Interne Kommunikation wird immer wichtiger«, sagt einer, der sich damit ausführlich beschäftigt hat: Klaus Spachmann von der Uni Hohenheim analysiert regelmäßig Umfragen unter den 500 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands. Dabei zeige sich ein steigendes Bewusstsein für die Bedeutung interner Kommunikation. »Früher war oft die Vorstellung verbreitet, dass man Botschaften ganz einfach von oben vermitteln kann«, meint Spachmann. »Heute findet man oft elaboriertere Konzepte, die stärker mitarbeiterorientiert sind.« Auch das Verständnis davon, was interne Kommunikation umfasst, wird breiter: »Es geht nicht nur um zentral gesteuerte Medien, sondern auch um dezentrale Kanäle wie die Führungskräftekommunikation oder die Unterstützung der Projektkommunikation.« Spachmanns Studien zeigen auch, dass Beschäftigte in Firmen, wo gut kommuniziert wird, tendenziell zufriedener sind. »Der Zusammenhang ist aber komplex: Wo die Rahmenbedingungen nicht passen, hilft auch gute Kommunikation nicht.«
Kommunikation findet statt
Lars Dörfel leitet die Berliner School for Communication and Management (scm) und ist Autor mehrerer Bücher über interne Kommunikation. »Kommunikation findet statt«, sagt er. Wenn man sie nicht steuert, brodelt die Gerüchteküche. Auch Dörfel erkennt, dass sich Firmen heute intensiver mit interner Kommunikation befassen als vor ein paar Jahren – allerdings auf verschiedene Weisen: »In vielen familiengeführten und mittelständischen Unternehmen wird ein eigener Bereich für interne Kommunikation geschaffen. Schwergewichte wie die Deutsche Telekom und die Schweizerischen Bundesbahnen dagegen gehen zu einem integrierten Kommunikationsansatz über und legen die Abteilungen für Pressearbeit, externe und interne Kommunikation zusammen.«
Warum gewinnt interne Kommunikation ausgerechnet jetzt an Bedeutung? Für Dörfel ist ein zentraler Grund, dass die Arbeitswelt komplexer geworden ist. »Wir haben wesentlich mehr Wandel und schnelle Abstimmung wird wichtiger. Unternehmen müssen den Mitarbeitern erklären, warum sie sich jetzt zum fünften Mal verändern.« Klaus Spachmann stimmt zu: »Wenn die Situation für die Mitarbeiter unübersichtlicher wird, gewinnt Information an Bedeutung. Es geht aber nicht nur um Information, sondern um Motivation und vor allem Orientierung.« Unternehmen erkennen auch, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertvolle Multiplikatoren sind, meint Dörfel: »Durch Wertschätzung können Mitarbeiter ein positives Bild weitergeben.«
Veränderungen mitteilen
Wie man als Unternehmen Veränderungen intern kommuniziert, hat Gerald Hollaus untersucht. Der Absolvent der FHWien der WKW hat seine Dissertation an der Paneuropäischen Universität Bratislava dem Thema Change Leadership gewidmet. »Ich habe mich immer gefragt: Wie erreicht, informiert und motiviert man am besten eine große Masse an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?«, berichtet Hollaus. Um die Frage zu beantworten, hat er die Verantwortlichen multinationaler Konzerne zu ihren positiven und negativen Erfahrungen interviewt. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: »Veränderungen sollte man so früh wie möglich ankündigen – auch wenn es inhaltlich noch nicht viel zu sagen gibt. Die Prozess-Kommunikation sollte zumindest das Thema, eine Erklärung für das Warum und den Zeitpunkt der nächsten Information liefern.«
In den Interviews habe sich auch gezeigt, dass es vor allem darum geht, zielgruppenadäquat hervorzuheben, was jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter persönlich betrifft: »Wenn in der Produktionshalle die Maschinen getauscht werden, hat das auf den Produktionsmitarbeiter andere Auswirkungen – wird er überflüssig? – als auf die Verwaltung; für die heißt das nur, es wird Baustaub geben.« Informationen sollen dabei nicht anonym »vom Unternehmen« kommen, sondern von einer konkreten Person, die auch die entsprechende Kompetenz hat und Verantwortung trägt, meint Hollaus: »Zum Thema Gesundheit lässt man zum Beispiel besser den Betriebsarzt sprechen als den Vorstand.«
Wie sag‘ ich es am besten?
Eine der meistdiskutierten Fragen ist, auf welchem Weg man die Belegschaft am besten informiert. Eine pauschale Antwort gibt es darauf nicht. »Wichtig ist, dass neue Inhalte nicht über neue Kanäle gesendet werden, das gibt sonst doppelte Verwirrung«, sagt dazu Gerald Hollaus. »Gerade für das Thema Change empfiehlt es sich, bereits etablierte Medien einzusetzen oder neue Kanäle rechtzeitig einzuführen.« Eine definitiv wachsende Rolle spielen die Intranets der Unternehmen. »Das Intranet wird in Zukunft das Leitmedium sein«, stellt Lars Dörfel fest. »Es gibt dabei einen Wandel weg von klassischen hin zu Social Intranets.« Vorbehalte gegenüber internen sozialen Medien könne man relativ schnell zerstreuen: »Den Mitarbeitern ist klar, dass sie nicht zum Chatten hier sind. Die größere Aufgabe ist, die Mitarbeiter dazu zu bewegen, diese Social Media zu nutzen.«
Die Rolle von Printmedien wandle sich einstweilen, meint Dörfel: »Sie haben eine Daseinsberechtigung, aber nicht mehr, um brandaktuelle Nachrichten zu überbringen. Gedruckte Magazine sind wundervoll, um Hochwertigkeit und Wertschätzung auszudrücken; man kann darin tiefer, gediegener, strategischer das große Ganze erklären.« Was man auch nicht vergessen darf: In vielen Branchen haben nicht jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter einen eigenen Computer. Dort sind Alternativen zu Intranet & Co besonders gefragt. Kapsch setzt etwa auf eine Wandzeitung, die blattweise auf normalen Bürodruckern ausgedruckt werden kann und so Standorte rund um die Welt schnell und einfach mit News versorgt. Die Schweizerischen Bundesbahnen wählen einen anderen Weg: Mittelfristig sollen alle Beschäftigten mit Smartphones oder Tablets ausgestattet werden.
In den Fokus gerückt
Nicht nur in der Wirtschaft gewinnt interne Kommunikation an Bedeutung, sondern auch in der Lehre an der FHWien der WKW, berichtet Sieglinde Martin, die das Institut für Kommunikation, Marketing & Sales leitet. »Ich bin seit zehn Jahren hier tätig – interne Kommunikation war schon damals im Lehrplan, allerdings ist sie mittlerweile mehr in den Fokus gerückt.« In den Kommunikations-Studiengängen verfolge man dabei einen ganzheitlichen, integrierten Ansatz, bei dem alle kommunikativen Aktivitäten – nach innen und nach außen – aufeinander abgestimmt sind.
Für Sieglinde Martin geht der Nutzen interner Kommunikation dabei über Information und Motivation der Mitarbeiter hinaus: »Die neuen Medien können intern eine große Rolle im Wissensmanagement spielen, und auch wenn es darum geht, die Kreativität eines Unternehmens auszuschöpfen.« Die neuen Medien haben für Martin schon jetzt zu mehr Bewusstsein für die Bedeutung interner Kommunikation geführt: »In der Vergangenheit wurde das Thema oft vergessen; mitunter, weil es nicht sofort im Umsatz erkennbar ist, wenn man Zeit und Geld in interne Kommunikation investiert.«
Messen, was bleibt
Dieses Problem beschäftigt wohl alle Kommunikationsverantwortlichen: Wie können wir die Wirkung unseres Tuns messen? Schließlich muss man Ausgaben der Unternehmensführung gegenüber rechtfertigen. In den letzten Jahren wurden deshalb von verschiedenen Seiten Produkte entwickelt, die die Wirkung von Kommunikation messbar machen. Ein ganz spezifisches Messinstrument mit dem Namen »The Glue« entwickelte die Werbeagentur Himmer, Buchheim & Partner – die auf interne Kampagnen spezialisiert ist – in Kooperation mit Helene Karmasin, Eva Buchheim und Sonja A. Himmer, die an der FHWien der WKW integrierte Unternehmenskommunikation unterrichtet, erklären das System: »Wir erheben schon von Beginn unserer Arbeit an die Verbundenheit von Mitarbeitern zum Unternehmen.« Die Analyse ist teils standardisiert, teils unternehmensspezifisch auf die Kernwerte ausgerichtet. »So werden die Verbundenheit und die durch Kommunikation erzielten Veränderungen messbar.«
Das Geschäft der Agentur ist die Entwicklung und Konzeption von Kampagnen – das Portfolio reicht von Markenpositionierung, Werbung über Leitbildprozesse bis zu Employer Branding und Recruiting. »Wir sehen, dass die interne Kommunikation speziell durch die Krise intensiv an Wert gewonnen hat«, meint auch Sonja A. Himmer. »Employer-Branding-Kampagnen haben heute teilweise schon eine Intensität, wie sie früher Imagekampagnen nach außen hatten.« Himmer, Buchheim & Partner arbeitet nach Rezepten der klassischen Werbung, die man entsprechend weiterentwickelt hat. »Kampagnen, die an Mitarbeiter gerichtet sind, haben einen stark interaktiven Charakter und müssen sehr authentisch sein – man muss genau auf die Tonalität achten«, nennt Eva Buchheim als eine der Besonderheiten. Eine weitere sei das extreme Kostenbewusstsein: »Die Mitarbeiter hinterfragen: Bringt das, was hier produziert wird, einen Nutzen für mich?«
Analyse, Konzept, Umsetzung
Gerade wenn ein Unternehmen das Thema interne Kommunikation bisher vernachlässigt hat, sind die ersten Schritte aber zweifellos ein Vielfaches wert. »Wenn man zuerst die ›low hanging Fruits‹ einsammelt, ist mit wenig Aufwand viel zu erreichen«, meint Lars Dörfel. Davor rät er zu einer ordentlichen Analyse, wo es hakt. Darauf aufbauend könne man ein Konzept entwickeln: Welche Botschaften sollen transportiert werden? Wie und auf welchem Weg spricht man die Menschen an? »Das Berufsbild des Kommunikationsverantwortlichen entwickelt sich in Richtung Berater für das Topmanagement. Man muss strategische Zusammenhänge begreifen und auf seinen Bereich übertragen«, meint Dörfel. Journalistisches Gespür und ein Gefühl für Sprache sind aber weiterhin gefragt: »Ich muss trotzdem bewerten können, was guter redaktioneller Content ist. Sonst kommen die Themen und Botschaften beim Adressaten nicht an.«
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