Sommer 2013. In Österreich wurde erstmals in der mehr als 250-jährigen Messgeschichte die 40-Grad-Marke geknackt. »Eine Affenhitze im Büro und unter den Schreibtischen standen umfunktionierte Salatschüsseln. Darin: kaltes Wasser und unsere Füße. Als eine verschwitzte Kundin zur Tür reinkam, wollte sie nur eines: auch so eine kühlende Schüssel. Gesagt – getan!« Kommunikationsberaterin Sandra Majewski kann zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Beratungsszene einiges erzählen. Bereits vor 20 Jahren hat sie ihren Fokus auf die Themen Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR) gelegt. »Zu Beginn wurde dieses Wording noch gar nicht verwendet und ich musste viel Überzeugungsarbeit dafür leisten, dass green jobs und green economy ernstzunehmende Wirtschaftsfaktoren sind und nicht nur nette Bobo-Anglizismen.« Schließlich wurde Nachhaltigkeit in der Beratung zum Megatrend, zur Cashcow. »Dabei geht es um echten sustainable content und nicht um Luftblasen«, betont Majewski.
Nicht den Kopf in den Sand stecken
Viele Branchen, die durch ihren hohen Treibhausgas-Ausstoß besonders zur Erderwärmung beitragen, trifft der Klimawandel als Retourkutsche massiv. Die Investoreninitiative Principles for Responsible Investment zählt dazu die Bereiche (fossile) Energie, Automobilbau, Logistik, Mineralstoffe und Landwirtschaft. Auch die einzelnen MitarbeiterInnen bekommen die Hitze zu spüren; der hitzebedingte Rückgang an Arbeitsproduktivität in Österreich wird in einer Studie von Global 2000 auf 140 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Der Umgang mit der Hitze erfordert individuelle Strategien, aber auch Arbeitnehmerschutz.
Wollen wir die Klimaerhitzung aufhalten, ist die Transformation zu einer CO2-neutralen Wirtschaft unabdingbar. Die Energiewende mit Ausstieg aus der fossilen Energie stellt laut Forschungsergebnissen des Fraunhofer Instituts ein risikoarmes Investitionsvorhaben mit positiver Gewinnerwartung dar – ganz abgesehen vom volkswirtschaftlichen Potential. Allein in Deutschland ent standen in den vergangen zehn Jahren fast 50.000 neue Arbeitsplätze in der Photovoltaik-Branche. Der Bundesverband Photovoltaic Austria hofft, dass man auch hierzulande an das solare Wirtschaftswunder anschließen kann.
Wind, Wetter, Energie
Von den rund 80 Millionen Tonnen Treibhausgasen, die jährlich in Österreich ausgestoßen werden, entfällt rund ein Viertel auf die Energiebereitstellung aus fossilen Quellen. Erneuerbare Energie ist daher entscheidend beim Kampf gegen den Klimawandel. Der Energiepark Bruck/Leitha plant, errichtet und betreibt seit 1995 entsprechende Anlagen zur Nutzung von Sonne, Wind, Wasser und Co. »Unsere Anlagen kompensieren damit den CO2-Ausstoß von circa 25.000 Österreichern«, sagt Geschäftsführerin Karin Mottl. Das übergeordnete Ziel des Energieparks ist die Versorgung der Region Römerland Carnuntum mit 100 Prozent erneuerbarer Energie. Beim Strom wird diese Mission bereits mehr als erfüllt – vorrangig durch Windkraft. Im Bereich Heizwärme wurde die 30-Prozent-Schwelle überschritten, an die 10 Prozent sind es bei der Mobilität. Kontinuierlich arbeitet das laufend wachsende Team am Ausbau der Anlagen.
Man sollte meinen, dass die heißen Sommer der letzten Jahre den Photovoltaikanlagen zugutekämen. »Nicht unbedingt«, relativiert die studierte Umwelt- und Bioressourcen-Managerin Mottl: »Einerseits steigt der Stromertrag mit mehr Sonnenstunden, andererseits sinkt der Wirkungsgrad der Photovoltaikmodule mit steigender Temperatur. Photovoltaikmodule haben es gerne kühl bzw. sollten belüftet werden, was in unserer Region oft der Wind erledigt.« Trotz der bereits erreichten Umstellungserfolge schätzt sie, dass weitere 25 Jahre notwendig sind, um das 100-Prozent-Ziel zu erreichen.
Gut gedämmt lebt sich’s besser
»Die beste Energie ist jene, die gar nicht erst erzeugt werden muss«: Nach diesem Credo ist die ARGE Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme (QG) aktiv, erklärt ihr Sprecher Clemens Hecht. Er vertritt die vier größten Anbieter von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) in Österreich. Der Gebäudebestand ist in der EU für 36 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich und benötigt circa 40 Prozent der Energie. Schon heute leisten Gebäude mit minimalem Energieverbrauch durch Vollwärmeschutz einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduktion.
Wärmeschutz ist aber nicht nur zur Erreichung der Klimaziele wichtig. Volkswirtschaftlich lautet die Rechnung wie folgt: »Circa 300 Millionen Quadratmeter Fassaden in Österreich sind noch nicht oder schlecht gedämmt. Geht man davon aus, dass die thermische Sanierung von einem Quadratmeter Fassade etwa einer Arbeitsstunde entspricht, zeigt das, wie viel Potential hier steckt«, verdeutlicht Hecht. Jedoch liegt die Sanierungsrate derzeit so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr, nämlich bei unter 1,5 Prozent. Für die Erreichung der Klimaziele muss sie langfristig auf 2,5 Prozent angehoben werden. Dafür ist auch Engagement seitens der Politik notwendig.
Wie geht’s unseren Wäldern?
Ein weiterer, wesentlicher Schlüssel zur Einsparung von CO2-Emissionen ist eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Zunehmende Wetterextreme, vermehrte Windwürfe, höherer Trockenstress und stärkerer Schädlingsbefall machen unseren Wäldern zu schaffen. Sie können nicht mehr so bewirtschaftet werden wie bisher, erzählt Norbert Putzgruber, Leiter der Stabsstelle Wald-Naturraum-Nachhaltigkeit der Österreichischen Bundesforste AG. »In der Forstwirtschaft müssen wir weit vorausplanen, vergehen im Schnitt doch rund 120 Jahre, bis ein Baum geerntet wird – ein Generationenprojekt!« Für jedes der 120 Forstreviere gibt es daher waldbauliche Ziele bis 2100, die vorgeben, wie die Wälder klimagerecht bewirtschaftet werden.
Der Waldumbau in Richtung Zukunft hat bereits begonnen. »Es wird ein Wald der Vielfalt sein mit klimafitten, standortgerechten Baumarten, die mit den neuen Klimaverhältnissen besser zurechtkommen.« Daher werden auch die jährlichen Investitionen in den Waldbau steigen.
Gestiegen sind in den letzten Jahren bei den Bundesforsten auch die Ausgaben für Schädlingsbekämpfung sowie die Ernte- und Logistikkosten. Diese internen Klimawandelkosten haben sich in den vergangenen drei Jahren verdreifacht, von 15,7 Millionen Euro auf zuletzt 42,1 Millionen Euro im Jahr 2019. Dennoch ist und bleibt ein gesunder Wald der beste Klimaschützer. »Daher werden wir auch weiter in den Wald investieren. Bis 2025 sind Aufwendungen von rund 100 Millionen Euro für den Wald der Zukunft geplant.«
Bäume pflanzen im großen Stil: Das ist auch eine Empfehlung des Weltklimarats. Mit einer großflächigen Aufforstung von einer Milliarde Hektar weltweit könnten die Klimaziele 2050 erreicht werden. Doch Tatsache ist, dass auch die österreichische Tiermast nicht ohne Sojaimporte aus Südamerika auskommt. Die Fleischproduktion erfordert riesige Mengen an Futtermitteln, für deren Anbau mehr und mehr Regenwald gerodet wird.
Die Erbse – das bessere Fleisch
Für eine pflanzenbasierte Ernährung gibt es vielfältige Gründe, etwa das Tierwohl, den ökologischen Fußabdruck oder die persönliche Gesundheit. »Seit Anfang 2019 erleben wir einen regelrechten Boom bei den pflanzlichen Alternativen zu Fleisch«, freut sich Andreas Gebhart, CEO von vegini. Die pflanzlichen Proteinprodukte des niederösterreichischen Unternehmens werden aus Erbsen hergestellt. Die Zahlen illustrieren den Erfolg: »Nach dem Start 2017 konnten wir den Umsatz 2018 verdreifachen, 2019 verdoppeln und 2020 planen wir ebenfalls eine Verdoppelung.« Seit 2018 wurde von 37 auf heute 60 MitarbeiterInnen aufgestockt. Gebhart zitiert eine Zukunftsstudie von AT Kearney, die besagt, dass bis 2040 schon ein Viertel des weltweit konsumierten Fleisches durch pflanzliche Proteinquellen ersetzt sein wird – diese bilden einen Markt mit einer jährlichen Wachstumsrate von neun Prozent. Die Erbse punktet in vielen Bereichen: Sie benötigt nur sehr wenig Wasser auch im Vergleich mit anderen Pflanzen, die Treibhausgasemissionen bei der Herstellung betragen nur einen Bruchteil des CO2-Äquivalents von einem Kilo Rindfleisch. Was die Erderwärmung betrifft: Die Erbse kann hier ihre Stärken voll ausspielen, denn beim Anbau Ende März muss der Boden schon relativ trocken sein.
Start-up – start now: Kreislaufwirtschaft
Nicht nur der Klimawandel wird intensiver diskutiert als noch vor ein paar Jahren, sondern auch das Thema Plastikmüll. Eine Lösung dafür suchte das Kärntner Start-up plasticpreneur. Seine Maschinen, mit denen Plastikmüll im kleinen Maßstab zu neuen Produkten recycelt werden kann, sollen auch für neue Chancen am Arbeitsmarkt sorgen. Gründer Sören Lex, studierter Betriebswirt, schildert: »Wir unterstützen mit unseren Maschinen mittlerweile Projekte in 28 Ländern weltweit – darunter Vereine, Universitäten, NGOs und Start-ups.« So entstanden zum Beispiel Arbeitsplätze in Uganda und es werden Dinge hergestellt, die im alltäglichen Leben in Afrika fehlen oder neu zu teuer wären.
Der Wirtschaft kommt also große Bedeutung bei der Lösung von globalen Problemen zu. Die aktuellen Krisen sind ein Moment der Wahrheit: Jetzt wird definiert, welche Rolle Unternehmen in den nächsten Jahrzehnten spielen werden – für Mensch, Markt und Klima.
Steigt das Thermometer, sinkt die Konzentration
Arbeit bei hohen Temperaturen ist nicht nur körperlich belastend, sondern kann auch die Gesundheit gefährden. ArbeitnehmerInnen müssen daher vor Hitze geschützt werden – das gibt auch das Gesetz vor.
von Heike Guggi
Spitzentemperaturen um die 40 Grad stellen im Sommer ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar. Nicht nur Outdoor-Berufe, auch Arbeitsplätze in Innenräumen wie Lager, Küchen und Büros sind betroffen. Bei Hitzebelastung versucht der Körper, durch Schwitzen die Temperatur auf circa 37 Grad zu halten. Der Flüssigkeitsverlust und die ansteigende Körperkerntemperatur lassen die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sinken – Fehler- und Unfallgefahr steigen. Bei mangelnder Flüssigkeitszufuhr und fehlender Erholung drohen Kreislaufprobleme und gesundheitliche Folgen – vom Sonnenstich bis zum lebensgefährlichen Hitzschlag.
Probleme zeigen sich ab 26 Grad
ArbeitgeberInnen müssen ihre MitarbeiterInnen vor gesundheitlichen Gefahren wie Hitze schützen – das ist auch durch das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) geregelt. Generell gilt, dass die Temperatur in Arbeitsräumen der Tätigkeit angemessen sein muss. Bei Tätigkeiten mit geringer körperlicher Belastung, z. B. im Büro, sind laut Arbeitsstättenverordnung 19 bis 25 Grad gefordert; steigt die Temperatur über 26 Grad, kann dies zu Problemen führen. Einfache Maßnahmen helfen dabei, den Arbeitsplatz zu kühlen, z. B. Beschattung der Fenster, Bereitstellung von Ventilatoren. Auch Duschmöglichkeiten, kühle Getränke und Klimaanlagen erleichtern das Leben der Belegschaft; eine verpflichtende Installation sieht das Gesetz aber nicht vor. Auf organisatorischer Ebene bieten sich nächtliches Lüften, Pausen in kühlen Räumen oder eine Verlegung der Arbeitszeiten an. Eine Lockerung der Kleidungsvorschriften kann ebenso Erleichterung verschaffen, jedoch darf dies bei Arbeiten im Freien nicht zu Lasten des UV-Schutzes gehen.
Auch wenn es noch so heiß ist: Einen Rechtsanspruch auf »Hitzeferien«, also bezahlte arbeitsfreie Tage auf Grund hoher Temperaturen, gibt es nicht.
Sonderregelungen betreffen vor allem den Bau, wo Hitze als »Schlechtwetter« im Sinne des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes gilt. Seit 2019 erlaubt es eine Neuregelung, ab einer Temperatur von 32,5 Grad das Arbeiten einzustellen, wenn kein kühlerer Alternativarbeitsplatz vorhanden ist.
Herausforderungen für die Prävention
Um die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen, muss der ArbeitnehmerInnenschutz weitergedacht werden. Bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) werden derzeit innovative Ansätze zum besseren Schutz vor Hitze verfolgt. Eine mögliche Lösung ist der Einsatz von Kühltextilien, die in Form von Kühlwesten und anderen Kleidungsstücken wie Kopfbedeckungen, Unterarm- und Wadenkühlern zum Einsatz gebracht werden. Hier gibt es unterschiedliche Varianten: Sogenannte »Evaporationskühler« bestehen aus Materialien, die vermehrt Wasser speichern können. Durch die Verdunstung des Wassers wird der Haut (Wärme-)Energie entzogen, es entsteht ein Kühleffekt. Eine Alternative dazu sind »Phase-Change-Cooling-Materialien«, welche vorgekühlt werden und beim Tragen Wärmeenergie aufnehmen. Erweisen sich diese als praktikabel, kann eine Lücke betreffend Kühlung am Arbeitsplatz geschlossen werden. Die AUVA führt diesbezüglich derzeit einen Praxistest mit Unternehmen unterschiedlicher Branchen durch.
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