Können wir aus dem Umgang mit der Corona-Krise etwas für die Klimakrise lernen und, wenn ja, was?
Kromp-Kolb: Die Corona-Krise war eine abrupte Störung in unserem Leben und führt jetzt zu einer abrupten Störung der Wirtschaft. Im Grunde wird die Klimakrise dasselbe tun und sie tut es ja zum Teil auch schon. Das ist sicher vergleichbar. Weniger vergleichbar ist, dass es bei Corona keine Diskussion darüber gab, wer alles betroffen sein könnte. Es ging um die Gesundheit und das Leben von jedem und jeder, dadurch war die Akzeptanz der Maßnahmen hoch. Beim Klima geht der Einzelne eher davon aus, dass er selbst nicht davon betroffen sein wird. Nach dem Motto: Ich wohne nicht am Fluss, daher wird mich die Überschwemmung nicht treffen. Da ist die Gesellschaft viel fragmentierter und es fühlen sich nicht alle Fragmente von einer Bedrohung betroffen.
Warum schaffen wir es, gegen die Ausbreitung von Corona innerhalb weniger Tage drastische Maßnahmen durchzusetzen, während wir für den Klimaschutz Jahrzehnte brauchen?
Kromp-Kolb: Tiefgreifende Maßnahmen für den Klimaschutz zu ergreifen ist schwerer, weil die Gefahr besteht, dass sie nicht so akzeptiert werden, wie das bei Corona der Fall war. Andererseits wären die Maßnahmen für das Klima bei weitem nicht so einschneidend und plötzlich. Es würde nicht heißen, ab morgen darfst du nicht mehr hinaus, sondern im besten Fall würden Klimaschutzmaßnahmen in einem Prozess implementiert, bei dem die Betroffenen mitreden könnten.
Viele ExpertInnen befürchten, dass Corona dem Klimaschutz sogar schaden könnte. Sehen Sie einen Backlash?
Kromp-Kolb: Die Gefahr ist groß, aber es gibt Hoffnungszeichen, dass das Hochfahren der Wirtschaft mit Klimaschutz kombiniert wird. Ich vergleiche das mit einem Haus, in dem man sowieso ein Zimmer umgestalten wollte. Dann kommt ein Erdbeben und das Haus fällt in sich zusammen. Da ist es doch sinnvoll, beim Wiederaufbau die ursprünglich geplante Änderung gleich mitzumachen und nicht zuerst das Haus genau so aufzubauen, wie es war, um dann wieder über den Umbau nachzudenken. Und in diesem Sinn sähe ich es als völlig unsinnig, wenn man jetzt in Richtung fossiler Energien ginge anstatt in Richtung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Wir haben jetzt eine unwiederbringliche Chance, so etwas zu tun – unwiederbringlich auch deshalb, weil wir keine Zeit haben, auf die nächste Krise zu warten.
Wen sehen Sie beim Klimaschutz eher in der Verantwortung: das Individuum oder die Politik?
Kromp-Kolb: Unser Ziel sind Netto-Null-Emissionen, deshalb brauchen wir beides. Um die Treibhausgas-Emissionen dramatisch zu senken, brauchen wir Technologien wie erneuerbare Energien, aber auch Lebensstiländerungen wie viel zu Fuß gehen und wenig bis gar nicht fliegen. Da muss der Einzelne mitmachen, es müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. Das klimafreundliche Handeln muss das einfachere und billigere sein. Solange Flugtickets günstiger und leichter zu kaufen sind als Bahntickets und das Gemüse aus Übersee günstiger ist als das vom benachbarten Bauern, stimmt etwas nicht.
Beim Klimaschutz haben viele Angst vor Verzicht und weniger Komfort. Was entgegnen Sie?
Kromp-Kolb: Vieles von dem, was wir als Verzicht bezeichnen, sind nur Gewohnheiten. Man muss Gewohnheiten ändern, ja, aber oft zeigt sich, dass neue Gewohnheiten angenehm sind und mehr Befriedigung bringen als die alten. Es muss ein Umdenken und Umgestalten stattfinden. Wenn wir nicht bereit sind, unsere Gewohnheiten zu ändern, wird die nächste Generation keine andere Wahl mehr haben als zu verzichten. Und das muss man in Relation setzen: Was wird von mir gefordert im Vergleich zu dem, was ich meinen Kindern abverlange?
Wie kann man Menschen Ihrer Erfahrung nach am besten für Klimaschutz begeistern? Durch die apokalyptische Drohung oder durch positives Motivieren?
Kromp-Kolb: Die Wissenschaft droht seit 30 Jahren mit wenig Erfolg – und sie droht ja nicht einmal im eigentlichen Sinn, sondern beschreibt, was passieren wird. Wir müssen sehr rasch darauf umsteigen, den Leuten zu zeigen, wie viel besser alles sein könnte, wenn wir klimafreundlich handeln. Vieles muss man einfach ausprobieren und sich selbst auch die Zeit geben, die positiven Änderungen zu spüren. Nach mehreren Wochen Autofasten beispielsweise muss man das Auto ja nicht gleich verkaufen, aber man kann es nur zu speziellen Anlässen verwenden und legt so nicht jeden Tag dasselbe umweltschädliche Verhalten an den Tag.
Viele KonsumentInnen sind bemüht, klimafreundlich zu handeln, fühlen sich aber oft nicht in der Lage, »gut« von »gutem Marketing« zu unterscheiden. Wie findet man sich zurecht?
Kromp-Kolb: Ich appelliere an den normalen Menschenverstand und empfehle, nicht zu ängstlich zu sein: Wir brauchen nicht wenige Heilige, sondern viele, die halbwegs klimafreundlich leben – auch auf die Gefahr hin, einmal danebenzugreifen. Die entscheidende Frage ist, ob ich das, was ich kaufen möchte, tatsächlich brauche.
Verdrängen die meisten von uns das Thema Klimakrise oder sind wir vielleicht auch zu wenig informiert?
Kromp-Kolb: Die Materie Klima ist zwar komplex, aber sie ist nicht schwer zu verstehen. Man muss nicht jedes kleine Detail nachvollziehen können, die Grundzüge reichen. Was ich allerdings feststelle, ist, dass Dinge miteinander vermischt werden, z. B. die Diskussion um Plastiksackerl mit dem Klimawandel. Dann wird es oft unübersichtlich.
Braucht es AktivistInnen wie Greta Thunberg für den Kampf gegen den Klimawandel?
Kromp-Kolb: Offensichtlich hat es sie gebraucht. Die Fridays for Future haben in wenigen Monaten mehr erreicht als die Wissenschaft in vielen Jahren. Wir sollten auf Dauer nicht von ihnen abhängig sein, aber das ist auch nicht passiert.
Wie behalten Sie angesichts der aktuellen Klimakrise und dem, was uns in Zukunft droht, Ihren Mut und Ihre Zuversicht?
Kromp-Kolb: Für Pessimismus ist es zu spät. Wir können uns Pessimismus nicht leisten, denn er lähmt. Es geht darum, aktiv daran zu arbeiten, dass sich was ändert. Ich habe extremes Vertrauen darin, was Menschen leisten können, wenn sie sich mal zu etwas durchgerungen haben. Dazu sind wir alle fähig, auch als Gesellschaft. Daher gibt es durchaus Grund für Optimismus und man hält ihn am besten dadurch wach, dass man aktiv ist. Nichts zu tun, ist das Schlechteste für die Psyche.
Sie holen sich also durchs Tun Ihre Kraft?
Kromp-Kolb: Natürlich. Ich bin emeritiert und könnte nur mehr im Garten arbeiten oder musizieren. Aber ich kann nicht einfach zuschauen und schon gar nicht im Hörsaal vor jungen Leuten stehen und sagen, eure Zukunft ist mir wurscht, Hauptsache, meine Tomaten gedeihen.
Wie sind Sie eigentlich zur Meteorologie und dann zur Klimaforschung gekommen?
Kromp-Kolb: Ich habe mich schon immer sehr für die Natur und für Menschen interessiert und bin bei der Meteorologie gelandet. Meine naive Vorstellung damals war, dass man dabei viel im Freien ist. Das war ein totaler Irrtum, denn als Meteorologin sitzt man nur vor dem Computer. In dem Sinn war es eine Fehlentscheidung, aber ich habe sie nicht bereut.
Österreich war beim Klimaschutz einst Musterschüler, jetzt eher Durchschnitt: Was wünschen Sie sich von der heimischen Politik in puncto Klimaschutz?
Kromp-Kolb: Im Regierungsprogramm steht viel Vernünftiges drinnen, wie die CO2-Neutralität bis 2040. Das muss allerdings jetzt umgesetzt werden und nicht erst 2039. Wenn wir aus dieser Wirtschaftskrise wieder auf die alten Wege zurückkehren, dann sind wir für lange Zeit im fossilen Zeitalter gefangen. In gewisser Hinsicht ist jetzt die allerletzte Chance. Mit dem Klima ist nicht zu spaßen. Es wird nicht gnädigerweise Nachsicht mit uns haben, sondern es ist Natur. Und Natur kann grausam sein.
Haben Sie drei Tipps für unsere LeserInnen für mehr Klimaschutz im Alltag?
Kromp-Kolb: Tipp 1: Überlegen, was brauche ich wirklich, und sich darauf beschränken. Nicht zwei Stück kaufen, wenn man nur eines braucht. Nicht heute kaufen, was man morgen braucht. Nicht kaufen, was man nicht braucht.
Tipp 2: Gesund bleiben durch die richtige Mobilität und Ernährung – zu Fuß gehen oder Rad fahren, saisonal und biologisch essen und weniger Fleisch konsumieren.
Tipp 3: Darüber reden und aktiv werden – im Freundes- und Familienkreis sowie im Berufsleben.
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