Wie wird man Direktorin eines Museums?
Zuna-Kratky: Ich habe meinen Karriereweg nicht geplant. Die Frage »Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?« stellte sich für mich nie. Ich war immer bestrebt, den aktuellen Job möglichst gut zu machen. Wenn ich gut war, sind die Entscheidungsträger darauf aufmerksam geworden. So hat sich eines nach dem anderen ergeben. Niemand wacht auf und sagt: In zehn Jahren möchte ich Museumsdirektorin sein.
Welche Jobs hatten Sie in Ihrer Jugend?
Zuna-Kratky: Zum Beispiel Salatverkaufen in einer Supermarktkette und Studienführer zusammenstellen für die Uni. Mein nettester Job war es, T-Shirts zu entwerfen. Einer meiner Schwerpunkte in der Pädagogischen Akademie war Bildnerische Erziehung. Also habe ich für eine deutsche Firma T-Shirts mit küssenden Kirschen und Giraffen mit ineinander verschlungenen Hälsen entworfen.
Hat das T-Shirt-Entwerfen von damals in irgendeiner Weise noch mit Ihren heutigen Tätigkeiten zu tun?
Zuna-Kratky: Ab und zu mische ich mich gern bei der Planung unserer Werbelinien ein, lasse mich aber auch gerne von unseren SpezialistInnen überzeugen. Ich finde es schlimm, wenn manche Chefs glauben, sie können alles besser als ihre speziell ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen in den einzelnen Abteilungen. Wäre ich imstande, eine neue Werbelinie auf einer Serviette zu skizzieren, wäre ich genial und selber Werbeleiter.
Oft kommt man in Positionen, wo man zwar viel entscheidet, aber nicht mehr viel selbst mitarbeitet …
Zuna-Kratky: Es würde mich sehr reizen, selbst eine Ausstellung zu realisieren, bei einer Marketing-Kampagne oder in der Kulturvermittlung dabei zu sein. Leider geht das nicht, da ich ja alle Bereiche manage. Dabei habe ich das Gefühl, ich kreise wie ein Hirtenhund um die Herde – ich setze Leute dort ein, wo sie am besten angesiedelt sind, und unterstütze die, die beispielsweise Sonderausstellungen betreuen, damit sie die nötige Freiheit und die Finanzen haben.
Die Chance auf Aufstieg ins Management kann man nicht verstreichen lassen …
Zuna-Kratky: Die frühen Feministinnen haben uns immer gesagt: »Sag ja, wenn du gefragt wirst – denn so oft fragen sie dich nicht.« Wenn Sie gefragt werden, etwas zu tun, das einen Karrieresprung bedeutet, trauen Sie sich das zu! Frauen sind da meist zögerlicher als Männer.
Sind Sie noch mit der Meinung konfrontiert, Technik sei eine Männerdomäne?
Zuna-Kratky: Es wird immer besser. Vor 15 Jahren war ich die erste Leiterin in den sieben Bundesmuseen und der Nationalbibliothek und natürlich die erste seit 100 Jahren im Technischen Museum. Da habe ich bemerkt, dass einige Leute große Vorbehalte haben. Noch dazu bin ich keine Technikerin! In den Vereinen, die sich mit Schifffahrt oder Eisenbahnen beschäftigen, waren damals nur ältere Herren. Einen Herrn habe ich nur mit Mühe davon überzeugen können, dass ich auch für seinen Bereich etwas tun werde. Schließlich hat er gesagt: »Gnädige Frau, Sie sind der beste Mann für diese Aufgabe.«
Inwiefern ist Ihnen das Thema Frauenförderung ein Anliegen?
Zuna-Kratky: Ich bin jeder einzelnen Suffragette dankbar, die für das Wahlrecht für Frauen gekämpft hat. Wir sollten so weit kommen, dass man bei Personalentscheidungen nicht mehr darüber nachdenkt, ob Mann oder Frau; man sollte nur darauf achten, dass es gemischte Teams gibt, die sind manchmal viel besser.
Wie sieht das ideale Team aus?
Zuna-Kratky: Bei uns muss es Langstreckenläufer geben, Sprinter, Leute, die einen ganz breiten Horizont haben, und solche, die ganz genau auf eine Aufgabe fokussieren. Nichts ist unproduktiver, als gleich Ausgebildete an einem Thema arbeiten zu lassen. Wir sind alle Team-Spieler, Männer, Frauen, Alte, Junge, mit unterschiedlicher Vorbildung und vielfältigen Interessen. Diese Mischung macht es aus, dass ein Ausstellungsprojekt für ebenso unterschiedliche Besucherinnen und Besucher passt.
Welche Eigenschaften sollte man als gute Managerin mitbringen?
Zuna-Kratky: Man braucht unbedingt gute Menschenkenntnis, um die Leute, mit denen man eng zusammenarbeitet, gut auszusuchen. Ich habe viel gelernt als Lehrerin am Polytechnischen Lehrgang: Jeder braucht eine unterschiedliche Ansprache, manche arbeiten sehr gut und gerne allein, andere brauchen den Dialog. Alle Managerinnen und Manager, die ich kenne, sind auch schnell im Erfassen von Situationen und können gut verhandeln. Und sie müssen immer aufpassen, dass sie nicht abheben.
Was genau meinen Sie mit »abheben«?
Zuna-Kratky: Manager haben Gestaltungsmöglichkeiten – das ist das positive Wort dafür, Macht ist das negativ besetzte. Sie haben Geld zu vergeben, sie können Projekte an Leute vergeben, denen diese Projekte sehr viel bedeuten; sie können Leute einstellen und sich von ihnen trennen. Und je höher eine Managementposition ist, desto mehr Scheu haben Leute, den Vorgesetzten die Wahrheit zu sagen. Wenn Leute zu einem Vorschlag nur ja sagen, weil er vom Chef gekommen ist, wird’s kritisch.
Da kommt es wohl darauf an, wie Sie als Chefin auf die Wahrheit reagieren …?
Zuna-Kratky: Man braucht eine Kommunikation auf Augenhöhe. Die ist mir sehr wichtig, auch für meine eigene Entwicklung. Das Schlimmste sind Managerinnen und Manager, die sich selber klonen, die Leute im Team wollen, die dieselbe Meinung und dieselbe Ausrichtung haben – wo kämen wir da hin? Wir brauchen Leute, die »Ja, aber…« sagen und Schwierigkeiten aufzeigen.
Fällt es Ihnen leicht, Entscheidungen zu treffen?
Zuna-Kratky: »If you fail, fail fast« – also gar keine Entscheidung ist die schlechteste. Ich versuche, schon im Vorfeld die Leute im Haus einzubinden, um mein Bauchgefühl oder meine Überlegungen abzusichern. Es ist vorgekommen, dass ich entgegen meiner Überzeugung entschieden habe. Wenn es sich als der bessere Weg herausgestellt hat, habe ich das den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch gesagt.
Fragen Sie alle Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihre Meinung?
Zuna-Kratky: Na klar! Wir hatten zum Beispiel eine Ausstellung über Mumien. Die Werbeplakate sollten pietätvoll gestaltet werden, da es sich hier ja um tote Menschen handelt. So haben wir die verschiedenen Sujets aufgehängt und alle Mitarbeiter, von den Werkstätten bis zur Buchhaltung, haben in eine Liste eingetragen, welches Sujet sie in Ordnung fanden und welches nicht.
Wie schaffen Sie es, vom Kleinkind bis zum pensionierten Ingenieur alle Zielgruppen gleichermaßen anzusprechen?
Zuna-Kratky: Tatsächlich wollen wir die Kindergartenkinder – und vor allem ihre Eltern – genauso ansprechen wie die 102-Jährigen, die in Rollsesseln durch das Haus geschoben werden. Wir haben sehr kompetente Leute in der Vermittlungsabteilung, die sich schon mit 2- bis 8-Jährigen auseinandersetzen. Von ihnen habe ich viel gelernt. Wir sind ja ein Museum, haben eine Sammlung, die unter Denkmalschutz steht, und sind dazu da, diese Sammlung zu bewahren. Manchmal wird die Frage gestellt: »Wozu brauchen wir auf einmal einen Kleinkinderspielraum? « Kinder sind das Publikum von morgen und deshalb habe ich mich sehr stark um einen sehr großen neuen Kinderaktionsraum bemüht, der ergänzend zu unserem Kleinkinderraum »Mini« die Kleinen behutsam an die Technik heranführt.
Verspielt man da nicht die Glaubwürdigkeit beim Fachpublikum? Wenn die Kinder lärmen?
Zuna-Kratky: Leider bekomme ich manchmal Beschwerdebriefe, wo drinsteht, wir sollten den Jugendlichen verbieten, hier zu schreien, hier sollte es still sein so wie früher in heiligen Hallen. Allerdings erhalten wir auch sehr viel positives Feedback zu unseren Kinderangeboten! Es gab ja eine Zeit, als kaum jemand ins Museum gegangen ist, da war man allein mit ein paar verstaubten Vitrinen. Für uns ist dies keine Zukunftsvision!
Beantworten Sie diese Briefe?
Zuna-Kratky: Bei uns werden alle Anfragen beantwortet. Ganz böse Beschwerdebriefe übernehme ich selber. Diese ganz unzufriedenen Menschen lade ich ein, ihre Anregungen bei einem Kaffee mit mir zu besprechen. Ich glaube, in 15 Jahren ist nur einmal jemand gekommen. Der war dann ganz lieb und nett.
Technisches Museum Wien
- Grundsteinlegung 20. Juni 1909
- fast 370.000 BesucherInnen im Jahr
- mehr als 200 MitarbeiterInnen
- rund 200.000 Exponate (in der Schausammlung und im Depot)
Weitere Informationen: www.technischesmuseum.at oder in der Jubiläumspublikation: »100 Jahre Technisches Museum Wien«, Ueberreuter Verlag, Wien 2009, ISBN 978-3-8000-7419-8.
Sie sind in verschiedenen Gremien und Beiräten, wie geht sich das zeitlich alles aus?
Zuna-Kratky: Das Technische Museum geht vor. Und ich hab’ nur Funktionen angenommen, die auch dem Haus nützen. Die Vernetzung sichert uns viele internationale Kontakte, Ausstellungen, die wir übernehmen können, und den Leihverkehr. Unsere Probleme sind nicht einzigartig, das erkenne ich in diesen Gremien; es ist interessant zu sehen, wie andere damit umgehen. Geld ist immer ein Problem, der Depotplatz, die Konservierung, wie erreiche ich neue Zielgruppen, wie gehe ich mit freien Eintritten um. Natürlich geht es auch um Sonderausstellungsaustausch. Es gab zum Beispiel keine tolle Weltraum-Ausstellung, also haben wir eine eigene auf die Beine gestellt. Diese wird hoffentlich auch bei anderen Museen auf Interesse stoßen.
Was müssen Museen heute, in der Zeit des Internets, bieten?
Zuna-Kratky: Gerade Technik muss interaktiv sein! Technik hat heute oft mehr Erklärungsbedarf als früher. Derzeit arbeiten wir an einem großen neuen Interaktivbereich, der technisches Wissen erfahrbar macht. Unsere Originalobjekte riechen oft noch nach Leder und Schmiere – so ein sinnliches Erlebnis kann das Internet nicht bieten. Unsere Besucherinnen und Besucher kommen oft schon als 2-Jährige, dann mit der Schule … Später, als junge Erwachsene, haben sie andere Interessen, in dieser Zeit verlieren wir sie. Aber wenn sie selbst Kinder haben, kommen sie wieder.
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