»Καλώς Ὁρίσατε, ἥδιστον ὅτι ἐνθάδε ἐστέ!« (Altgriechisch: »Willkommen, schön, dass Sie hier sind!«)
Peter Klien: Oh – das kommt jetzt überraschend. Ich bin es nicht gewohnt, Altgriechisch zu hören, sondern nur, es zu lesen. (Peter Klien liest den gedruckten Satz, runzelt die Stirn, übersetzt ihn – etwas stimmt scheinbar sprachlich nicht – und schlägt eine korrekte Alternative vor.) Der geläufige Gruß im antiken Griechenland lautet aber »χαίρειν«, also wörtlich: Freu dich!
Wie schön.
Klien: Ja, oder? Jetzt sind wir aber ziemlich Hardcore eingestiegen.
Wir dachten: Von Ihrem Philosophie- und Altgriechisch-Studium wissen nur wenige. Und im Magazin einer Bildungsinstitution dürfen wir uns für Ihren Studienhintergrund interessieren. Daher gleich die Anschlussfrage: Wer ist Ihr Lieblingsphilosoph?
Klien: Platon.
Was mögen Sie an ihm?
Klien: Er hat diese philosophische Genauigkeit und den Willen zum vernünftigen Argument, aber verpackt in einer sehr literarischen Form. Platon ist lohnend zu lesen: Es geht ihm um das Leben der Seele, die aufgespannt ist zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit.
Und Sie lesen ihn im altgriechischen Original?
Klien: Momentan viel zu selten – aber im Urlaub immer noch gerne.
Ihre Diplomarbeit haben Sie über Lukian von Samosata geschrieben, den 120 n. Chr. geborenen, bedeutendsten Satiriker der Antike. Hat seine Denkweise Sie geprägt?
Klien: Ja. Sein respektloser Umgang mit der Philosophie gefällt mir. Er hat sich über jene Philosophen lustig gemacht, die großspurig tun und reden, aber sobald sie sich unbeobachtet wähnen, die schlimmsten Menschen sind. Es gibt von ihm auch berühmte Götterdialoge, die könnte man im Kabarett aufführen.
Unterm Strich geht es also auch in diesen 1.900 Jahre alten Texten um Respektlosigkeit gegenüber den Mächtigen. Wie wichtig ist Respektlosigkeit im heutigen Alltag?
Klien: Sehr wichtig. Wobei Respektlosigkeit nicht heißen soll, dass man sein Gegenüber nicht achtet. Sie ist keine Achtlosigkeit, sondern zielt auf unnötigen Respekt ab, den man jemandem entgegenbringt, weil man glaubt: Der ist so gescheit, so wichtig, so mächtig. Diese Schüchternheit sollte man ablegen.
Wir nähern uns gerade Ihrer Arbeitsweise als »respektloser« Interviewer: Es geht Ihnen also darum, Hierarchien zu hinterfragen?
Klien: So ist es. Hierarchie ist ein griechisches Wort. »ἱερός« bedeutet heilig. »αρχή« ist die Herrschaft. Hierarchie ist die Herrschaft, die als gottgegeben erklärt wird. Die gilt es nicht zu akzeptieren.
Gehen Sie in Gesprächen rauer um mit Personen, die berufsmäßig in der Öffentlichkeit stehen, als mit zufälligen PassantInnen?
Klien: Schon. Die Leute in der ersten Reihe der Politik sind es gewöhnt, in die Kamera und ins Mikrofon zu sprechen, die haben Medientrainings, die sind abgebrüht. Die vertragen, dass man die Dinge direkter anspricht. Das ist es, was ich sein möchte: direkt. Aber nie grob. Ich möchte auch niemanden zerstören oder verletzen, nur die Dinge klar aussprechen und schauen, wie mein Gegenüber reagiert.
Mittlerweile kennt man Ihr Gesicht in Österreich. Die Leute wissen, worauf sie sich einlassen: Gibt es so etwas wie eine Faustregel, welche Prominente sich auf ein Gespräch mit Ihnen einlassen – und welche nicht?
Klien: Unter der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz war es Parteilinie, dass man mir ausweichen möge. Das hat sein gesamtes Umfeld und auch er selber so gehalten. Der wollte sich der Gefahr nicht aussetzen, zu scheitern oder aus der Inszenierung gedrängt zu werden. Das hat sich stark geändert unter Karl Nehammer, der ein Vergnügen darin gefunden hat, mit mir zu parlieren oder mir auf die Schulter zu dreschen. Er ist ja Hobbyboxer und macht das mit sehr viel Energie (lacht). Bei den Blauen ist es übrigens so, dass der Strache oder der Hofer überhaupt kein Problem mit einer gewissen Selbstironie gehabt haben. Die hatten eine gute Portion Humor. Strache ist mir nie ausgewichen, bei Herbert Kickl ist das anders. Ich bekomme keine Akkreditierung mehr für Veranstaltungen wie letztens das Neujahrstreffen oder den Parteitag.
Ein Gedankensprung: Wir interessieren uns für den Look Ihrer TV-Persona mit Anzug und Krawatte, betont seriös. Wie kam es dazu?
Klien: Dieser Spagat zwischen seriösem Auftreten und wirklich unmöglichen Fragen hat mich von Anfang an gereizt. Auch meine Mimik signalisiert: »Es ist alles in Ordnung. Ich habe einfach eine Frage gestellt. Bitte um eine Antwort.«
Wann war eigentlich Ihr erster Außeneinsatz als »seriöser« ORF-Reporter Peter Klien?
Klien: Am 24. April 2016, dem Tag der Bundespräsidentenwahl, hatte ich die Chance, mit der Kamera in der Öffentlichkeit etwas auszuprobieren. Und ich habe sofort gespürt: Das hat Sprengkraft, mit diesen Fragen im Outfit eines Innenpolitikredakteurs der dritten Reihe im ORF auf die Menschen zuzugehen.
Einige Satiriker und Comedians wechseln in die Politik: Beppe Grillo von der 5-Sterne-Bewegung in Italien oder natürlich Wolodymyr Selenski, der Präsident der Ukraine. Käme eine Karriere als Politiker für Sie infrage?
Klien: Ich glaube eigentlich weniger, weil ich kenne die Politik sehr gut aus nächster Nähe und es ist schon ein schrecklich verzehrender Beruf. Du bist so vielem ausgesetzt als Politiker. Es tut sich dauernd was. Du musst ständig verfügbar sein. Immer wieder kriegst du ein Hackl ins Kreuz. Es taucht jemand auf, der dir in der eigenen Partei nichts Gutes möchte, oder es kommt ein Angriff von außen. Oder es geht sachlich etwas schief in der Organisation, für die man die Verantwortung trägt. Und dann sind da die Medien, die ständig nachfragen: Wie? Wann? Was? Und du hast schon vier Projekte geschafft und sie fragen: Warum ist das fünfte noch nicht fertig? Du bist unter Dauerbeobachtung und Dauerbeschuss. Und du kannst dich sehr schnell blamieren – zum Beispiel bei lästigen Reportern.
Aber vielleicht kann man etwas bewegen, die Welt verändern als Politiker – oder ist naiv, wer das glaubt?
Klien: Na ja, wenn du sachorientiert bist, wenn du wirklich was weiterbringen möchtest, kannst du in der Politik sehr schnell ungeduldig werden, weil einfach nichts weitergeht – über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Du musst extrem geduldig sein. Um etwas zu erreichen, musst du dich einlassen auf all diese Machtspiele. Du musst Leute, die im Weg stehen, rausdrängen oder ein kleines Gespräch führen. Du hast ständig dieses Machtthema, während Inhalt, Umsetzung, Verwirklichung ja wirklich nur einen winzigen Prozentsatz deiner Arbeit ausmachen. Ganz viel Zeit fließt dagegen in Gremiensitzungen, Termine, die du aussitzen musst, weil du sonst gefährdet bist. Also, ich hätte die Geduld nicht. Da ist mir meine persönliche Lebenszeit zu schade.
Jetzt müssen wir staunen: Sie, Peter Klien, vor dem sich viele PolitikerInnen fürchten, haben gerade eine super-empathische Analyse dieses Berufs geliefert. Wenn man Ihnen zuhört, will man diejenigen, die diesen Job machen, beinahe trösten.
Klien: Über die Jahre habe ich einfach viel mitbekommen. Ich sehe diesen Beruf jetzt sehr scharf. Und trotzdem glaube ich, dass meine Arbeit des Satirikers gut und berechtigt ist. Aber ich sehe schon auch, wie es den anderen geht. Wobei man sagen muss: Politiker haben auch genügend Privilegien und können es sich auf vielerlei Art und Weise richten. Für viele ein Antrieb, in die Politik zu gehen. Aber ein einfaches Dasein ist es nicht.
Gedankensprung und letzte Frage: Auf Ihrer Homepage kann man lesen, Sie mögen Yoga. Welche Yoga-Pose empfiehlt sich, wenn man angespannt ist, weil man zum Beispiel von parteieigenen Personenschützern in den Schwitzkasten genommen und weggezerrt wurde?
Klien: Diese Pose ist tatsächlich nur in wenigen Schriften überliefert: Ich empfehle den ausgestreckten Mittelfinger.
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