Zum Interview mit STUDIO! ist Magda Stumvoll persönlich in Wien – eine Seltenheit, denn zuletzt war sie drei Monate am Stück in Frankreich und Belgien. Sie pendelt zwischen Brüssel und Straßburg, wo sie als akkreditierte politische Referentin die Abgeordnete und Vizepräsidentin des Europaparlaments, Evelyn Regner (SPÖ), unterstützt. Aber was genau macht eigentlich eine »politische Referentin«?
»Ich betreue für Evelyn Regner den Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter, den ›FEMM-Ausschuss‹, sowie den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, den ›EMPLAusschuss‹ «, erklärt die 31-Jährige. In der Praxis heißt das, dass sie Unterlagen aufbereitet, Daten recherchiert, Gesetzesvorschläge analysiert, aber auch VertreterInnen von Interessengruppen trifft. »Alle Gesetzestexte, Resolutionen und Berichte, die im Parlament durch die zwei Ausschüsse gehen, landen früher oder später auf meinem Tisch.«
Lange Wege zum Ziel
Als akkreditierte Referentin, deren Zutrittskarte die Türen im Europäischen Parlament, aber auch im Rat und in der Kommission öffnet, begleitet Magda Stumvoll ihre Chefin zu vielen Sitzungen. Dabei sind die Wege im EU-Parlament oft länger, als man glaubt. Sowohl im wörtlichen Sinn, wenn Stumvoll und ihre KollegInnen in Brüssel oder Straßburg zwischen dem Plenarsaal, Ausschusssälen, Büros und Fraktionssälen täglich mehrere Kilometer zurücklegen, als auch im übertragenen Sinn: »Kürzlich hat meine Chefin nach zehn Jahren Blockade durch verschiedene Länder einen Meilenstein erreicht: Die ›Frauen-in-Führungspositionen-Richtlinie‹ war endlich fertig verhandelt!
Das war schon ein Moment, an dem wir uns gedacht haben: Wow, jetzt ändert sich wirklich etwas. Es geht darin um die Festschreibung einer Frauenquote von 40 Prozent in allen Aufsichtsräten beziehungsweise von 33 Prozent in Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam in börsennotierten Unternehmen innerhalb der EU. Aus meiner Sicht ist es zwar traurig, dass wir dafür ein Gesetz brauchen – Frauen in Führungspositionen sollten selbstverständlich sein – doch wir hoffen, dass diese Richtlinie einen Mentalitätswechsel einläutet, der das Gesetz irgendwann überflüssig macht.« Ab dem 30. Juni 2026 müssen EU-Länder nun die von Evelyn Regner maßgeblich mitverhandelte Richtlinie erfüllen. Für viele Fortschritte brauche man einen derart langen Atem, sagt Magda Stumvoll, doch das Durchhalten lohne sich.
Austausch statt Politikverdrossenheit
Für Politik sensibilisiert wurde die junge Frau während des Studiums der Politikwissenschaften, Romanistik und Europastudien, das sie durch ein Bachelorstudium Tourismusmanagement an der FHWien der WKW ergänzte. »Ich hatte schon immer einen starken Gerechtigkeitssinn – und ›mehr EU‹ habe ich als etwas Positives empfunden. Mit dem Brexit kam ein Wendepunkt, wo ich gemerkt habe: In Europa bewegt sich nicht alles Richtung Integration. Ich habe gespürt: Ich will mich engagieren, will meine Stimme erheben, mich mit Menschen austauschen – und das nicht nur auf zivilgesellschaftlicher Ebene.«
Dieses Engagement lebt sie in Straßburg und Brüssel intensiv aus: »Eine typische Arbeitswoche hat bei uns mehr als 40 Stunden. Auch weil viel Ehrgeiz da ist, sich immer noch tiefer in eine Materie einzulesen«, erklärt Stumvoll. »Viele Stunden verbringe ich auch mit Menschen, die die zukünftigen Gesetze betreffen. Ich höre mir ihre Sorgen und Belange an und überlege mit ihnen mögliche Lösungen. Oft sind sie in NGOs oder Interessengruppen organisiert.
Dieser Austausch ist unserem Team in Anbetracht der allgemeinen Politikverdrossenheit besonders wichtig.« Viel Zeit für Privatleben bleibt da nicht. Wenn Magda Stumvoll aber ausgeht, dann gerne auch mit belgischen Freundinnen und Freunden. »Weil ich nicht ausschließlich in der EU-Bubble leben will. Obwohl ich diese Internationalität sehr bereichernd finde, will ich auch ein bisschen normales Leben in Brüssel genießen und nicht beim Feierabendbier wieder über den neuen Gesetzesvorschlag reden«, sagt sie und lacht.
Geschichte wird gemacht
Dann wird sie wieder ernst und erzählt noch von jenen Augenblicken im EU-Parlament, in denen sie das Gefühl hatte: Jetzt wird Geschichte geschrieben. Einer war der bewegende Appell Wolodymyr Selenskyjs kurz nach Russlands Einmarsch in die Ukraine. Ebenfalls nie vergessen wird sie die emotionale Ansprache der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer am Holocaust Memorial Day 2022. »Gerade in Zeiten, in denen Rassismus wieder zunimmt, eine der letzten Zeitzeuginnen zu hören, hat mich tief berührt«, sagt sie. Solche Momente geben ihr Kraft für lange Arbeitstage: »Wir dürfen nie rechten Ressentiments das Spielfeld überlassen. Wir dürfen nicht aufgeben – es gibt so viel zu tun.«
-
Coverstory: Lernen und Arbeiten – Hand in Hand mit der KI?
Digitale Helfer wie ChatGPT machen Fehler, können aber vieles schon erstaunlich gut. Wie verändern KI-Tools unser Lernen und Arbeiten?Digitale Helfer wie ChatGPT machen Fehler, können aber vieles schon erstaunlich gut. Wie verändern KI-Tools unser Lernen und Arbeiten? -
Im Interview: Alexandra Reinagl – „Ich wollte Straßenbahnschaffnerin werden“
Wiener-Linien-Geschäftsführerin Alexandra Reinagl, die als Kind gerne »Fahrscheine-Zwicken« spielte, ist heute stolz auf die von ihr eingeführten papierlosen Tickets.Wiener-Linien-Geschäftsführerin Alexandra Reinagl, die als Kind gerne »Fahrscheine-Zwicken« spielte, ist heute stolz auf die von ihr eingeführten papierlosen Tickets. -
Alumni Story: Magda Stumvoll
Als politische Referentin einer EU-Parlamentarierin befasst sich Magda Stumvoll mit Berichten, Gesetzesentwürfen und Resolutionen – ein besonderes Anliegen sind ihr dabei die Rechte von Frauen.Als politische Referentin einer EU-Parlamentarierin befasst sich Magda Stumvoll mit Berichten, Gesetzesentwürfen und Resolutionen – ein besonderes Anliegen sind ihr dabei die Rechte von Frauen. -
Alumni Story: Richard Bauer
Richard Bauer berät Tourismus- und Kulturbetriebe und ist gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Hotellerie und Tourismusorganisationen. Wie sein Arbeitsalltag aussieht, erzählt er hier.Richard Bauer berät Tourismus- und Kulturbetriebe und ist gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Hotellerie und Tourismusorganisationen. Wie sein Arbeitsalltag aussieht, erzählt er hier. -
»Wär’ doch schade um den Platz!«
Leerstände sind nicht nachhaltig, findet Nina Zips. Daher nutzt die Gründerin der Plattform Never At Home leer stehende Betriebs- und Büroflächen, um die Wiener Innenstadt mit junger Pop-up-Kultur zu beleben.Leerstände sind nicht nachhaltig, findet Nina Zips. Daher nutzt die Gründerin der Plattform Never At Home leer stehende Betriebs- und Büroflächen, um die Wiener Innenstadt mit junger Pop-up-Kultur zu beleben.