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STUDIO! Ausgabe 3/2024

Im Interview: Gerhard Berger »Auf der Rennstrecke kann man so viel lernen!«

Rennsportlegende, Formel-1-Manager, Transportunternehmer: Gerhard Berger erfand sich immer wieder neu – doch seiner großen Leidenschaft, dem Motorsport, ist er in allen Lebenslagen treu geblieben.

Interview: Josef Puschitz

Mit Rennfahrern verbindet man landläufig die Liebe zur Geschwindigkeit. Wie schnell muss man Aufträge in der Transportbranche erledigen, Herr Berger?

Gerhard Berger: Hier hat die Geschwindigkeit positive und negative Seiten: Gerade, wenn man viel Routine hat, arbeitet man oft schnell – hier sehe ich die Gefahr der Oberflächlichkeit. Dieselbe Oberflächlichkeit passiert, wenn man zu wenig in einem Thema drin ist und deshalb schnell macht. Anders ist das beim Erhöhen der Geschwindigkeit durch Anwenden neuer Technologien, wie künstlicher Intelligenz.

Sie waren von klein auf mit Technik konfrontiert, im Umfeld des elterlichen Betriebs waren Autos und Motorräder allgegenwärtig. Entzündete sich hier Ihre Begeisterung für eine Motorsportkarriere?

Berger: Als Transportunternehmer hatte mein Vater schon immer einen Hang zu schönen Autos, und er hat auch meine Begeisterung als Kind zunächst gefördert und mich zu Rennen mitgenommen, etwa zum Motorrad-Grand-Prix am Salzburgring. Erst als ich dann einen Fuß in der Tür hatte und die ersten Rennen gefahren bin, war er nicht mehr ganz so begeistert. Er hat in mir nicht den Wettkämpfer, sondern den Nachfolger im Unternehmen gesehen, mit schulischer Ausbildung und seriöser Entwicklung zum Jungunternehmer. Das war bloß überhaupt nicht meine Intention.

Ihr Vater hätte Sie lieber mit höherer Bildung gesehen, stattdessen absolvierten Sie eine Mechaniker-Lehre. Im Rückspiegel betrachtet, hätten Sie ihm folgen sollen?

Berger: Die Schule war nie richtig mein Ding. Dabei ist eine gute Ausbildung die Grundlage für so viele Bereiche des Lebens und der Arbeit. Im Nachhinein habe ich bereut, meine Ausbildung nicht mehr forciert zu haben. Bloß war das mit einer Rennsportkarriere damals nicht vereinbar – und ist auch bis heute schwierig. Ich sehe an meinem achtjährigen Sohn, wie schwierig es ist, einen seriösen Bildungsweg mit einer gleichzeitigen Ausbildung und Entwicklung zum Spitzensportler zu kombinieren – in seinem Fall der Kart-Rennsport. Es gibt für solche Entwicklungen kein durchdachtes Konzept – ich bin aber davon überzeugt, dass es auch auf der Rennstrecke und in der Entwicklung eines jungen Motorsportlers sehr viel zu lernen gibt.

© WEST Fotostudio

Was haben Sie in Ihrer langjährigen Rennsportkarriere gelernt, das Ihnen heute noch in der Geschäftswelt Vorteile verschafft?

Berger: Das hat bei der Sprache angefangen: Die Mechaniker konnten nur Italienisch, die offizielle Rennsprache war Englisch und selbst hat man sich auch noch auf Deutsch verständigt. Da war man den ganzen Tag gefordert, die Kommunikation aufrechtzuerhalten und im Gespräch zu bleiben. Der zweite wichtige Aspekt war der Umgang mit Daten – im Rennstall dreht sich bei den Ingenieuren alles nur um Daten, wie sie ausgewertet und in die Praxis übersetzt werden können. Das Verständnis für die Bedeutung von Datenanalyse begleitet mich bis heute. Von der körperlichen Fitness gar nicht zu sprechen – ohne die geht im Motorsport gar nichts. Das fordernde Training hatte den Bonuseffekt, dass man am Abend so müde war, dass man gar keine Energie mehr hatte, Blödsinn anzustellen (lacht).

Statt Blödsinn zu treiben, konnten Sie in Ihrer aktiven Motorsportkarriere große Erfolge einfahren. Wann war für Sie der Zeitpunkt erreicht, dem Rennzirkus Lebewohl zu sagen?

Berger: Es war keine einfache Entscheidung. Den richtigen Moment zu finden, in dem man sagt: »Ich verabschiede mich von meiner größten Leidenschaft«, gelingt den wenigsten. Mir hat mein Körper irgendwann signalisiert, dass die Batterien leer sind. Den Absprung habe ich dann gut geschafft und auch in meiner letzten Saison noch ein Rennen gewonnen. Auch beim allerletzten Rennen war ich vorne mit dabei und habe den Sieg nur um 3 Sekunden verpasst – das war schon eine gewisse Genugtuung, sich so verabschieden zu können. Andere verzögern den Ausstieg wieder und wieder und geraten dadurch ins Hintertreffen.

Sie hingegen sind nach der aktiven Sportkarriere noch mal durchgestartet, zunächst in verschiedenen Funktionen hinter den Kulissen des Rennsports, dann in der Leitung der Berger Gruppe. Hat Sie da dieselbe Leidenschaft wie für den Motorsport gepackt?

Berger: Meine wahre Leidenschaft ist und bleibt der Motorsport, alles andere sind Geschäfte, die ich aus meiner Leitungsposition möglichst gut führe. Leidenschaftlicher Logistiker bin ich keiner, aber ich habe Leute gefunden, die diese Leidenschaft ins Unternehmen einbringen. Schließlich ist Leidenschaft auch in der Wirtschaft die stärkste Triebfeder – und nur mit ihrer Hilfe sind die Herausforderungen einer harten Branche wie der Transportlogistik mit ihren kleinen Margen zu bewältigen.

Sprechen wir über diese Herausforderungen. Was bereitet Ihnen im Unternehmensalltag zurzeit das größte Kopfzerbrechen?

Berger: Umweltschutz ist eine große Herausforderung: Jeder will Nachhaltigkeit, aber der Wille, die Kosten dafür zu tragen, hält sich in Grenzen. Gerade nach Corona war es schwierig, Personal zu finden. Auch die Arbeitsbereitschaft hat sich verändert. Es ist generell ein Problem, motivierte junge Leute und Lehrlinge zu finden. Das ist besonders deshalb schwierig, weil wir uns im Konkurrenzkampf mit anderen Kontinenten befinden, wo eine sehr ausgeprägte Arbeitsbereitschaft herrscht. Aber – mehr Stunden und mehr Tage zu arbeiten und damit die internationale Konkurrenzfähigkeit zu steigern, hat dann auch wieder Einschränkungen unseres Wohlstands zur Folge, an dem wir verständlicherweise festhalten wollen.

Wie schwer ist es derzeit, MitarbeiterInnen für die Transportbranche zu finden?

Berger: Früher konnte man als Fernfahrer gutes Geld, aber auch Anerkennung verdienen. Der Job war und ist hart. Die Arbeitsbedingungen sind schwierig: Unter anderem stehen sie tagelang in Staus, haben Schwierigkeiten, irgendwo eine Toilette zu finden, und werden in der öffentlichen Wahrnehmung als Mitverursacher des Klimawandels gesehen. Das alleine stellt schon eine Herausforderung dar. Dabei machen sie ja nur ihren Job und bringen uns täglich Brot und Milch. Keine Frage, dass die Branche effizienter werden kann – aber ihr aktuelles negatives Image schmerzt mich.

Wo sehen Sie denn Optimierungspotenzial in der Logistik?

Berger: Den Ausbau des Bahnnetzes in Abstimmung mit unseren Nachbarländern voranzutreiben – das wäre wesentlich! Da passiert zwar schon einiges, aber viel zu langsam und nicht in dem Ausmaß, das notwendig wäre. Es ist außerdem wichtig, auf der Straße die neueste Technologie einzufordern und zu nutzen. Eines unserer Unternehmen, die Berger Fahrzeugtechnik, baut Aufleger für schwere LKW, die eine zusätzliche Nutzlast von bis zu 1,5 Tonnen erlauben – damit spart man im schweren Gütertransport jeden zehnten LKW ein. Potenzial für CO2-Reduktion gibt es einiges. Die Frage ist nur: Wo fängt man an und in welche Entwicklungen steckt man sein Geld?

Mit Themen wie diesen musste sich Ihr Vater seinerzeit noch nicht beschäftigen. So wie er müssen Sie sich aber auch um die Nachfolge Gedanken machen.

Berger: Lustigerweise stecke ich jetzt im selben Dilemma wie er damals. Mein Sohn wäre der ideale Nachfolger für meine Betriebe. Und so gerne ich auch mit ihm zur Kartstrecke gehe und ihm alles weitergeben möchte, was ich als Rennfahrer gelernt habe – ich weiß auch, dass er mit einem Studium die wesentlich besseren Karrierevoraussetzungen hätte. Langfristig gesehen wäre das die richtige Entscheidung für unser Familienunternehmen.

© Gettyimages/Paul-Henri Cahier

Zur Person

Gerhard Berger wurde 1959 in Wörgl in Tirol geboren. Der Sohn eines Logistikunternehmers fuhr zwischen 1984 und 1997 insgesamt 210 Rennen in der Formel 1 und verstärkte unter anderem die Teams bei Ferrari, Benetton und McLaren. Für die unterschiedlichen Rennställe fuhr er in Summe zehn Mal auf den ersten Platz. 1998 bis 2003 war Berger Motorsportdirektor von BMW, 2006 bis 2008 zudem Mitbesitzer des Formel-1-Teams Toro Rosso, an dem auch Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz beteiligt war. Schon 1996 wurde Berger Alleineigentümer der Berger Beteiligungsgesellschaft, die auf die Firmengründungen seines Vaters Johann Berger aufbauen konnte.

Die Berger Beteiligungsgesellschaft

Mit dem Firmensitz ist Gerhard Berger seinen Wurzeln treu geblieben: Die Berger Beteiligungsgesellschaft m.b.H. hat ihr Hauptquartier in seinem Tiroler Geburtsort Wörgl aufgeschlagen. Von dort aus werden drei Unternehmen geleitet: BERGERecotrail, das Spezialanfertigungen für Transportfahrzeuge produziert, Berger Truck Service, ein Wartungs- und Reparaturunternehmen, sowie das Familienflaggschiff Berger Logistik mit über 600 Angestellten. Über Bewerbungen von »leidenschaftlichen« FH-AbsolventInnen freut sich Berger besonders.