die Segelwelt« entschieden zu haben. Das Jobangebot des Yacht-Veranstalters kam gerade recht. Denn: »Ich bin nicht nur in der Karibik, um eine schöne Zeit zu haben, sondern es gibt einen tieferen Sinn.« Die Abläufe vor Ort und das Kennenlernen verschiedener Bootstypen seien eine ideale Vorbereitung, um eines Tages die Yacht-Charter-Agentur ihres Vaters Thomas Stelzl zu übernehmen.
Marketing-Skills von der FHWien
Seit 1997 findet das Unternehmen Stelzl aus Anif bei Salzburg für seine Kundschaft Yachten, Schiffe und Boote bei Charterfirmen in Kroatien, Griechenland, Italien, Mallorca, der Türkei, Thailand, den Seychellen und auch in der Karibik. Während sie den Segelsport von Kindesbeinen an kennt, eignete sich Julia Stelzl ihr Wissen im Marketing an der FHWien der WKW an: An den Bachelor im Bereich Marketing & Sales hängte sie noch einen Master in Leadership im Tourismus an.
Noch vor der Pensionierung ihres Vaters möchte Julia Stelzl im Familienbetrieb ein CRM-Programm einführen, um Abläufe zu vereinfachen und Angebote noch kundenorientierter gestalten zu können. Doch sonst will sie viel Bewährtes weiterführen: »Ich muss nicht von einem Tag auf den anderen alles umkrempeln, was Papa 25 Jahre erfolgreich gemacht hat.«
Zwei Wochen Büro, zwei Wochen auf See – so malt sie sich ihre kurzfristige Zukunft aus und hofft, damit anderen Frauen in der noch männerdominierten Branche ein Vorbild zu sein. »Mein Ziel ist es, Mädels zu zeigen: Ihr könnt das auch«, betont Stelzl, die 2023 als Skipperin und Steuerfrau erstmals mit einer reinen Damen-Crew den Austria Cup gewonnen hat.
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