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STUDIO! Ausgabe 2/2024

Coverstory: Gütesiegel für die Praxis

30 Jahre FHWien der WKW bedeutet auch: 30 Jahre die Praxis studieren. Wie die Zusammenarbeit mit ExpertInnen aus der Wirtschaft die Fachhochschule für Management und Kommunikation prägt, lesen Sie hier.

Text: Doris Neubauer

»Rund 75 Prozent der Lehre werden bei uns von nebenberuflich Lehrenden durchgeführt, das ist viel«, sagt Beate Huber, Akademische Leiterin der FHWien der WKW. Anders ausgedrückt heißt das: Drei von vier Lehreinheiten werden von externen Fachleuten geleitet, die dazu direkt aus dem Job in den Lehrsaal kommen – mit jeder Menge Praxiserfahrung im Gepäck.

Der Praxisbezug und damit die Nähe zur Wirtschaft prägen das Wesen der insgesamt 21 Fachhochschulen in Österreich. Mehr als zwei Drittel der FH-Studierenden und -AbsolventInnen sehen genau darin den großen Vorteil der Institution FH, wie eine Umfrage der österreichischen Fachhochschul-Konferenz (FHK) anlässlich des 25-jährigen Bestehens dieser Bildungsform ergab. Berufspraktika und Praxisprojekte mit Unternehmen, Business Cases und Planspiele – all das gehört zum Alltag eines Fachhochschul-Studiums.

Um die Qualität der Ausbildung auf Hochschulniveau sicherzustellen, koordinieren pro Studiengang mehrere MitarbeiterInnen der FH die externen Lehrenden und sorgen dafür, dass sie nah genug am Lehrplan bleiben. Auch müssen die Vortragenden gut ausgewählt und die Qualität ihres Unterrichts immer wieder evaluiert werden. Andere Fachhochschulen hätten die Zahl der hauptberuflich Lehrenden über die Jahre erhöht: »Wir aber sind standhaft geblieben«, erzählt Huber stolz. Denn schon bei einer leichten Änderung des Verhältnisses zugunsten der hauptberuflichen Lehrenden würde Kritik der Studierenden laut. »In dieser Frage sind sie sensibel, schließlich kommen viele zu uns, gerade weil sie von Tag eins an mit der Praxis in Kontakt sein wollen.«

Kalkulation am Schnitzel

Was für die aktuell über 2.800 FHWien-Studierenden gilt, galt vor 28 Jahren auch für Paul Blaguss. Neben dem organisierten Studium mit abgestecktem Zeitrahmen, dem breiten Lehrplan und den Vortragenden hat den Geschäftsführer der BLAGUSS Gruppe eines überzeugt, das Studium Tourism and Travel Services (heute: Tourismus-Management) zu wählen: »Der Praxisbezug war das stärkste Argument«, erinnert er sich. »Es war, als hätte jemand das System FH genau für mich erfunden.« Mit akademischen Abhandlungen tue er sich schwer, gesteht der umtriebige Unternehmer aus dem Burgenland. Betriebswirtschaftliche Berechnungen verstehe er etwa anhand praktischer Fragestellungen am schnellsten. Da Blaguss bereits als 15-Jähriger entschieden hatte, das Busunternehmen seiner Familie in dritter Generation gemeinsam mit seinem Cousin weiterzuführen, war ihm klar: »Wie man den Preis eines panierten Schnitzels berechnet, werde ich mein Leben lang nicht brauchen.« Trotzdem komme es ihm heute zugute, genau solche Rechnungen im Rahmen des FH-Studiums angestellt zu haben, denn »ob Bus oder Schnitzel, so ganz anders funktioniert die Berechnung eines Produktes nicht«. Dass sein Studium zudem »hotellastig« gewesen sei, freue heute seinen Freundeskreis, den er gerne bekoche.

© Blaguss Gruppe/Lendl

Gerne erinnert sich Blaguss auch an diejenigen, die die Praxisbeispiele damals mitbrachten: Zu Vortragenden wie Harald Hafner, Vorstand des Travel Industry Club Tourismus, oder Reinhard Mücke, Generaldirektor der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank, gesellten sich Gastvorträge weiterer Branchengrößen: »Spannend, was wir von denen erfahren haben!« – Eine Rückmeldung, die der Chef von rund 1.500 MitarbeiterInnen in Österreich, Ungarn und der Slowakei heute als Vortragender selbst von den Studierenden bekommt. Einmal im Jahr ist er nämlich bei Lektorin Gabriele Tragschitz-Köck im Bachelor-Studiengang Tourismus- Management zu Gast: »Zwei Stunden darf ich Weisheiten teilen und mit Studierenden über touristische Mobilität plaudern«, erzählt Blaguss, der von der FHWien 2022 für das außergewöhnliche Engagement für seine Hochschule mit einem Alumni Award ausgezeichnet wurde.

»Realistisches Bild für Studierende zeichnen«

Dass der 49-Jährige bei diesen »Gastauftritten« auch von Rückschlägen oder Fallstricken in der Praxis berichtet, sei erwünscht, bestätigt Christina Schweiger, die als Studienbereichsleiterin für Human Resources & Organization den Bachelor-Studiengang Personalmanagement und den Master-Studiengang Organisations- & Personalentwicklung verantwortet: »Es geht darum, ein realistisches Bild des Berufsfelds für die Studierenden zu zeichnen.« Auch aktuelle Impulse aus der Branche seien wichtig: »KI, Digitalisierung oder HR Analytics (die Analyse von Daten aus dem Personalbereich in Verbindung mit anderen Unternehmensdaten) sind im Personalmanagement – und nicht nur dort – Bereiche, deren Status quo sich laufend ändert.«

Schweiger nimmt als Verantwortliche selbst regelmäßig an Konferenzen sowie Netzwerktreffen teil. Sich zu vernetzen und in das Themenfeld selbst »reinzuhören« sei das eine, erklärt die FH-Professorin. Ein anderer wichtiger Teil ihrer Arbeit sei, zu erheben, welche Kompetenzen die Studierenden in ihrem Berufsfeld brauchen. »Mindestens einmal im Jahr erkundige ich mich bei den Lehrenden nach den Herausforderungen in ihren Unternehmen«, sagt sie. Bevor aber das Curriculum ausgearbeitet wird, lädt Schweiger noch VertreterInnen aus dem HR-Bereich und AbsolventInnen ein, um deren Einschätzung der Entwicklung der Branche in den nächsten fünf Jahren einzubeziehen.

© Markus Hechenberger

Facts über die FHWien der WKW

  • 2/3 Lehrende aus der Wirtschaft
  • 61,9 % Berufsbegleitend Studierende
  • 38,1 % Vollzeit-Studierende
  • 1025 Studierende Bachelor Berufsbegleitend
  • 730 Studierende Master Berufsbegleitend

30 Jahre Fachhochschulen

Im Vergleich zu Universitäten sind die Fachhochschulen in Österreich relativ jung. Erst im Jahr 1993 wurde die Einrichtung von Fachhochschul- Studiengängen ermöglicht. Im Studienjahr 1994/1995 starteten die ersten zehn, darunter auch die Angebote der FHWien der WKW. Mittlerweile gibt es bundesweit 21 FHs. Etwa 50 Prozent der Fachhochschul-Studiengänge werden berufsbegleitend angeboten. Über 59.000 der rund 322.000 Studierenden Österreichs besuchten im Wintersemester 2023/2024 eine FH. Das ist etwa jede/r Fünfte.

Lehren, was gebraucht wird

Dass die FH auf diesen Praxis-Input rasch reagieren kann, liegt an der Outcome- und Kompetenzorientierung des Bologna-Prozesses, eines europäischen Standards für Hochschulen, der seit dem Studienjahr 2007/2008 auch an der FHWien der WKW umgesetzt wird. »Lehrende werden jeweils nur für ein Semester beauftragt. Dadurch bleiben wir in der Besetzung flexibel und können das Curriculum bei Bedarf anpassen«, sagt Schweiger und nennt auch gleich ein Beispiel: »Weil mentale Gesundheit seit der Pandemie noch wichtiger ist, haben wir kurzfristig ›Betriebliches Gesundheitsmanagement‹ als eigenes Thema im Bachelorstudium etabliert.« Auch »Green HR Management« wurde auf Anregung von AbsolventInnen und Studierenden-VertreterInnen in den Lehrplan aufgenommen.

Nachhaltigkeit, erinnert sich Paul Blaguss, sei vor zehn Jahren noch ein abstrakter Begriff gewesen. Schon damals habe er jedoch gewusst, dass man angehende Manager dafür sensibilisieren müsse. Deshalb unterstützte die BLAGUSS Gruppe die FHWien 2012 dabei, eine Stiftungsprofessur für Corporate Governance & Business Ethics einzurichten. »Der erste Stiftungsprofessor, Markus Scholz, hat auch mir die Augen geöffnet«, erklärt Blaguss, der seine Reisebusflotte auf den komplett fossilfreien Treibstoff HVO100 umgestellt hat und dadurch bis zu 90 Prozent CO2 einspart. Bis 2035 will Blaguss, der auch als Sprecher der neuen »Initiative Zukunft Tourismus« fungiert, klimaneutral unterwegs sein.

Einen Beitrag in diese Richtung leistet die FHWien seit dem Wintersemester 2023/24 mit dem österreichweit ersten dualen Tourismusstudium, dem Bachelor-Studiengang Tourismus-Management. Ab dem dritten Semester verbringen die Studierenden die halbe Woche an der Hochschule und die zweite Hälfte in einem Tourismusbetrieb. »Die Vorteile der dualen Studienform für Studierende und Unternehmen liegen auf der Hand«, erklärt Florian Aubke, Studienbereichsleiter für Tourism & Hospitality Management an der FHWien der WKW: »Die Studierenden haben nach sechs Semestern nicht nur einen Bachelorabschluss, sondern auch bereits zwei Jahre relevante Berufserfahrung. Die Praxispartner können eine aktive Rolle in der Hochschulbildung wahrnehmen und die Studierenden über zwei Jahre bedarfsgerecht ausbilden.« Zudem hilft diese Kooperation Unternehmen in Zeiten des Arbeitskräftemangels auch, gut ausgebildeten Nachwuchs zu finden.

Vom Studium direkt in den Beruf

»Unsere AbsolventInnen haben in der Regel keine Schwierigkeiten, einen Job zu finden«, ergänzt Christina Schweiger und verweist auf Statistiken: Laut AbsolventInnen-Trackings (ATRACK) sind zwei Jahre nach dem Abschluss vier von fünf FH- und Universitäts-AbsolventInnen erwerbstätig. Diejenigen, die berufsbegleitend studieren, würden besonders schnell den nächsten Karriereschritt vollziehen. Vollzeitstudierende wiederum mache das verpflichtende Berufspraktikum im 5. Semester rascher einsatzfähig. »Im 6. Semester haben viele das Bedürfnis, mir zu erklären, warum ihre Noten nicht so gut sind«, sagt Schweiger mit einem lachenden und einem weinenden Auge: »Sie haben nach dem Praktikum ein Jobangebot des Unternehmens angenommen und studieren in diesem Semester quasi berufsbegleitend. Es kommt oft vor, dass Unternehmen unsere Studierenden direkt übernehmen.« Das gelte nicht nur fürs Personalmanagement, ergänzt die Akademische Leiterin Beate Huber: »Im Studienbereich Financial Management bleibt ein Großteil der Studierenden nach ihrem Berufspraktikum im Unternehmen.« Und dabei gehe es nicht um irgendwelche Jobs, fügt sie hinzu, »sondern um Positionen bei den Big-Four-Beratungsunternehmen«.

Rutsche in die Arbeitswelt

Die hohe Zahl erwerbstätiger AbsolventInnen ist einer der Gründe, warum die FHWien der WKW 2020 beim Hochschul-Ranking UMultirank in der Kategorie »Kontakt zur Arbeitswelt« unter die 25 besten Hochschulen der Welt gereiht wurde. Auch dank der Pflichtpraktika und der vielen nebenberuflich Lehrenden übertraf die Wiener Hochschule rund 1.800 internationale Mitbewerber. »Wir wurden mehrfach gefragt, ob wir den Wert richtig eingegeben haben«, schmunzelt Huber noch heute über die Reaktion auf den hohen Anteil von PraktikerInnen in der Lehre. Ebenso beeindruckend sind die rund 50 Praxisprojekte im Jahr: Aktuell entwickeln 100 Studierende des Bachelor-Studiengangs Unternehmensführung – Entrepreneurship eine Roadmap, um eine CO2-Bilanz für das AKH – das größte Krankenhaus Österreichs – zu erstellen. Die BLAGUSS Gruppe hat 34 Studierende des berufsbegleitenden Master-Studiengangs Marketing & Salesmanagement eingeladen, eine qualitative Marktforschungsstudie für sie durchzuführen. Mehr verraten darf Claudia Pich, Leiterin Marketing & Kommunikation bei BLAGUSS, die die Studierenden beim Praxisprojekt begleitet, vor der Ergebnis-Präsentation Ende Mai nicht. Von der »Professionalität der Studierenden« ist sie aber schon jetzt so begeistert, dass aus ihrer Sicht »diesem Projekt noch weitere folgen könnten«.

Praxisprojekte

  • 50 Praxisprojekte 2022/23
  • 505 Praxisprojekte mit Unternehmen in den letzten 10 Jahren

Career Center

Seit dem Start des Career Centers im Jahr 2018 wurden über 10.400 Mal Studierende bzw. AbsolventInnen der FHWien der WKW mittels eines Inserats auf der Online-Jobplattform der FH gesucht. Das ist also die Zahl aller bisherigen Stelleninserate im Career Center.

Aktuell sind 1.850 Studierende und Alumni im Career Center registriert. (Stand April 2024)

Beim Career Day treffen jedes Jahr rund 40 Unternehmen auf rund 400 Jobsuchende.

Netzwerken als A und O

Bei ManagerInnen wie Pich einen positiven Eindruck zu hinterlassen, ist nur eine Chance, die solche Praxisprojekte den Studierenden bieten. Dazu kommen die Netzwerke der Studierenden untereinander. »Wenn Menschen in Kleingruppen verbunden sind, können sie sich auch in Krisenzeiten gegenseitig stärken«, weiß Beate Huber. Und Paul Blaguss bestätigt: »Im Tourismus ist Netzwerken das A und O. Ich lebe von Leuten, die ich kenne, von Chancen, die ich entdecke, und die FHWien ist in dieser Hinsicht eine gute Drehscheibe.« Er selbst sei bis heute mit jener Gruppe befreundet, die ihn auch während seines Studiums begleitet habe. Und auch später habe er immer wieder Kontakte an der FHWien geknüpft. Junge »AbsolventInnenkollegen«, wie er sie nennt, hätten bei ihm einen Startvorteil: Wenn sich bei mir jemand mit einer Visitenkarte vorstellt, auf der FHWien draufsteht, ist das ganz klar in Opener.«

Hingehen, netzwerken, anpacken

»Praxisbezug« … klingt trotzdem irgendwie abstrakt? Auf diesen Fotos sieht man, wie viel Spaß den Studierenden der FHWien der WKW das Lernen vor Ort bereitet.

Text: Maya McKechneay

»Gastronomisch spielen wir in der Champions League«

Viktoria Brantl und Birgit Reitbauer: Zwei Touristikerinnen aus unterschiedlichen Generationen diskutieren die Herausforderungen und Chancen der Branche.

Gesprächsmoderation: Eva Baumgardinger

Die Gastronomie hat recht unkonventionelle Arbeitszeiten. Wie können wir uns Ihren typischen Arbeitsalltag vorstellen?

Birgit Reitbauer: Mein Arbeitstag beginnt um 6.30 Uhr. Wir haben drei Kinder. Die Großen sind 20 und 18 Jahre alt und selbstständig, die Jüngste bringe ich mit dem Fahrrad zur Schule und bin um acht Uhr im Büro. Vormittags erledige ich Büroarbeiten, ab 11.30 Uhr sind mein Mann und ich dann im Mittagsservice. Um 15 Uhr klinke ich mich aus, nehme Außentermine wahr, begrüße und verabschiede die Kinder oder bringe sie zu ihren Freizeitaktivitäten. Um 18.30 Uhr geht es mit dem Abenddienst weiter. Mein Arbeitstag endet zwischen Mitternacht und ein Uhr früh, um halb zwei bin ich im Bett.

Viktoria Brantl: Auch ich bin ein früher Vogel. Derzeit absolviere ich ein Service-Praktikum in einem Innenstadthotel, meine Frühschicht beginnt um sechs Uhr und endet um 16.30 Uhr, danach habe ich eine kurze Pause, bevor ich meinen zweiten Job in einem kleinen Feinkostladen im ersten Bezirk antrete. Mir gefällt die Mischung – die große Hotelkette auf der einen und das kleine, spezialisierte Einzelhandelslokal auf der anderen Seite. In der Gastronomie arbeitet man viele Stunden, aber das Schöne ist: Du hast das Work-out direkt in der Arbeit. Man läuft unglaublich viel durchs Haus.

Reitbauer: Ja, das klingt vielleicht seltsam für jemanden, der nach acht Stunden Büroarbeit erschöpft ist. Aber wir sind es gewohnt, ständig in Bewegung zu sein.

Man hört heraus, dass Sie beide sehr belastbar sind. Wird dieses Pensum trotzdem manchmal zu viel?

Brantl: Das Arbeitspensum ist für mich nie das Problem. Anstrengend wird es, wenn es emotional stressig wird; mit den Gästen oder mit den Kolleginnen und Kollegen Konflikte lösen, mit schwierigen Charakteren umgehen und das dann nach Feierabend abschütteln können, das ist manchmal nicht so einfach.

Reitbauer: Bei jedem hakt es mal. Wobei ich sagen muss, dass es auch eine Frage des Zulassens ist. Als Chefin muss ich sowieso anders agieren, weil ich auch eine Vorbildfunktion habe und mich oft zurücknehmen muss. Wenn ich einen schlechten Tag habe, interessiert das weder die Gäste noch die MitarbeiterInnen. Der Gast zahlt, das Team geht manchmal über seine Grenzen. Beide haben es verdient, eine freundliche Chefin zu erleben. Es ist eine Frage der Routine und der Erfahrung, Dinge runterzuschlucken, wenn man sich ärgert.

Stichwort Team: Was macht einen guten Mitarbeiter, eine gute Mitarbeiterin aus?

Reitbauer: Leistungsbereitschaft ist ein großes Thema. Ich bin bei Vorstellungsgesprächen immer ganz offen und beschönige nichts. Der Job, den wir im Steirereck machen, ist erfüllend, lustig, aber auch hart. Wenn man es mit der Fußballwelt vergleicht: Das Steirereck spielt in der Champions League. Wenn ich dabei sein möchte, muss mir klar sein, dass viel Leistung und Einsatz gefragt sind. Unseren Leuten ist das bewusst, die wollen in der Topliga spielen.

Brantl: Da kann ich nur zustimmen. Mein Professor für Hotelmanagement hat immer gesagt: It’s not about the skill, it’s about the will. Wenn der Wille da ist, kann man darauf aufbauen. Umgekehrt wird es schwierig.

Frau Reitbauer, hat auch das Steirereck, das in der gastronomischen Champions League spielt, mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen?

Reitbauer: Den haben wir bei uns in Wien eigentlich nie gespürt. Am Pogusch ist das schon etwas anderes. Da haben wir im vergangenen Jahr die Öffnungszeiten geändert, jetzt haben wir von Mittwoch bis Samstag geöffnet und sonntags geschlossen. Das ist gut für unser Team, denn die Gastronomie ist grundsätzlich ein familien- und freundschaftsfeindliches Geschäft. Wir hatten und haben immer gute Leute und oft auch einen Riesenspaß – das ist in der Spitzengastronomie nicht selbstverständlich. Bei uns dürfen die MitarbeiterInnen auch mit den Gästen Schmäh führen – natürlich immer auf einer sehr freundlichen, intellektuellen und respektvollen Ebene. Wir hören oft von Gästen: Ich hätte nicht gedacht, dass es bei euch so entspannt zugeht. Aber wir hatten natürlich auch schon MitarbeiterInnen, zu denen wir nach zwei, drei Monaten Zusammenarbeit sagen mussten: Ich glaube, wir passen nicht zusammen.

Frau Brantl, was macht für Sie einen guten Chef oder eine gute Chefin aus?

Brantl: Zum einen eine offene Kommunikation mit funktionierender Fehlerkultur. Zum anderen sollten gute ArbeitgeberInnen zeitliche Flexibilität bieten. Als Arbeitnehmerin bin ich bereit, alles zu geben und Überstunden zu machen. Diese Flexibilität braucht es auch bei den ArbeitgeberInnen, zum Beispiel bei der Urlaubsplanung. Ich würde sagen: Es ist ein Geben und Nehmen.

Das Motto der FHWien der WKW, an der Sie beide studiert haben, lautet »Die Praxis studieren«. Wie gut funktioniert das im Bachelor-Studiengang Tourismus-Management?

Brantl: Sehr gut. Um den Praxisanteil zu stärken, gibt es seit dem Wintersemester eine duale Variante des Studiengangs. Man kann jetzt wählen zwischen einem Vollzeitstudium und einer dualen Variante, bei der man ab dem zweiten Studienjahr die Hälfte der Woche in einem Unternehmen arbeitet. Das ist optimal, weil man das, was man lernt, gleich aktiv in die Arbeit einfließen lassen kann. Und es hat natürlich auch finanzielle Vorteile, wenn man die Hälfte der Woche Geld verdienen kann.

Reitbauer: Ich war vor 30 Jahren im allerersten Jahrgang des Studiums und kam schon mit einer soliden Praxiserfahrung, weil ich vorher eine Tourismusschule absolviert hatte. Seit meinem 15. Lebensjahr arbeite ich aktiv in der Gastronomie, war also schon sehr weit, als ich die FH begann. Aber das ist alles schon sehr lange her und ich bin mir sicher, dass sich in der Ausbildung viel verändert hat …

Brantl: Ja, vieles ist heute wohl anders, aber eines ist gleich geblieben: Es gibt noch immer viele Studierende, die zum Beispiel eine Gastronomielehre absolviert und sich danach bewusst für in Studium entschieden haben. Die kennen die Branche schon und bringen viel Wissen mit. Es gibt großen Andrang und viele BewerberInnen.

Frau Reitbauer, haben Sie nach 35 Jahren in der Gastronomie ein Lebensmotto, das Sie in beruflichen Dingen begleitet?

Reitbauer: Ich bin ein Mensch, der nie darüber nachdenkt, was nicht geht. Das hat mir zum Beispiel während der Pandemie sehr geholfen. Ganz am Anfang war nicht klar, ob es überhaupt Hilfen geben würde, da war die Verunsicherung bei 150 MitarbeiterInnen natürlich schon groß. Aber es war uns bewusst: Unser Team war so oft für uns da und hat alles mitgetragen – wenn es bei einer Veranstaltung später wurde oder bei Diensten an Weihnachten und an Wochenenden. Da muss man auch als Unternehmerin sagen: Wir probieren das jetzt aus und entlassen niemanden. Bei dieser Anzahl an MitarbeiterInnen ging es um eine Riesensumme. Die Corona-Zeit hat uns viel abverlangt, aber es ist auch viel Schönes passiert, im Team und mit den Gästen.

Birgit Reitbauer

(Jahrgang 1974) führt gemeinsam mit ihrem Mann Heinz das Haubenrestaurant »Steirereck« in Wien, das aktuell auf Platz 17 der 50 besten Restaurants weltweit rangiert (www.theworlds50best.com).

Gegründet wurde das Lokal 1970 von Heinz Reitbauers Eltern, 2005 erfolgte die Übersiedlung in den Stadtpark. Kulinarisch setzt das Steirereck auf regionale und steirische Küche. Die eigene Landwirtschaft am Pogusch konzentriert sich aufgrund der Lage auf 1.100 m Seehöhe auf Viehzucht. Seit dem letzten großen Umbau 2021 ist der Pogusch eine aktive Kreislaufwirtschaft und fast vollständig energieautark.

Viktoria Brantl

(Jahrgang 1997) studiert Tourismus-Management an der FHWien der WKW und arbeitet in einem Wiener Hotel.

In ihrem Zweitjob arbeitet sie in einem Feinkostgeschäft in der Wiener Innenstadt.

Wir gratulieren

Was wäre die FHWien der WKW ohne ihre PartnerInnen und UnterstützerInnen? Vier Wegbegleiter aus Politik und Wirtschaft wünschen an dieser Stelle alles Gute.

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