Ihr Arbeitsplatz liegt auf 3.106 Metern Höhe. Wie können wir uns Ihren Arbeitsweg vorstellen?
Ludewig: Von der Talstation kann man im Normalfall mit der Werksseilbahn hinauffahren. Wir hatten bisher das so genannte Kisterl, das war eine offene Holzbox mit ca. 2 Metern Länge. Man saß dort in einer Bobfahrer-Stellung drinnen und dann ging’s in 20 Minuten 1.500 Meter hinauf auf den Berg – bei einer maximalen Neigung von 47 Prozent.
Also kein Arbeitsplatz für Leute mit Höhenangst?
Ludewig: (lacht) Da wird’s schwierig, ja. Als Leiterin des Observatoriums habe ich ja auch Personalverantwortung, also war es mir ein Anliegen, das »Kisterl« zu ersetzen. Mit Hilfe von Förderungen und Spenden haben wir es geschafft, eine neue Seilbahn zu finanzieren, die ein Doppeltragseil-System hat und windbeständiger ist. Sie ist aber nach wie vor nur für den Observatoriumsbetrieb zugänglich. Das muss ich immer betonen, weil viele sagen: Toll, da können wir jetzt endlich auch auf den Sonnblick fahren.
Tatsächlich ist es für den Sonnblick unglaublich wichtig, dass wir wenig Tourismus haben. Wir haben sehr saubere Luft dort oben, weil so wenige Menschen auf den Sonnblick dürfen. Und durch die Lage im Nationalpark Hohe Tauern haben wir auch keine durch Flugverkehr verursachten Emissionen.
Wie viele Leute arbeiten auf dem Sonnblick und was genau passiert dort?
Ludewig: Es sind immer zwei technische Mitarbeiter vor Ort, wir sind rund um die Uhr besetzt, das ganze Jahr über, auch zu Weihnachten und an anderen Feiertagen. Die Hauptaufgabe ist, zu schauen, dass die Infrastruktur funktioniert: der Seilbahnbetrieb, die Elektrik, die Stromversorgung und natürlich die Messtechnik, die wahnsinnig komplex geworden ist. Außerdem betreuen wir Forschungsprojekte mit, zum Beispiel entnehmen wir Schneeproben.
Weitere Schwerpunkte sind die Wetterbeobachtung und internationale Messnetzwerke für Klima und Umwelt. Der Sonnblick ist Teil eines weltweiten Netzwerkes, in dem geregelt ist, dass überall auf der Welt zur selben Zeit eine Wetterbeobachtung durchgeführt wird und die Ergebnisse innerhalb von 15 Minuten weltweit zur Verfügung stehen.
Wollten Sie schon immer Meteorologin werden?
Ludewig: Das Wetter hat mich von klein auf fasziniert. Ich war immer schon viel im Gebirge unterwegs und habe mitgekriegt, wie schnell sich das Wetter da oben ändern kann.
Sie haben zuvor 14 Monate in der Antarktis gearbeitet. Das klingt schon so, als würden Sie extreme Arbeitsorte besonders reizen.
Ludewig: Die Antarktis war schon immer mein Traum. Es war eine unglaubliche Erfahrung, sowohl persönlich als auch beruflich, vor allem in technischer Hinsicht.
Wie haben Sie dort gewohnt?
Ludewig: In der Neumayer-Station III, ist ein Container-Haus auf hydraulischen Stelzen. Dadurch kann die Station bei zunehmender Schneehöhe angehoben werden und somit versinkt nichts in Schnee und Eis. Dies gewährleistet, dass nach Abschluss der Forschungsprojekte das Gebiet wieder in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden kann, indem die ganze Station einfach abgebaut wird.
Wir hatten viele technische Einschulungen, zum Beispiel damit wir selbst Ketten und Öl bei den Pistenraupen wechseln können. Wir mussten aber auch medizinische Grundbegriffe lernen: Es gab einen kleinen OP-Saal, und damit wir den Arzt im Notfall unterstützen können, haben wir gelernt, Bestecke zu reinigen und ihm zu reichen. Man war zwar in allem auf sich gestellt, zugleich hatten wir aber auch sehr gute Schulungen und Notfallpläne für alle Eventualitäten.
Wie würden Sie die Licht- und Schattenseiten Ihres Jobs beschreiben?
Ludewig: Das Schöne ist, dass man merkt, wie bedeutend diese Aufgabe ist. Wir bereiten die Daten dafür auf, dass Wetterprognosen, aber auch Umwelt- und Klimasimulationen berechnet werden können. Unsere Daten sind die Basis dafür, das Klimageschehen zu verstehen, und sollen die Politik dabei unterstützen, Maßnahmen zu treffen.
Die Schattenseite des Monitorings ist die Finanzierung. Die Datenerfassung rund um die Uhr hilft, das Ökosystem Erde und das Klima besser zu verstehen und vorherzusagen. Aber sie ist teuer und man kann nicht gewährleisten, einen wirtschaftlichen Output zu erzielen. Wir sind auf die Finanzierung durch Ministerien bzw. die Regierung angewiesen. Und hier scheint der Nutzen des Monitorings für die Menschheit oft unterschätzt zu werden.
Das heißt, die Finanzierung – auch die des Sonnblick-Observatoriums – ist oft schwierig. Man muss bedenken: Das Observatorium existiert seit gut 133 Jahren. Damals hatte keiner den Klimawandel im Kopf, man hat trotzdem kontinuierlich gemessen, ohne ein spezifisches langfristiges Ziel zu verfolgen. Nun haben wir damit eine der ältesten und wertvollsten Messreihen der Welt, mit nur vier Tagen Unterbrechung in 133 Jahren. Dies unterstreicht die Bedeutung des kontinuierlichen Monitorings.
Wie macht sich der Klimawandel am Sonnblick bemerkbar?
Ludewig: Der Klimawandel ist tatsächlich auch für den Laien erkennbar. Viele Teile des Gletschers sind mittlerweile im Sommer schneefrei, man sieht das blanke Eis, das immer weiter schmilzt und die Gletscher aufbrechen lässt. Von Jahr zu Jahr kann man zusehen, wie immer mehr Fels und Geröll frei werden. Im Schnitt schrumpft der Gletscher jedes Jahr einen Meter.
Unsere Glaziologen arbeiten mittlerweile mit Kameras, die regelmäßig Bilder machen, um das Schmelzen der Gletscher zu dokumentieren. Damit verbunden ist, dass es am Sonnblick immer häufiger zu Steinschlag kommt. Durch die Erwärmung – seit den 80er-Jahren um fast zwei Grad – taut der Permafrost auf, es bilden sich Risse im Stein, Wasser dringt ein, gefriert und sprengt den Felsen. Das ist schlimm, weil ganze Hänge in Bewegung geraten können.
Für viele wäre so ein witterungsabhängiger Job wie Ihrer wahrscheinlich der Horror. Was ist für Sie ein Horror-Job? Ein Bürojob?
Ludewig: Den gibt es bei mir ja auch, ich habe in Salzburg mein Hauptbüro und bin tageweise auf dem Sonnblick. Wer bekommt schon eine Bergtour bezahlt? Das ist wunderschön. Das Schlimmste wäre für mich wohl Fließbandarbeit. Ich brauche Freiraum für den Geist, die Herausforderung, die der Job mit sich bringt, die Abwechslung, auch den handwerklichen Aspekt, die Kreativität, wir müssen ja auch viel selbst reparieren und warten da oben am Berg.
Wie geht es Ihnen als junger Frau in einer Männerdomäne?
Ludewig: Viele hatten Bedenken, als ich am Sonnblick angefangen habe, die meisten Kollegen dort sind Männer, viele sind älter als ich. Aber ich wurde sehr nett aufgenommen. Mein Eindruck ist, dass es in der Forschung und an den Universitäten schon viele Frauen gibt, diese aber dennoch oft in den höheren Positionen und Gremien fehlen. Ich denke, wenn man als Frau weiterkommen will und seine Ziele hat, kann man diese auch erreichen. Bis jetzt hatte ich keine Probleme, ich wurde immer ernst genommen.
Was möchten Sie konkret als Leiterin des Observatoriums erreichen?
Ludewig: Der Sonnblick wird nach wie vor als »Wetterwarte« bezeichnet. Das sind wir aber schon lange nicht mehr. Unsere Besucher sind immer ganz erstaunt, wie viel Technik wir vor Ort haben und was und wie wir alles messen. Ansonsten ist es derzeit ein Hauptziel, die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Und dann gilt es, den internationalen Status zu erhalten bzw. auszubauen. Ein konkretes Ziel ist, die Forschung zu erweitern, beispielsweise den Bereich Wolkenforschung mehr zu pushen. Wir schauen auf unseren über 3.000 Metern Seehöhe ja fast dabei zu, wie sich die Wolken bilden – perfekte natürliche Laborbedingungen.
Abschließend noch eine typische Meteorologen-Frage: Was ist Ihr Lieblingswetter?
Ludewig: Ich liebe die Vielfalt unseres Wetters und die Jahreszeiten. Extreme Wetterlagen, Stürme und Gewitter: Die Naturgewalten faszinieren mich aber am meisten.

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