Frau Zeitlhofer, wie darf man sich das Kinderzimmer einer späteren Bereiterin der Spanischen Hofreitschule vorstellen – mit Pferde-Postern und Plastik-Ponys?
Zeitlhofer: Auf jeden Fall! (lacht) Ich liebe Pferde und überhaupt Tiere. In meinem Zimmer hatte ich immer einen Hamster oder einen Hasen, alles war voll mit Pferde- und Tierbildern, weil ich immer gern und viel gezeichnet habe. Mit sieben Jahren habe ich zu reiten begonnen, mit neun habe ich dann mein erstes eigenes Pferd bekommen.
2008 sind Sie in der Spanischen Hofreitschule als Elevin (Anm.: als Lehrling) aufgenommen worden. Seither sind fast 20 junge Frauen gekommen und wieder gegangen. Was muss man mitbringen, um die lange Ausbildung tatsächlich zu schaffen?
Zeitlhofer: Das Wichtigste ist, dass man sich von Anfang an klar macht, dass die Spanische Hofreitschule hier kein Mädchentraum ist – wir tun nicht nur ein bisschen Pferde bürsten und vor Publikum reiten. Es ist wirklich Arbeit, für die man lebt und sehr früh aufstehen muss – auch am Wochenende, wir haben hier im Grunde eine Sechs-Tage-Woche. Die erste Zeit arbeitet man nur im Stall, mistet aus, macht alle Arbeiten, die die Pfleger machen – auch das muss man kennenlernen. Das ist nicht glamourös und lustig, es ist harte Arbeit. Ohne Leidenschaft geht es nicht. Gleichzeitig ist das eine sehr schöne Zeit, denn: Der Umgang mit den Pferden ist sehr intensiv, das habe ich heute als Bereiterin gar nicht mehr so. Man verbringt viel Zeit mit den Pferden, kann sie streicheln, Beziehung aufbauen. Das macht man nur in der ersten Zeit, heute komme ich fast nur mehr zum Arbeiten her.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?
Zeitlhofer: Ich bin ungefähr um 6.30 Uhr jeden Tag da, sitze um 7 Uhr am ersten Pferd – und dann geht die Morgenarbeit durch bis etwa 13 Uhr. Halbstündlich werden die Pferde gewechselt. Täglich von zehn bis zwölf Uhr findet die Morgenarbeit vor Publikum statt. Ansonsten unterrichten wir die Elevinnen und Eleven an der Longe (Anm.: Laufenlassen des Pferdes an einer Leine in einer kreisförmigen Bahn). Wir geben also das weiter,was wir selbst gelernt haben.
Was sind Ihre Stärken bei der Arbeit mit den Pferden?
Zeitlhofer: Mir sind die Tiere irrsinnig wichtig. Ich denke, ich habe viel Gefühl für die Tiere, gehe wirklich auf sie ein und arbeite so, wie es für sie am besten funktioniert. Pferde sind sehr sensibel, sie sind eigentlich Fluchttiere. Man muss genau beobachten: Wovor erschrickt das Pferd, wo fühlt es sich wohl. Das braucht Vertrauen, das man sich erarbeiten muss. Ich denke, das kann ich ganz gut.
Gehen Männer und Frauen unterschiedlich mit Pferden um?
Zeitlhofer: Ich würde sagen, nein. Möglicherweise verhätscheln Mädchen die Tiere ein bisschen mehr, aber in der Arbeit – also beim Reiten – gibt es keine Unterschiede. Männer haben von Natur aus mehr Kraft, das heißt, dass wir mehr Technik anwenden müssen. Man muss schon körperlich sehr fit sein für die Arbeit hier.
Bei Ihrer Angelobung als Bereiterin waren Frauenministerin Oberhauser und Landwirtschaftsminister Rupprechter vor Ort. Sie waren praktisch in allen österreichischen Medien, und wenn man Ihren Namen googelt, findet man mittlerweile Medienberichte aus ganz Europa. Können Sie das große Interesse nachvollziehen? Oder empfinden Sie Ihre Arbeit hier als selbstverständlich?
Zeitlhofer: Bereiterin an der Spanischen Hofreitschule zu sein, ist für mich gar nicht selbstverständlich – aber nicht, weil ich eine Frau bin. Es ist nicht selbstverständlich, dass ich die Ausbildung geschafft habe, aber das gilt sicher auch für alle meine Kollegen. Das ist keine Lappalie. Ich bin einfach stolz und glücklich, dass mir das gelungen ist.
Wie war dieser Rummel für Sie?
Zeitlhofer: Er ist einerseits mühsam, weil er halt immer präsent ist – während ich einfach meine Arbeit machen und mich mit den Pferden beschäftigen möchte. Andererseits freue ich mich natürlich über das Interesse.
Ihr erstes eigenes Pferd in der Spanischen Hofreitschule war Siglavy Batosta, genannt Toastie. Wie würden Sie ihn beschreiben?
Zeitlhofer: Toastie ist sehr anhänglich, zutraulich, besitzergreifend, intelligent – einfach das beste Pferd für mich. Er ist gescheit, lernt alles, tut mit, ist fleißig und zu jedem nett. Jedes Jahr kommen acht bis zwölf Hengste nach Wien, die in Piber in einem jahrelangen Verfahren schon vorausgewählt wurden. In Wien werden sie anfangs ein Jahr lang von jungen Bereitern geritten und lernen die Grundlektionen. Toastie war ganz schmal und klein, deswegen habe ich ihn bekommen.
Die Spanische Hofreitschule ist ein Inbegriff von Wiener Tradition. Sie sind sozusagen der Beweis dafür, dass sich aber auch hier Dinge ändern. Wie nehmen Sie diese Veränderungen wahr?
Zeitlhofer: Jede Kleinigkeit, die wir hier tun, ist auf Traditionen zurückzuführen. Auf fast jede Frage, die man stellt, lautet die Antwort: Weil’s immer schon so war. Aber natürlich hinterfragen wir auch die Traditionen, und irgendwann war wohl das Thema: Überall im Reitsport sind Frauen total präsent – warum sollte das in der Spanischen Hofreitschule nicht so sein? Da wurde eine Tradition gebrochen, ohne dass man etwas kaputt gemacht hat. Natürlich habe ich am Anfang gespürt, dass es eine Skepsis gibt, ob ich die Ausbildung schaffe. Das war für mich aber ganz logisch, und die Kollegen haben rasch gesehen, dass ich hochmotiviert bin und alles gut klappt.
Gibt es für Ihre Karriere noch eine Steigerungsstufe zur Spanischen Hofreitschule?
Zeitlhofer: Nein, eigentlich nicht. Ich möchte mein Leben lang hier arbeiten und meine Pferde in den verschiedensten Vorstellungsstufen ausbilden. Es gibt so viele unterschiedliche Pferde und unterschiedliche Aufgaben – da lernt man nie aus.
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