In Zeiten, in denen Banken Kredite an immer strengere Bedingungen knüpfen – nicht zuletzt aufgrund regulatorischer Vorschriften –, sind alternative Finanzierungen gefragt. Die paar Millionen Euro, die bisher in Österreich via Crowdinvesting realisiert werden, nehmen sich im Vergleich zur Kreditfinanzierung noch mickrig aus. Doch das Konzept scheint immer besser anzukommen: Immer mehr Menschen wollen gute Ideen und innovative Unternehmen unterstützen und darin Geld veranlagen. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen wurden zuletzt mit dem »Alternativfinanzierungsgesetz« verbessert.
Unterschiedliche Erwartungshaltungen
Die Begriffe Crowdfunding und Crowdinvesting kommen übrigens in diesem Gesetz nicht vor; womöglich ist das besser so, denn sie sorgen leicht für Verwirrung, zumal es unterschiedliche Abgrenzungen der Begriffe gibt. Daniel Horak, Absolvent der FHWien der WKW und mit der Plattform Conda einer der Crowdinvesting-Pioniere in Österreich, erklärt es so: »Crowdfunding ist zum Überbegriff geworden. Mit Conda setzen wir auf Crowdinvesting – das heißt, ich beteilige mich und bekomme Geld, wenn die Idee erfolgreich ist.«
Wie auch immer man es nennt: Das Thema sind Finanzierungsformen, bei denen viele Menschen kleine Summen investieren und so gemeinsam einem Unternehmen das notwendige Kapital zum Start oder Ausbau liefern. »Crowdinvesting ist Wagniskapital in kleinstmöglicher Form. Im Schnitt investieren die Anleger dabei unter 500 Euro«, berichtet Horak. Schließlich ist das Investment auch mit Risiken verbunden: »Man sollte nur Summen einsetzen, bei denen man es auch aushält, wenn das Geld verloren geht«, betont er, »und man sollte auf mehr als ein Projekt setzen.«
Ihm sei auch wichtig, dass Crowdinvesting »aus der derzeitigen Hype-Ecke« herauskomme. Es brauche Erfahrung und Zeit, damit sich das Thema etablieren könne und das Risikobewusstsein überall ankomme. »Für mich ist es eine Demokratisierung des Finanzmarktes: Ich entscheide, wem ich mein Geld anvertraue.«
Rechtlicher Rahmen verbessert
Welche Informationen Investoren für diese Entscheidung bekommen müssen, ist neuerdings im Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) geregelt. Bisher war der rechtliche Rahmen in Österreich nur bedingt crowdinvestingfreundlich: Ab einem Gesamtvolumen von 250.000 Euro musste ein sogenannter Kapitalmarktprospekt erstellt werden – das alleine kostet mehrere zigtausend Euro und rechnet sich somit erst bei Projekten im Umfang von einigen Millionen. Nun gibt es eine abgestufte Informationspflicht: Wer Geld einsammelt, muss ab einem Betrag von 100.000 Euro ein Informationsblatt veröffentlichen, ab 1,5 Mio. Euro besteht eine »Prospektpflicht light«, ab fünf Mio. dann die volle Prospektpflicht. Auch für Investoren sieht das Gesetz Regeln vor: Wer beispielsweise mehr als 5.000 Euro in ein Projekt investieren möchte, muss nachweisen, dass er mehr als durchschnittlich 2.500 Euro netto im Monat verdient. »Durch das neue Gesetz dürfen sich Investoren aber keine falschen Hoffnungen in Bezug auf Sicherheit machen, denn diese Art von Investition birgt weiterhin Risiken, die auch durch Gesetze nicht gemildert werden können«, betont Andreas Raith, Experte bei ReinthalerFinanz.
Für Oliver Holle, Gründer von Speedinvest, Experte für Startup-Finanzierung und Lektor an der FHWien der WKW, ist das neue Gesetz an sich okay – allerdings erwartet er dadurch keinen Crowdinvesting-Boom: »Die großen Hürden sind im Moment eher fehlendes Vertrauen in diese Finanzierungsform, sowohl von potenten Investoren als auch von hochwertigen Start-ups. Auch in den USA funktioniert das Konzept nur, wenn bekannte Investoren mit ihrem Namen ein Signal setzen und so eine Masse an Geldgebern hinter sich mitnehmen. Die politischen Rahmenbedingungen sind geschaffen, nun liegt es an der Szene, Vertrauen zu schaffen und Erfolgsgeschichten zu produzieren «, sagt Holle.
Geld aus Deutschland
Solche Erfolgsgeschichten schrieben bereits mehrere AbsolventInnen der FHWien der WKW: Theresa Steininger lieferte mit »Wohnwagon« das Vorzeigeprojekt der Plattform Conda, Constantin Simon überzeugte InvestorInnen mit seinem »Nixe Bier« und Stephan Hebenstreit stellte über die Crowd beeindruckende 1,5 Millionen Euro auf. Das Start-up »Freygeist«, in dem er Geschäftsführer und Finanzchef ist, finanziert damit die Entwicklung des leichtesten E-Bikes der Welt. Um diese Summe zu erreichen, musste er allerdings einen größeren Einzugsradius ansprechen und das Konzept auf der deutschen Plattform Companisto vermarkten: »Freygeist wurde von Anfang an professionell aufgebaut, mit einer perfekt durchgeplanten Crowdfunding-Kampagne. Große Plattformen wie Companisto selektieren hart, welches Start-up auf ihre Plattform kommt. Ohne wasserdichten Businessplan und voll funktionsfähiges Produkt hat man keine Chance.« Ein Business Angel (Mentor und Frühinvestor) glaubte an die Idee – so konnten Vorserienbikes gebaut werden, mit denen man auf Roadshow ging. Man habe, so Hebenstreit, von Anfang an auf deutsche Investoren gesetzt: »Österreich ist in Bezug auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten generell etwas skeptischer und die rechtlichen Strukturen dafür wurden nicht früh genug geschaffen.«
Crowdfinanzierung für unabhängigen Journalismus
Mit Berichten rund um das österreichische Asylwesen oder um Inserate öffentlicher Stellen hat sich das auf investigative Recherche und Datenjournalismus spezialisierte Projekt Dossier einen Namen gemacht. »Wir haben das Ziel, mit dossier.at eine neue Form des Online-Journalismus zu etablieren«, meint Florian Skrabal, Obmann des als Verein organisierten Start-ups und einer von mehreren AbsolventInnen der FHWien der WKW im Team. »Die größte Herausforderung war es und ist es bis heute, Dossier nachhaltig zu finanzieren. Dossier zu gründen, war mit einer ordentlichen Portion Selbstausbeutung verbunden. Aber wenn’s läuft und das Projekt Spaß macht, fällt das nicht so stark ins Gewicht.« Bei der Finanzierung ging Skrabal schließlich auch neue Wege: 2013 sammelte Dossier über die Crowdfunding-Plattform respekt.net knapp 3.000 Euro für einen Firmenbuch-Zugang. In einer 2. Runde wurden dann knapp 9.000 Euro aufgestellt, die in Honorare der RedakteurInnen fließen.
Viel Kohle für wenig Kohlenhydrate
Die Privatbrauerei Nixe nimmt den Kampf gegen europäische Konzerne auf, die in einem extrem engen Markt ihre Produkte entwickeln und vertreiben. »Wir haben mit unserem Nixe Extra Dry und unserem Nixe Naturradler bereits drei Crowdinvesting-Runden mit Conda durchgeführt«, berichtet Gründer und Geschäftsführer Constantin Simon, »zwei Runden in Österreich mit einem Gesamt-Investment von 250.000 Euro und eine Runde für unsere deutsche Tochtergesellschaft in Hamburg mit 100.000 Euro. Wichtig war immer, ein Produkt und ein Investment anzubieten, für das sich die Investoren begeistern und mit dem sie sich identifizieren können.« Generell gebe es in Österreich allerdings einen zögerlichen Zugang zu neuen Geschäftsideen: »Am Anfang hat man es bei uns schwerer und muss sich erst beweisen. Sobald man diese Phase überlebt hat, kann man schnell wachsen.«
Es kann auch schiefgehen
Dass crowdfinanzierte Startups durchaus auch pleitegehen können, zeigten in Österreich zuletzt etwa das Gastronomieprojekt »Burgermasta« sowie die Firma Woodero, die edle Holz-Schutzhüllen für Smartphones und Tablets lancieren wollte, aber über überzogene Erwartungen stolperte. »Es ist eine Form von Risikokapital, dessen muss sich jeder Investor bewusst sein«, sagt Nixe-Gründer Simon. »Man hat die Chance, bei Erfolg überdurchschnittlich viel zu profitieren, es kann aber auch sein, dass kein Geld zurückgezahlt wird. Das muss man realistisch sehen.«
Für Freygeist-Geschäftsführer Hebenstreit kommt dabei den Crowdinvesting-Plattformen eine verantwortungsvolle Rolle zu: »Die Plattform, und nicht der Investor, hat Einblick in alle Einzelheiten und Details des Unternehmens und hält persönlichen Kontakt zum Start-up.« Wenn eine Plattform auf kurzfristige Gewinne aus ist und Firmen präsentiert, denen grundlegende Erfolgsvoraussetzungen fehlen, könne sie daher der Finanzierungsform großen Schaden zufügen.
Das Scheitern an sich gehört für die Crowdinvesting-Experten Oliver Holle, Daniel Horak und Andreas Reinthaler, Geschäftsführer von ReinthalerFinanz, allerdings zum Spiel dazu. »Junge Firmen können eben auch scheitern, alles andere wäre unnatürlich. Es wäre gut, wenn um das Scheitern weniger Aufregung erzeugt würde«, meint Holle. Aufgrund der vergleichsweise geringen Anzahl betroffener InvestorInnen sei auch die Breitenwirkung nicht so groß wie bei Finanzskandalen, wo Hunderte Millionen verloren gingen, ergänzt Reinthaler, Gastvortragender an der FHWien der WKW für die Lehrveranstaltung »Sonderformen der Unternehmensfinanzierung«. Conda-Chef Horak fordert ein Umdenken in der Gesellschaft: »Wir brauchen mehr Verständnis für Unternehmertum, Risiko und auch Scheitern. In anderen Ländern sind Entrepreneure Rockstars – bei uns sind sie in der öffentlichen Wahrnehmung schnell einmal Betrüger.«
Fixpunkt im Lehrplan
Bei Studierenden gewinne das Thema Geld aus der Crowd jedenfalls immer mehr an Bedeutung, sagt Reinhard Zeilinger, Leiter des Master-Studiengangs Executive Management an der FHWien der WKW. »Unternehmensfinanzierung ist bei uns ein zentrales Thema, und da zählt Crowdfinancing in allen Facetten dazu.« Wichtig ist für Zeilinger, bei Studierenden Sensibilität zu entwickeln: »Was heißt Crowdfunding? Welche Vertragsformen gibt es? Worauf muss man Acht geben? Wie sieht ein guter Businessplan aus? Eine Idee zu haben, der sofort alle nachlaufen, das spielt es nicht.«
Österreichische Plattformen
- www.1000×1000.at: Bietet sowohl reward-based als auch lending-based und equity-based Crowdfunding an. Mindestinvestment: 100 Euro
- www.conda.at: Equity-based Crowdfunding. Mindestinvestment: 100 Euro
- www.greenrocket.at: Equity-based Crowdfunding im Bereich Nachhaltigkeit. Mindestinvestment: 250 Euro
- www.respekt.net: Donation-based Crowdfunding »für eine bessere Gesellschaft«. Spenden ab 1 Euro
- dasErtragReich.at: Lending-based Crowdfunding ausschließlich für bestehende heimische KMU (keine Start-ups). Mindestinvestment: 250 Euro
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