Kommunikationsstärke und Organisationstalent, Englisch in Wort und Schrift, ausgezeichnete Excel-Kenntnisse, Bereitschaft zu Dienstreisen und Überstunden, teamorientierte Persönlichkeit …
Jede/r, der/die schon einmal einen Job gesucht hat, kennt die Liste an Anforderungen, die eine Stellenanzeige ausmachen. Schnell wird gedanklich ein Check gemacht, jedes Kriterium abgehakt, bis man feststellt, dass man sich zwar angesprochen fühlt, die eine oder andere Anforderung aber nicht erfüllen kann.
Fragen tauchen auf: Bewerben? Oder lieber doch nicht? Ein bisschen im Lebenslauf schummeln, um den Anschein zu geben, man sei der/die WunschkandidatIn?
»Grundsätzlich kann ein wenig Mut bei der Jobsuche nicht schaden«, sagt Tanja Karlsböck vom Karriereportal karriere.at. »Nur weil man den einen oder anderen Punkt nicht erfüllt, heißt es nicht, dass man keine Chance hat. Allerdings sollte man bei der Einschätzung realistisch bleiben und sich fragen: Ist der Job wirklich etwas für mich?« Wer zum Beispiel fehlende Kenntnisse offen zugibt, zugleich aber seine Lernbereitschaft betont, kann gerade mit dieser Ehrlichkeit bei Personalchefs punkten.
Kleine Karrierelügen
Das Verschönern des Lebenslaufs ist manchmal eine Versuchung. Karlsböck warnt aber vor Lügen, die auf dem Papier klein erscheinen: »Man kann sich schnell selbst ein Bein stellen. Etwa dann, wenn man in einer zweiten Bewerbungsrunde dazu aufgefordert wird, sein angebliches Können anzuwenden.« Bloßgestellt zu werden, sei hier das geringste Übel: »Der Ruf, dass man bei einer Bewerbung gelogen hat, kann sich sehr schnell verbreiten in der Branche.«
Befragungen unter Personalverantwortlichen ergeben immer wieder, dass gerade Soft Skills wie Kreativität und Teamfähigkeit mangelnde Kenntnisse gut aufwiegen können. Eine Erfahrung, die auch Brigitte Schlögel, Personalverantwortliche des Baustoffunternehmens Ardex regelmäßig macht: »In Bewerbungsgesprächen prüfe ich, ob die Kandidaten auch die Werte haben, die zu uns passen.« Sie sucht Haltungen wie unternehmerisches Denken, Flexibilität, Spaß an der Arbeit und Optimismus. Im Erstgespräch klopft Schlögel die AnwärterInnen durch gekonnte Fragestellungen ab. Eine einfache Frage wie »Was war das Beste an Ihrem letzten Job?«, kann Einblick in die Persönlichkeit des Bewerbers geben. »Nicht selten kommt es vor, dass der Kandidat spontan nur das Negative aufzählt und damit zeigt, dass es ihm schwerfällt, positiv an Dinge heranzugehen«, so Schlögel.
Natürlich: Man kann Ratgeber zu Bewerbungstechniken lesen, vor dem Spiegel trainieren, was man mit Händen und Füßen macht, kann sogar Antworten auswendig lernen. Allerdings bröckelt diese Fassade unter Druck meist. Karlsböck kennt die Techniken von BlenderInnen: Das kann sich zeigen in überbordendem Optimismus, einer Neigung zu Übertreibungen und der Scheu, Kritik zu äußern. Oft handelt es sich hier um Männer, denn Frauen sind den Erfahrungen der Personaler nach in der Regel zurückhaltender.
Die inneren Werte
Während BewerberInnen auf dem Jobmarkt versuchen, sich möglichst attraktiv darzustellen, arbeiten Unternehmen an ihrem Image als Arbeitgeber. Die Maßnahmen hierzu werden unter dem Schlagwort »Employer Branding« zusammengefasst und vielerorts auf Webseiten und in Hochglanzbroschüren veröffentlicht. Deutlich wichtiger als die Werbung nach außen aber ist das Festigen im Inneren. »Mitarbeiter bringen die beste Leistung, wenn sie sich zu 100 Prozent mit dem Unternehmen identifizieren«, weiß Schlögel. Ardex hat bereits zwei Mal den ersten Platz als »Great Place to Work« belegt, die Fluktuation im 90-MitarbeiterInnen-Betrieb ist extrem gering.
Um die Zugehörigkeit zu stärken, durchlaufen alle MitarbeiterInnen beim Eintritt ins Unternehmen sämtliche Abteilungen und müssen selbst die Produkte – Fliesenkleber und Spachtelmasse – verarbeiten. So hat Personalchefin Schlögel zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses gelernt, ihre eigene Garage zu verfliesen. Es gibt Jour fixes, eine interne Mitarbeiterzeitung und eine abteilungsübergreifende Arbeitsgemeinschaft für die jungen KollegInnen. Die U30-MitarbeiterInnen lernen Teamgeist, Flexibilität und Kompromissbereitschaft, indem sie die Kaffeeküche neu planen.
Ardex, seit 1968 auf dem Markt, hat freilich ein anderes Profil als junge, rasant wachsende Unternehmen, die sich aus Start-ups entwickeln. Beim 2012 gegründeten Wiener Unternehmen Shpock liegt der Altersdurchschnitt der 125-Kopf-Belegschaft bei 28 Jahren (verglichen mit 41 Jahren bei Ardex). Es ist klar, dass hier eine andere Unternehmenskultur herrscht.
»Wir sind derzeit in einer sehr dynamischen Phase und nehmen laufend neue Teammitglieder auf. Das wirkt sich auf den Umgang miteinander aus«, sagt Denise Böhm, PR-Verantwortliche bei Shpock.
Es liegt auf der Hand, dass die junge Belegschaft sich duzt. Die flache Hierarchiestruktur wird mitunter durch die Wortwahl im Unternehmen geprägt: Mitarbeiter heißen hier Teammitglieder. Das soll ausdrücken, dass alle, die hier arbeiten, Teil einer großen Unternehmensfamilie sind. Den Beispielen von internationalen IT-Unternehmen folgend, ist das Arbeitsumfeld bunt. Zum Entspannen für Zwischendurch gibt es Sofas, das Zusammenkommen rund um den Tischtennistisch fördert den kreativen Austausch. Dresscode gibt es keinen. Tattoos, Irokesen, Birkenstocks: »Jeder soll kommen, wie er sich wohl fühlt«, sagt Böhm.
Kann in einem freizeitähnlichen Umfeld Leistung erbracht werden? Bei Shpock baut man darauf, dass Professionalität sich durch Haltung ausdrückt, nicht durch ein steifes Siezen oder einen schicken Anzug. »Damit es funktioniert, muss die Unternehmenskultur sehr klar kommuniziert werden«, sagt Christina Schweiger vom Research Cluster SMEs and Family Businesses an der FHWien der WKW: »Jede Kultur, sei sie konservativ oder eher salopp, hat ihre Kehrseiten.«
Unklare Rollenverteilung
Ein lockeres Arbeitsumfeld, in dem Wert auf Gleichheit gelegt wird, schafft Raum für kreatives Denken und Innovationsprozesse – Dinge, die essentiell sind für junge IT-Unternehmen. MitarbeiterInnen werden motiviert, Neues auszuprobieren, und dürfen auch Fehler machen. »Gerade bei sehr schnellem Wachstum kann allerdings die Rollenklarheit leiden«, sagt Schweiger. Wer ist FreundIn, wer ist KollegIn, wer ist ChefIn? »Spätestens ab einer Belegschaft von 25 Mitarbeitern muss man für Strukturklarheit sorgen. Es muss für alle im Team klar sein, wer wirklich die Führung innehat«, warnt Schweiger.
Die Unklarheit in der Praxis erlebt Stilcoach und Unternehmensberaterin Maria Radinger: »In jungen Firmen hört man häufig: ›Es gibt keine Hierarchie bei uns.‹ Das ist eine irreführende Haltung. Es gibt in jedem Unternehmen Personen, die die Weisungen erteilen und die Verantwortung tragen.« Den Befehlen des Teamleiters folgen, wenn man am Freitagabend bei den After-Work-Drinks ausgelassen zusammen getanzt hat; die Entscheidung des Chefs akzeptieren, obwohl er soeben das private Foto auf Facebook »geliked« hat: »Es ist kein Widerspruch«, sagt Schweiger, »aber die Verantwortlichen müssen ganz bewusst daran arbeiten.«
Wie ich mich kleide, so arbeite ich
Saloppe Umgangsformen und lockeres Auftreten gibt es nicht nur in der Kreativbranche und in Start-ups. Auch in konservativeren Unternehmen stehen häufig Sneakers unter den Schreibtischen und E-Mails werden mit »Hallo!« begonnen. Stil-Expertin Radinger beobachtet, dass auch hier oftmals Unklarheit herrscht: »In einigen Unternehmen gibt es sogar wieder den Wunsch nach Regelungen«, sagt Radinger, die im Zuge ihrer Beratungen auch hilft, Dresscodes festzulegen. Dabei geht es nicht darum, eine strenge Uniform vorzuschreiben. Flipflops, Crocs, Spaghettiträgertops und zerrissene Jeans werden aber unter die Lupe genommen.
»Jeder einzelne Mitarbeiter repräsentiert das Unternehmen nach außen«, sagt Radinger. »Mitarbeiter sollten daher immer so gekleidet sein, dass sie spontan einen Termin mit dem Kunden oder dem Chef wahrnehmen können. In Leggings und T-Shirt mit lebensbejahender Botschaft wird man schnell nicht ernst genommen.« Der Casual Friday – die lockere Kleiderwahl am Freitag – sei im Laufe der Zeit fehlinterpretiert worden, so die Stilexpertin. »Ursprünglich wurde dieser Begriff an der Wall Street eingeführt. Man hatte freitags keine Kundentermine und hat sich erlaubt, im Büro das Sakko auszuziehen und die Krawatte abzunehmen. Irgendwann wurde daraus ein Freibrief für Shorts und Flipflops im Büro.« In Amerika haben inzwischen viele Unternehmen den Casual Friday wieder abgeschafft.
Der Unterschied zwischen Sein und Schein ist also oft erst auf den zweiten Blick erkennbar. Und trotzdem so wichtig wie eh und je.
»Home-Office bedeutet Freiheit«
Katrin Zita weiß, dass im Home-Office die Verlockung groß ist, sich ablenken zu lassen. Im studio!-Gespräch rät sie davon ab, in der Schlabberhose zu arbeiten und empfiehlt HeimarbeiterInnen, sich räumliche und zeitliche Zonen zu schaffen.
Was raten Sie persönlich: Darf man von zu Hause im Pyjama oder in der Jogginghose arbeiten?
Zita: Natürlich darf man, ich persönlich rate aber davon ab. Man sollte versuchen, am Schreibtisch eine professionelle Haltung einzunehmen. »Ich nehme mich und meinen Job selbst wichtig« – das sollte der Leitsatz sein. Diese Einstellung erreicht man nur mit angemessener Kleidung.
Wenn man sich so umhört, hat man oft das Gefühl, dass sich Personen, die im Home-Office arbeiten, minderwertig fühlen.
Zita: Das erlebe ich bei meinen Klienten sehr oft. Dabei ist es höchste Zeit, den Wert dieser Arbeitsform zu erkennen. Nur weil man zwischen zwei beruflichen Terminen vielleicht die Wäsche aufhängt, heißt es nicht, dass die tatsächliche Arbeit weniger wertvoll ist.
Fehlt die Akzeptanz von außen?
Zita: Mag sein, dass viele ein falsches Bild von Home-Office haben. Die Vorurteile der anderen kann man nicht ändern, die eigene Meinung schon. Home-Office bedeutet Freiheit und Selbstbestimmung. Es bietet die Möglichkeit, Leistung im besten Rhythmus zu erbringen. Das sollte man wertschätzen.
Wie gelingt das Arbeiten von Zuhause, ohne in Hausarbeit und Alltagskram abzudriften?
Zita: Es ist wichtig, dass man einen guten Zeitplan findet. Während der Arbeitsphasen sollte man dann zu 100 Prozent in der Arbeit versinken, nach eineinhalb Stunden ist eine Pause notwendig. Hier den Geschirrspüler auszuräumen oder die Wäsche aufzuhängen, ist nicht zwangsläufig eine Ablenkung, sondern kann sogar helfen, den Kopf freizubekommen.
Sollte die Arbeit immer in einem designierten Arbeitszimmer erledigt werden?
Zita: Nein. Ich finde verschiedene Zonen für unterschiedliche Arbeiten sehr hilfreich. Meinen Klienten helfe ich, diese Zonen für sich zu definieren. So können manche Menschen wunderbar am Küchentisch Belege für die Buchhaltung sortieren und im Wohnzimmer brainstormen, während sie Schriftverkehr und Aufgaben, die Konzentration verlangen, am Schreibtisch erledigen.
Wie sollte man sich dem Auftraggeber präsentieren?
Zita: Professionalität ist natürlich wichtig. Der Auftraggeber sieht nicht, dass man in einer Waschküche steht. Ihm ist wichtig, dass man verlässlich und erreichbar ist, dass man souverän und fundiert arbeitet und den Auftrag erfüllt. Anders ist es bei Videotelefonaten. Hier sollten Selbstständige unbedingt darauf achten, dass der Hintergrund, der im Bild zu sehen ist, ordentlich und ansprechend ist.
Zur Person
Katrin Zita arbeitet als Autorin, Coach und Bloggerin, unter anderem stammen von ihr die Bücher »Digital Happiness – Online selbstbestimmt und glücklich sein« sowie »Die Kunst, eine glückliche Frau zu sein«.
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