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studio! Ausgabe 3/2018

Cover Story: Einfach leiwand

Kulturmetropole, Touristenmagnet und attraktiver Wirtschaftsstandort: Seine vielen Facetten machen Wien für internationale Konzerne und Studierende attraktiv. studio! gibt Einblick in die lebens- und liebenswerte Großstadt.

von Emily Walton

Bevor Afzal Ahmad, Programmierer aus Pakistan, sich für einen Job in Österreich bewarb, blickte er zunächst auf die Landkarte: Wien – die Lage der Stadt gefiel ihm. »Wien liegt mitten in Europa, das habe ich sehr ansprechend gefunden«, erinnert sich der 26-Jährige. Zuvor hatte er fast zwei Jahre in Estland verbracht, eine schöne Zeit, doch das Wetter war kühl und es gab wenig Tageslicht. »Wien reizte mich«, so Ahmad.

Nach eineinhalb Jahren in Wien schätzt er zwar auch das Klima, tatsächlich ans Herz gewachsen ist ihm die Stadt aber wegen der Kultur und des internationalen Flairs. »Es ist so einfach, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Und man trifft Leute aus der ganzen Welt«, sagt Ahmad. Er lernt gerade Deutsch, hatte bislang aber keine Probleme, sich ausschließlich auf Englisch zu verständigen. »Das habe ich in anderen Ländern so nicht erlebt«, schwärmt er.

Wohlfühl-Wien

Wien wurde nicht umsonst zum neunten Mal an die Spitze des Mercer Rankings »Quality of Living« gewählt: »Die Lebensqualität ist hoch, es gibt bezahlbaren, verfügbaren und schönen Wohnraum, Verkehr und Logistik sind sehr klug gelöst«, sagt Dorothee Ritz. Die Geschäftsführerin von Microsoft Österreich kommt aus Deutschland und lebt nun seit drei Jahren in Wien. »Es bleibt hier wirklich nichts zu wünschen übrig. Das Essen ist herrlich, das Kulturangebot ausgezeichnet, zudem schätze ich das Angebot für meine Kinder«, so die Managerin, die auf Grund ihrer Tätigkeit beim internationalen IT-Konzern bereits an vielen Orten gelebt hat. Rund 20 Prozent ihres Teams in Wien stammt aus dem Ausland.

Wien zieht viele Einzelpersonen an – ob zum Studium oder zur Arbeit. Zum internationalen Flair tragen aber auch die zahlreichen internationalen Betriebsansiedlungen bei. 2017 siedelten sich in Wien 191 internationale Betriebe an, die 1.087 Arbeitsplätze geschaffen haben. »Wien hat sich über die Jahre zum internationalen Hub entwickelt. Bereits in den 1970er-Jahren errichtete die UNO ihr Headquarter – das bislang einzige in der EU – in Wien, es folgten über 30 weitere internationale Organisationen«, berichtet Sabine Ohler, Abteilungsleiterin für International Business in der Wirtschaftsagentur Wien. Neben UNO, OPEC, OSZE und Co. sind in der Bundeshauptstadt über 200 internationale Headquarters angesiedelt, hinzukommen Botschaften von 120 Staaten der Welt.

(c) Getty Images

Drehscheibe zwischen West und Ost

Amsterdam, Berlin, Dublin. Natürlich, sie alle sind für internationale Konzerne interessant. Wie setzt sich also Wien gegen die Konkurrenz durch? »Wien ist für internationale Betriebe strategisch interessant«, sagt Ohler: »Die zentrale Lage im Herzen Europas bietet viele Vorteile. Wien ist eine Drehscheibe zwischen dem Westen und dem Osten.« Ein Grund, weshalb im Office von Microsoft Österreich auch sehr viele KollegInnen für Microsoft Central Eastern Europe arbeiten. »Diese geografische Lage ist für uns sehr wichtig«, betont Ritz.

Von Wien aus kann in nur drei Flugstunden jede Hauptstadt in Europa erreicht werden – für Geschäftsleute ein wertvolles Asset, für Freizeitreisende ein großer Komfort. Doch nicht nur die Flugverbindungen sprechen für Wien, der Flughafen ist auch hervorragend an die Innenstadt angebunden. »Gerade die Infrastruktur ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Wien«, erklärt Anne Busch, Inhaberin der neuen Stiftungsprofessur »Microeconomics of Competitiveness – Wettbewerbsfähigkeit von Standorten« an der FHWien der WKW, die von der Wirtschaftskammer Wien finanziell getragen wird. »Die geographische Nähe von Wirtschaftsakteuren wie Zulieferbetrieben, Partnerunternehmen und Forschungseinrichtungen reduziert die Kosten für Transport und Kommunikation«, so Busch.

(c) Getty Images

Vielversprechendes Talent

Nicht zu vernachlässigen ist das Knowhow, das in Wien vorhanden ist. Wien ist der größte Universitätsstandort im deutschsprachigen Raum: Rund 195.000 Menschen studieren in Wien, gefolgt von 175.000 in Berlin und 115.00 in München. »Viele Studierende kommen aus dem CEE-Raum, sie sprechen zahlreiche Sprachen und haben eine kulturelle Affinität zu Osteuropa. Diese topqualifizierten Leute sind ein großer Anreiz für Firmen aus Übersee, die den osteuropäischen Markt bearbeiten wollen«, sagt Sabine Ohler von der Wirtschaftsagentur Wien.

In den einzelnen Wiener Forschungseinrichtungen wird globaler Austausch groß geschrieben: »Ich erlebe unseren Research Cluster SMEs & Family Businesses hier an der FHWien als sehr international. Wir profitieren von einem weltweiten Forschungsnetzwerk, zu dem die Harvard Business School wie auch die Universität St. Gallen zählen«, schildert Wirtschaftswissenschaftlerin Busch.

Ankommen in Wien

Für Personen, die aus dem Ausland nach Wien ziehen, ist vor allem wichtig, wie sie empfangen werden und wie leicht sie Anschluss zu Einheimischen sowie anderen Expats finden. Barbara Good, Head of International Affairs an der FHWien der WKW, ist Mitorganisatorin des Netzwerks »Internationals in Wien« – einer Gruppe, die über die Plattform »Meetup« Treffen organisiert. Inzwischen zählt die Gruppe 9.000 Mitglieder, freilich sind nicht alle aktiv. »Wir richten uns nicht nur an Personen, die von ihrer Firma nach Wien geschickt worden sind, sondern an alle, die sich ein internationales Umfeld wünschen«, sagt Good. Berufstätige aus anderen Staaten, Studierende, ForscherInnen und auch Flüchtlinge sind darunter. »Ziel ist es, Freundschaften entstehen zu lassen«, erklärt Good, die selbst aus der Schweiz kommt. So werden etwa Wanderungen und Laufgruppen organisiert, man trifft sich zu After-Work-Drinks oder beim »German Language Café«, um die Deutschkenntnisse zu verbessern.

Auch Afzal Ahmad hat über dieses Netzwerk viele Freunde gefunden. »Wenn man dann auch noch etwas ausgeht, etwa in die Beach Pubs am Donaukanal, kann man sehr viele interessante Menschen treffen«, so der IT-Experte.

(c) Getty Images

Vernetzen in der neuen Heimat

Wer in eine neue Stadt kommt, muss nicht nur Kontakte knüpfen, sondern auch organisatorische Hürden bewältigen. Viele Expats werden nur für eine begrenzte Zeit von großen Konzernen entsandt und bringen ihre Familie mit. Fremdsprachige Schulen müssen dann gefunden werden (in Wien gibt es 14 internationale Schulen), Ärzte, die einen verstehen, und Wohnungen. »Als Standortagentur bringen wir nicht nur internationale Betriebe nach Wien, sondern sind auch die erste Anlaufstelle für Expats bei ihrer Ankunft in der Stadt«, sagt Ohler. Im Expat Center der Wirtschaftsagentur Wien bietet ein internationales Team kostenfreie Beratung rund um den Start in Wien. Im dazugehörenden Expat Club treffen sich Menschen aus aller Welt, darunter auch ÖsterreicherInnen, die mehr Internationalität in ihren Alltag bringen möchten. »Rund ein Drittel der Mitglieder sind ›internationally minded locals‹«, berichtet Ohler. Gemeinsam machen sie auch Ausflüge zu versteckten Orten in Wien, besuchen Firmen, Friedhöfe oder Tanzkurse. Es entstehen internationale Freundschaften und ein Gefühl der globalen Vernetzung kommt auf. Man muss kein Expat sein, um das internationale Wien zu erleben und zu lieben.

(c) Christoph Liebentritt