Als Weinbauer und Investor erhalten und geben Sie ständig Feedback. Was liegt Ihnen mehr – das Austeilen oder Einstecken?
Hillinger: Beides, Austeilen und Einstecken. Im Wein steckt mein ganzes Herzblut, das Produkt als solches liegt mir immer am Herzen, aber ich bin auch leidenschaftlicher Investor. Wenn ich die Menschen sehe, die zu mir kommen und um Geld fragen – die strahlen und brauchen Unterstützung. Und die bekommen sie von mir.
Ihre Karriere war nicht immer geradlinig. Sie haben 1990 den hochverschuldeten elterlichen Betrieb übernommen und zu seiner jetzigen Größe ausgebaut. Welche Eigenschaften braucht es dafür?
Hillinger: Sie brauchen drei Dinge: Konsequenz, Konsequenz und noch einmal Konsequenz. Es gibt wahnsinnig viele kreative Menschen, aber denen fehlt es oft an genau dieser Konsequenz. Es braucht die Kombination von Kreativität und Konsequenz, nur die führt zum Ziel.
Kaum ein Winzer polarisiert so stark wie Sie. Woran liegt das?
Hillinger: Ich hab ein saugutes Produkt und saugutes Marketing, ein schlechtes Produkt mit gutem Marketing führt schnell zum Absturz. Wenn man andere Wege geht als die traditionellen, steht man automatisch schnell in der Schusslinie. Es ist immer dasselbe. Alle Wege, die anders sind als die Norm, sind von vornherein schlecht in Österreich. Wenn du in Österreich eine Lungenentzündung hast, wollen sie die anderen auch haben. Sie sind dir sogar eine Lungenentzündung neidig.
Glauben Sie, dass das ein österreich-spezifisches Phänomen ist?
Hillinger: Ja. Die wirklich Guten kümmert das nicht, die haben selbst genug zu tun. Aber es ist schlimm, dass man dauernd kämpfen muss, weil ein anderer dich schlecht macht. Das ist Österreich. Im Grunde ist es ein Ritterschlag, denn wenn du keine Neider hast, hast du ein Problem. Neid ist ein anderes Wort für Anerkennung. Ich hatte eine Zeit, da hatte ich überhaupt keine Neider. Da war ich schwach, zu wenig kreativ.
Wie kommt man aus so einer Phase wieder heraus?
Hillinger: Man muss sich neue Ideen holen, kreativ sein, nicht mit der Masse mitschwimmen. Meine erste Marketing-Aktion habe ich zu einer Zeit gemacht, als ich selbst nichts hatte außer Schulden. Ich hatte meine ersten Weingärten auf Pump gekauft und mich nackt mit einem Bett in die Weingärten gestellt, nur mit Trauben bedeckt.
Wie waren die Reaktionen?
Hillinger: Alle haben gefragt, ob ich noch ganz dicht bin. Das war 1997. Dann hab ich noch Weinfässer gestemmt, bin mit Jeep und Zigarre durch die Weingärten gefahren. Ich war immer anders als die anderen. Ich bin auch auf dem Pferd durch die Weingärten geritten. Das war spektakulär.
Lenkt man mit solchen Marketing-Aktionen nicht vom Produkt ab?
Hillinger: Nein. Warum? Das Produkt muss sowieso durch seine Qualität im Vordergrund stehen. Aber wenn ich selber kein Geld habe, um ein Produkt zu vermarkten, muss ich mich irgendwie interessant machen.
Apropos Produkt: Welches Fachwissen braucht man, um Wein beurteilen zu können?
Hillinger: Gar nichts braucht man. Wichtig ist nur, ob man sagen kann: Der Wein schmeckt mir oder nicht. Der Rest ist Humbug. Der Weingeschmack der meisten Leute geht schon in eine bestimmte Richtung, ein reifes Produkt schmeckt jedem, aber letztendlich entscheidet der persönliche Geschmack.
Bei der Puls 4-Show »2 Minuten, 2 Millionen« geben Sie Jungunternehmern Feedback. Wie sieht gutes Feedback Ihrer Meinung nach aus?
Hillinger: Wichtig ist Ehrlichkeit, ich bin immer ehrlich. Ich kann dir nicht sagen, das Produkt war gut, wenn es ein Schmarren ist. Ein ehrliches Feedback zu geben, heißt auch, dass man den Leuten sagt, dass sie ein Patent auf ihre Idee brauchen, sonst ist es keine Erfindung.
Wie gehen Sie als Unternehmer mit dem Thema Feedback um?
Hillinger: Ich mache die Weine von Herzen, so wie ich glaube, dass sie am besten sind. Nur weil einer sagt, der schmeckt ihm nicht, kann ich den Wein nicht anders machen. Die Leute können aus einer breiten Palette wählen. Ich habe acht Läden, und in denen bekomme ich genug Feedback. Aber ich ändere meine Strategie nicht, weil jetzt irgendjemand sagt, der taugt ihm nicht. Ich kann nicht aus einem Welschriesling einen Sauvignon machen. Die Sortenauthentizität muss passen.
Wo holen Sie sich konstruktive Kritik?
Hillinger: Von meinen Mitarbeitern, meiner Frau, meiner Mutter und auch von Mitbewerbern. Ich habe ein paar gute Freunde, die ehrlich sagen, was sie meinen und auf deren Meinung ich vertraue. Das ist ganz wichtig. Wir kosten uns gegenseitig die Keller durch.
Wie kritisch sind Sie im Umgang mit sich selbst?
Hillinger: Sehr kritisch. Ich kann mich nicht selbst verherrlichen, das ist naiv. Und Naivität hasse ich. Es gibt Menschen, die sind so selbstkritisch, dass sie in ein Down fallen, das ist auch Schwachsinn. Aber man muss selbstkritisch und immer auf der Hut bleiben.
Kommen wir zum positiven Teil von Feedback, nämlich Lob. Was ist das schönste Lob, das Sie bekommen haben?
Hillinger: Der Chef vom österreichischen Weinmarketing hat mir einmal gesagt: Leo, du hast die Weinwelt verändert. Ich habe sie nachhaltig verändert und werde das auch weiterhin tun. Ich glaube, dass ich die Jungen motiviere, noch verstärkt durch meine Sendung »Österreichs nächster Topwinzer«. Da haben wir gesehen, dass es junge, coole Leute gibt, die guten Wein machen und ihren Beruf lieben.
In der jungen Generation wird der Wein immer enger mit der Person des Winzers verknüpft. Man hat den Eindruck, es geht quasi nicht ohne. Wie sehen Sie das?
Hillinger: Wenn die Person nicht herzeigbar ist – aus welchen Gründen auch immer –, ist es fast besser, wenn der Wein redet. Aber wenn die Kombination passt, ist es sensationell. Der Konsument möchte die Person kennenlernen, die den Wein macht.
Was ist Ihr Ratschlag für Jungunternehmer?
Hillinger: Bei jedem Rückschlag nach vorne schauen und noch einmal probieren. Sich nicht von anderen beeinflussen lassen, böses Gerede muss bei einem Ohr rein und beim anderen wieder rausgehen. Und besser miteinander als gegeneinander. Die alten Winzer sind verkorkst, die Jungen schaffen das Miteinander viel besser. Das motiviert mich. Die nehmen sich an der Hand und lernen voneinander.
In Ihrem aktuellen Buch schreiben Sie über Ihr Leben. Wie ist es Ihnen dabei ergangen, so viel Persönliches preiszugeben?
Hillinger: Ich konnte im Buch sehr vieles verarbeiten. Es wird für manche Leute eine Überraschung sein, sogar für meine Frau, weil einige Dinge drinnen sind, die beim Schreiben hochgekommen sind. Ich erzähle aber auch über mein größtes Hobby, das Radfahren. Dabei kann ich auftanken und mir Kraft holen. Wann immer es möglich ist, fahre ich zu Terminen mit dem Fahrrad, sogar bis Wien.
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