Viele Unternehmen kämpfen aktuell mit Fachkräftemangel. Das wirkt sich auch auf ihre Rekrutierungsmethoden aus. Zwei Ansätze werden momentan unter den Schlagworten »Skills-based Hiring« und »Hire for Attitude« gehypt. Beide haben ihre Stärken und Schwächen, die Organisationsberater Andreas Geiblinger beleuchtet.
Skills-based Hiring
Skills-based Hiring – diesen Ansatz gibt es laut Geiblinger schon lange, auch wenn die Bezeichnung früher nicht geläufig war. Vielmehr wird seit Jahren unter der Überschrift »Fähigkeiten« von Personalabteilungen definiert, was abgesehen von formellen Qualifizierungen und Weiterbildungen für eine Funktion benötigt wird. Gegenüber Trendvokabeln ist der Organisationsberater skeptisch, kann jedoch bestätigen: Die Gewichtung verschiebt sich in den Personalabteilungen in Richtung konkreter Fähigkeiten. Bewerbungsprozesse sorgen entsprechend dafür, dass KandidatInnen ihr »Anwendungskönnen« zeigen können, etwa in Planspielen, bei denen eine Produktionslinie nachgebaut wird.
Besonders gut lassen sich vorhandene Skills im Praxiseinsatz erkennen: »Studierende von Fachhochschulen haben hier einen Riesenvorteil«, sagt Geiblinger, »weil sie im Rahmen verschiedener Studienprojekte direkt in Firmen eintauchen und ihre Fähigkeiten im Team unter Beweis stellen können.« Über 500 Praxisprojekte wurden in den vergangenen zehn Jahren in den Studiengängen der FHWien der WKW umgesetzt – für viele Studierende ein Tor zum Berufseinstieg.
Abschlüsse und formale Zeugnisse seien für eine langfristige Karriereplanung trotzdem wertvoll, ergänzt Geiblinger: »Jemand, der ein Studium abgeschlossen hat, hat bewiesen, dass er oder sie komplizierteZusammenhänge erfassen und eigenverantwortlich arbeiten kann.«
Hire for Attitude
»Der Hire-for-Attitude-Ansatz geht ergänzend davon aus, dass jeder Mensch lernen und sich weiterentwickeln kann. Vorausgesetzt, seine Einstellung macht eine solche Entwicklung möglich«, so Geiblinger.
Würden Unternehmen nur auf die formellen Qualifikationen ihrer BewerberInnen achten, entstünden blinde Flecken in der Beurteilung ihrer Kompetenzen. »Wie stark beispielsweise die emotionale Intelligenz entwickelt ist, erkennt man am besten in einem Zwie- oder Gruppengespräch«, weiß der Organisationsberater und zieht das Resümee: Bei vielen Personalentscheidungen empfiehlt sich eine Kombination beider Modelle.
Vergleich in Kürze
Skills-based Hiring – Fokus auf den Fähigkeiten
Wie funktioniert es? Unternehmen erstellen detaillierte Kompetenzprofile für jede Stelle und nutzen verschiedene Assessment-Methoden wie praktische Aufgaben oder Coding-Challenges, um die Fähigkeiten der BewerberInnen zu testen.
Vorteile:
- Höhere Passgenauigkeit: KandidatInnen werden gezielt nach ihren Fähigkeiten ausgewählt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie schnell einsatzbereit und produktiv sind.
- Objektivität: Fähigkeiten sind besser mess- und vergleichbar als Soft Skills wie die persönliche Haltung.
- Mehr Flexibilität: Hilft bei der Besetzung von technischen Positionen in Zeiten des Fachkräftemangels.
Nachteile:
- Teamfähigkeit: Wer allein diese Methode anwendet, kann nicht einschätzen, ob KandidatInnen ins Team und zur Unternehmenskultur passen.
Hire for Attitude – Fokus auf der Persönlichkeit
Wie funktioniert es? Firmen suchen Personen, die gut zur Unternehmenskultur passen. Neben dem klassischen Bewerbungsgespräch werden oft Assessment-Center und Persönlichkeitsoder Verhaltenstests eingesetzt – etwa im Rahmen eines Rollenspiels.
Vorteile:
- Bessere Integration: Mitarbeitende, die zur Unternehmenskultur passen, fühlen sich wohl und sind motiviert.
- Beste Voraussetzungen: Skills kann man sich aneignen, Attitude nicht.
Nachteile:
- Subjektivität: Die Bewertung von Persönlichkeitsmerkmalen ist oft subjektiv.
- Risiko von Fehlbesetzungen: Wenn die Unternehmenskultur nicht klar definiert ist oder sich schnell ändert, passen Personen evtl. nicht mehr ins Unternehmen.
Sicht der BewerberInnen
Wie aber stellt sich das Ganze aus BewerberInnen-Sicht dar? Welches Modell kommt welchem Persönlichkeitstyp entgegen? »Wer introvertiert ist, wird sich leichter tun mit Skillsbased Hiring. Da werden konkrete Skills abgetestet, während der Kontext eher im Hintergrund bleibt.« Bei »Hire for Attitude« sind dagegen kommunikative, aufgeschlossene Personen im Vorteil, die sich gut präsentieren können. RecruiterInnen sollten hier aber vorsichtig sein, rät Geiblinger: »Auf Extrovertierte, die sich besonders gut verkaufen können, kann man auch reinfallen.«
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