Ein gutes Buch lesen, auf einer Liege am weißen Sandstrand; den Wanderrucksack schultern und einen Dreitausender besteigen; mit dem Moped durch die Reisfelder Thailands touren; oder doch lieber eine Woche »All-Inclusive« samt Animationsprogramm für die Kinder und Gratis-Cocktails bis Mitternacht. Die Wahl des richtigen Urlaubs ist nicht einfach. »Die Vielfalt der Möglichkeiten, den Urlaub zu verbringen, hat in den vergangenen 15 Jahren enorm zugenommen«, sagt Peter Zellmann, Leiter des Wiener Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung. »Es ist schwierig geworden, von klassischen Urlaubertypen zu sprechen. Jeder Gast hat individuelle Vorstellungen. Viele wünschen sich auch einen Mix aus Entspannung und Action innerhalb eines einzigen Urlaubs.«
Entweder entdecken oder entspannen – das gilt längst nicht mehr, ebenso wenig wie die Annahme, dass wir alle einen großen Haupturlaub, vorzugsweise in den Sommermonaten, verbringen. »Das sind veraltete Ansichten, früher sollte alles kategorisierbar sein. Aber das funktioniert in einer Zeit der Individualisierung nicht mehr«, so Zellmann.
»Erholung im Urlaub ist eine Typfrage. Es gibt Personen, die sich aktiv entspannen, also während sie etwas erleben. Andere wiederum entspannen eher passiv«, sagt Andreas Reiter, Gründer des ZTB Zukunftsbüros in Wien und Gastlektor am Bachelor-Studiengang Tourismus-Management der FHWien der WKW. »Grundsätzlich unterscheiden wir zwei Urlaubertypen: Komplementär- und Kontrasturlauber«, sagt auch Sozialforscher Zellmann. Komplementär-UrlauberInnen suchen im Urlaub Ergänzung zu jenen Tätigkeiten, denen sie im Alltag gerne nachgehen. Kontrasturlaub bedeutet, ein Gegenprogramm zu machen.
Gerade wer sich für Letzteres entscheidet, sollte sich die Latte nicht zu hoch legen, warnen die ExpertInnen: Wer als Ungeübter einen Dreitausender erklimmen will oder als Stubenhocker am Ballermann die Nächte durchmacht, wird sich psychisch und physisch übernehmen. Und auch beim »harmlosen« Sightseeing kann man sich überfordern. »Es gibt durchaus so etwas wie Freizeitstress, wenn man eine lange To-do-Liste hat, die abgearbeitet werden muss«, sagt Andreas Reiter. Manchen Menschen kann eine solche Liste allerdings gut tun. »Führungskräfte neigen von ihrem Typus her dazu, auch im Urlaub kompetitive Elemente zu suchen. Von ihrer psychischen Struktur her fühlen sie sich mit drei Wochen Nichtstun unwohl«, erklärt der Zukunftsbüro-Gründer.
Welcher Urlaubertyp bin ich?
Um einen gelungenen, erholsamen Urlaub zu erleben, ist es daher wichtig, sich im Vorfeld zu fragen, welcher Typ man selbst ist. »Ich empfehle, mit der eigenen Vorstellungskraft zu spielen«, sagt Nicole Stolz, Coach mit Schwerpunkt Work-Life-Balance. »Das gelingt, indem man die Augen schließt und sich vorstellt, wie es sein könnte, am Meer zu liegen, in den Bergen zu wandern, oder eine Stadt zu besichtigen. Meistens sagt einem die Intuition, was jetzt gut passen könnte.«
Im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte ist nicht nur das Angebot vielfältiger geworden, auch die Dauer der Urlaube hat sich verändert. »Drei, ja sogar zwei Wochen Urlaub am Stück sind heutzutage eher Minderheitenprogramm. Nur etwa 25 Prozent der Reisenden erleben diesen Luxus«, sagt Tourismusforscher Zellmann. Zwar haben ArbeitnehmerInnen üblicherweise fünf Wochen Urlaub pro Jahr – dass man diese aber alle auf einmal nehmen kann, ist eine Seltenheit.
Zersplitterter Urlaub
Eine Entwicklung, die auch Reiter beobachtet: »Ein langer Urlaub über drei, vier Wochen lässt sich kaum mit modernen Arbeitsbedingungen vereinbaren. Heute ist die Urlaubsplanung relativ zersplittert: Statt einen langen Urlaub zu machen, verteilen wir unsere freie Zeit auf mehrere Reisen. Dabei hat jeder Urlaub ein anderes Thema.« So geht es beispielsweise im Februar zum Schifahren, im Mai steht eine Städtereise auf dem Programm, im August fahren wir an den Strand und im November in die Therme. »Wir sind als Gäste weniger berechenbar geworden und wechseln von Jahr zu Jahr unsere Identität«, so Peter Zellmann.
Work-Life-Balance-Coach Nicole Stolz hält diese Verteilung für förderlich für Körper und Geist: »Selbst wenn es vom Arbeitgeber aus möglich wäre, sollte man niemals alle Urlaubstage an einem Stück verbrauchen. Wir benötigen mehrere Erholungspausen im Laufe eines Jahres.«
Doch sind zehn, sieben oder gar nur vier Tage genug, um die Batterien neu aufzuladen? »Um dem Körper wirklich volle Entspannung zu ermöglichen, benötigen wir schon zwei bis drei Wochen. Erst während dieser Zeitspanne ist es möglich, ›Slow Motion‹ einzustellen. Körperliche Vorgänge normalisieren sich, der Schlaf wird ruhiger, wir kommen aus der chronischen Stresssituation heraus«, sagt Roland Mader, Primar am Wiener Anton-Proksch-Institut. »Daher ist ein längerer Urlaub immer wieder mal empfehlenswert. Aber es ist durchaus auch möglich, während eines kurzen Urlaubs in die Erholungsphase zu kommen.«
Kurztrips ohne Stress planen
Wer in wenigen Tagen Entspannung sucht, braucht Selbstdisziplin. »Kürzere Reisen sollten unbedingt gut geplant werden«, sagt Reiter. Angenehme Flugverbindungen, Zeitpuffer und rechtzeitiges Packen sind ein Muss. Von einer Fernreise in einem einwöchigen Zeitfenster rät Coach Stolz ab: »Das erhöht eher den Stresspegel, vor allem wenn spürbare Zeitverschiebungen ins Spiel kommen.«
Erholung im Urlaub hängt nicht ausschließlich von dessen Art, Dauer und Destination ab. Für viele ist auch der Abstand von der Arbeit und den Daheimgebliebenen wichtig: »Ein Urlaub ist immer ein vorübergehender Neubeginn. Jeder hat Sachen, die ihn belasten. Zu Hause ist nie alles erledigt. Mit mobilen Geräten nehme ich aber ein Stück von dem mit, wovon ich eigentlich Urlaub machen will. Das kann natürlich die Erholung beeinflussen«, warnt Mediziner und Suchtexperte Mader. »Für völliges Entspannen ist es ratsam, während des Urlaubs bewusst auf Firmen-Handy und -Laptop zu verzichten«, rät auch Coach Stolz. »Das setzt natürlich vor Reiseantritt eine geordnete Übergabe an Kollegen voraus.«
Diese Empfehlung ist freilich nicht für jedermann optimal. UrlauberInnen sind in puncto Arbeit im Urlaub so individuell wie die Reisen, die sie sich zusammenstellen. In manchen Berufen – für Selbstständige zum Beispiel, aber auch für Führungskräfte – kann es schwierig sein, offline zu gehen. »Für viele Menschen ist es angenehmer, hin und wieder im Urlaub die E-Mails abzurufen, als zwischen Urlaubsbeginn und -ende in ein Loch zu verschwinden und dann viel aufarbeiten zu müssen«, sagt Zellmann und warnt vor Pauschalaussagen, die das Individuum entmündigen.
Auf jeden Fall ist es wichtig, einen gesunden Umgang mit beruflichen Nachrichten im Urlaub zu finden. »Das kann bedeuten, nur jeden zweiten Tag die E-Mails abzurufen oder ein bestimmtes Zeitfenster dafür einzuplanen. Dabei werden nur die allerwichtigsten E-Mails beantwortet und die anderen in einen Ordner für nach der Rückkehr verschoben«, rät Mader.
Verzicht lernen
Nicht nur die berufliche Nutzung mobiler Geräte kann Stress erzeugen. »Auf Social-Media-Kanälen verfolgen wir auch privat ständig, was zu Hause passiert und was andere posten. Das nimmt viel Zeit in Anspruch und lenkt vom Moment, dem Urlaub, ab«, sagt Mader. »Es kann sehr gesund sein, sich für ein paar Tage aus dieser Gewohnheit zu befreien und zu erleben: ›Wie geht es mir ohne?‹«
Ein völliger Verzicht auf mobile Geräte ist gerade für die jüngere Generation undenkbar: »Für 40 Prozent der Millenials ist es wichtig, an instagramfähige Orte zu reisen, also an Schauplätze, die man besonders gut fotografieren und auf Instagram teilen kann. Das Smartphone ist daher im Urlaub unverzichtbar«, erklärt Zukunftsbüro-Gründer Reiter. In dieser Generation ist auch die Nomophobie – die No-Mobile-Phone-Phobia – bereits Thema. Millenials empfinden mitunter Stress und sogar körperliches Unwohlsein, wenn sie nicht erreichbar sind.
Natürlich gibt es auch Personen, die sich während des ganzen Urlaubs Abstand von mobilen Geräten und der Außenwelt wünschen. »Manche Hotels richten bereits ihr Angebot danach aus. Aber es ist eine sehr kleine Zielgruppe«, sagt Andreas Reiter.
Facebook, Instagram und die Werbematerialien der Reiseveranstalter vermitteln das Gefühl, dass jeder und jede hierzulande zumindest einmal pro Jahr verreist. Ein Irrtum. »Es gibt eine große Gruppe, die Urlaub auf Balkonien macht. Diese Personen werden allerdings von Reiseveranstaltern ausgeblendet, weil sie keine Zielgruppe sind«, sagt Freizeitforscher Zellmann. Seit 30 Jahren verändert sich das Verhältnis zwischen den ÖstereicherInnen, die verreisen, und jenen, die zuhause Urlaub machen, nur wenig. »Aktuell verreisen etwa 60 Prozent, 40 Prozent bleiben zuhause. Bis vor kurzem lag das Verhältnis sogar bei 50:50«, sagt Zellmann. Zwar gibt es Studien, die einen deutlich höheren Urlauberanteil ausweisen, allerdings werden hier oftmals Verwandtenbesuche oder Reisen zu Hochzeiten von FreundInnen mitgerechnet.
Zuhause Erholung finden
Geldmangel ist nicht zwingend Grund für Urlaub in den eigenen vier Wänden. Ins Bad gehen, Freunde treffen, Museen besuchen oder endlich Dinge erledigen, die zuhause anstehen – das alles kann manchen Menschen mehr Erholung bringen als ein Urlaub in der Ferne. »Für einen Außenstehenden mag es nach Arbeit klingen, wenn jemand während des Urlaubs seinen Keller ausmistet. Aber für die betroffene Person kann es befreiend sein«, so Sozialforscher Peter Zellmann. »Wir dürfen nicht vergessen: Urlaub ist die populärste Form von Glück. Je selbstbestimmter wir ihn gestalten, desto sicherer ist die Zufriedenheit währenddessen und danach.«
»Tendenz zu Kürzest-Urlauben«
Mario Pulker ist Obmann des Fachverbands Gastronomie der WKO, Spartenobmann für Tourismus und Freizeitwirtschaft in Niederösterreich und selbst Hotelier. studio! befragte ihn zum Trend, spontan, kurz und äußerst flexibel zu verreisen.
Welche Trends beobachten Sie bei österreichischen Reisenden?
Pulker: Es gibt einen klaren Trend hin zu kürzeren Urlauben. Vierzehntägige Urlaube sind eine Seltenheit geworden. Besonders drei- bis viertägige Kurzurlaube werden beliebter. Die Menschen verreisen beispielsweise von Donnerstag bis Sonntag und das mehrmals pro Jahr. Wir haben einen sehr hohen Anteil an Gästen aus Österreich. Diese Reisenden buchen auch deshalb sehr kurzfristig, weil sie die Wettervorhersage abwarten. Wir beobachten, dass die Gäste auf Kurzurlauben bereit sind, mehr Geld auszugeben. Sie wählen höherwertige Unterkünfte aus. Das ist kein rein österreichisches Phänomen, sondern betrifft den Tourismus in ganz Europa.
Langfristige Buchungen sind also selten?
Pulker: In meinem eigenen Hotel »Residenz Wachau« buchen Gäste eigentlich nur für Events langfristig. Für den Weinfrühling im Mai oder die Sonnwendfeier im Juni reservieren die Besucher schon Monate im Vorhinein, Gleiches gilt für Hochzeiten. Unser Hotel ist ein Romantikhotel. Paare sind unsere größte Zielgruppe, sie sind flexibler. Die Gäste von Familienhotels buchen nach wie vor langfristiger, sie sind wegen der Schulferien eingeschränkt. Aber auch hier werden die Buchungen spontaner.
Worauf lässt sich diese flexible Gestaltung des Reisens zurückführen?
Pulker: Die Möglichkeit der Online-Buchung bringt einfach viel Spielraum mit sich, die technische Entwicklung verändert auch hier das Verhalten der Menschen. Früher musste man erst ein Prospekt des Hotels anfordern, es wurden dann mehrere Faxe oder Briefe hin- und hergeschickt, bevor ein Zimmer fix gebucht wurde. Heute geht alles auf Knopfdruck, der Gast hat eine riesige Auswahl. Wer heute nicht online buchbar ist, wird als Hotel Schwierigkeiten haben zu überleben.
Wie herausfordernd sind kurzfristige Buchungen für Hoteliers?
Pulker: Natürlich sehr. Es kann passieren, dass das Wetter am Montag noch schlecht vorhergesagt ist, im Laufe der Woche schwingt es dann um und am Mittwoch werden 30 Zimmer gebucht. Man muss schnell reagieren können. Hinzu kommt die Tendenz zu Kürzest-Urlauben – also nur eine Übernachtung. Die Gäste möchten Samstag früh anreisen und Sonntagabend abfahren.
Flexible Gäste wollen auch kostenlos stornieren.
Pulker: Ja, sie wünschen es sich, aber es ist nur für manche in der Branche möglich, diesen Service anzubieten. Wir halten uns in unserem Hotel an die österreichischen Hotelstorno-Reglements. Wer eine Woche vor Anreise oder danach storniert, muss 90 Prozent zahlen. Anders ist es für uns nicht umsetzbar. Für die Ferienhotellerie ist die kostenlose Stornierung bis kurz vor Anreise schwierig, weil man das Zimmer nicht sofort wieder verkaufen kann. Anders ist es für Stadt- und Businesshotels. Sie können teilweise noch am selben Tag ein Zimmer füllen, das um 14 Uhr storniert wurde. In der Stadt ist die Möglichkeit der kostenfreien, kurzfristigen Stornierung daher ein Wettbewerbskriterium. Bei uns in der Wachau ist sie nicht üblich.
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