»Vorsteher« oder »Lehrmeister« bedeutet der lateinische Name Praeceptor. Der Stammbaum der Familie Praeceptor lässt sich bis ins 15. Jh. zurückverfolgen, bis auf den Vorsteher einer Kunstschule. Irgendwann muss die Berufsbezeichnung zum Eigennamen mutiert sein, so wie Müller oder Schuster im Deutschen. Nur bei Weitem exklusiver – Beatrix Praeceptor ist eine von ganz wenigen Menschen weltweit, die diesen Namen heute noch tragen. Und seit Mai 2023 steht die 57-Jährige tatsächlich jemandem vor, nämlich den fast 4.900 MitarbeiterInnen von Greiner Packaging, einem österreichischen »Hidden Champion«, der 2023 einen Umsatz von 845 Millionen Euro erwirtschaftete.
Nomen est Omen?
Ist also in diesem Fall Nomen wirklich gleich Omen? Es schaut fast so aus. Als »Lehrmeisterin« sieht sich die Topmanagerin dennoch nicht: »Im Management braucht es heute Teamcoach-, Mentor- und Mediator-Qualitäten. Den allwissenden Boss gibt’s nicht mehr.« Dafür sei die Bandbreite dessen, was man wissen müsste, viel zu groß geworden. Extrem wichtig sind ihr Transparenz und Ehrlichkeit: »Eine Entscheidung – egal, ob eine beliebte oder weniger beliebte – ist für mich erst dann gut genug, wenn ich den Menschen erklären kann, warum ich sie getroffen habe.«
Dass sie in die erste Reihe wollte, wusste die gebürtige Wienerin eigentlich schon immer. Nur dort, so war sie sich sicher, hat man die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, die einen Fußabdruck hinterlassen. Die Schwierigkeiten, die mit der hohen Verantwortung einhergehen, spornen Praeceptor dabei erst so richtig an: »Da gilt es so viele verschiedene strategische Themen – kurzfristige, mittelfristige, operative – zu lösen und unglaublich viele Faktoren zu berücksichtigen. Mit diesem Gesamtbild vor Augen die bestmögliche Entscheidung zu treffen, finde ich faszinierend. Das ist in Summe eine Komplexität, die mir wahnsinnigen Spaß macht.«
»Gamechanger« FH-Studium
Der mächtige Drang, zu gestalten und konkrete Probleme zu lösen, mag ein Grund dafür sein, dass der Bildungsweg der Spitzenmanagerin untypisch verlief. Nach der Matura inskribierte sie an der WU Wien, konnte mit den abstrakten Themen aber nichts anfangen und startete stattdessen sofort in der Praxis als Einkäuferin bei Philips.
Erst zehn Jahre später ergab sich die Gelegenheit, an der FHWien der WKW berufsbegleitend das Studium Unternehmensführung zu beginnen. Ein »Gamechanger«, wie Praeceptor heute sagt: »Alle Studierenden waren aus Unternehmen. Die wussten also, wie Theorie und Praxis zusammenhängen, und auch die Vortragenden waren sehr praxisbezogen. Mit vielen bin ich heute noch in Kontakt und das, was ich an der FH gelernt habe, wende ich noch täglich an.«Zusätzlich passte das FH-Studium perfekt in die Lebensplanung der damals 30-Jährigen. Ihre drei Kinder kamen während der fünf Studienjahre zur Welt. Der Älteste hat mittlerweile das gleiche Studium wie seine Mutter erfolgreich abgeschlossen und eine Karriere als Sales Manager bei Dyson gestartet. Darauf ist die Mama stolz.
Einen ganzen Sonntag Serien schauen
Und was rät Beatrix Praeceptor heutigen Studierenden, die noch zögern, ob eine Industriekarriere für sie das Richtige ist? Da sei sie voreingenommen, weil sie immer irgendwo habe arbeiten wollen, wo ein Produkt entsteht, das man angreifen kann, sagt sie. Generell aber gelte: »Es ist viel besser, Teil der Lösung zu sein, als von außen zu kritisieren. In der Industrie kann man beeinflussen, welche Produkte und wie diese Produkte produziert werden. Für Frauen gibt es ganz besonders viele Karrieremöglichkeiten, denn die meisten Unternehmen wissen, dass sie diverser werden müssen.«
Den Schritt in die allererste Reihe bei Greiner Packaging nennt Beatrix Praeceptor »die wahrscheinlich beste Karriereentscheidung« ihres Lebens. Früher habe sie immer scherzhaft gesagt, als CEO müsse man ja nicht mehr richtig arbeiten: »Das stimmt natürlich nicht. Es ist anders und erfordert ein hohes Maß an Komplexitäts- und Peoplemanagement. Als Ausgleich kann ich aber auch leidenschaftlich einen ganzen Sonntag lang mit der Familie Serien schauen.«
Zur Person
Beatrix Praeceptor (57) ist seit Mai 2023 CEO von Greiner Packaging. Zuvor war sie in Führungspositionen im Einkauf bzw. Supply Chain Management bei Mondi, Lafarge und Philips tätig. Nebenberuflich engagiert sich die Mutter von drei Kindern als Beiratsmitglied bei Teach For Austria und als Mentorin für Frauen. Von 1997 bis 2001 studierte sie an der FHWien der WKW Unternehmensführung.
Greiner Packaging
- stellt Kunststoffverpackungen her, etwa für Lebensmittel oder Hygieneartikel
- ist neben Greiner BioOne und NEVEON Teil der oberösterreichischen Greiner Gruppe
- 4.892 MitarbeiterInnen (2023)
- 30 Standorte in 19 Ländern, Hauptsitz Sattledt
- Umsatz 2023: 845 Mio. Euro
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