Als die ersten Fachhochschulen in Österreich im Jahr 1994 ihren Betrieb aufnahmen – darunter die FHWien der WKW mit ihrem anfangs einzigen Studiengang Tourismus-Management – war eine Stimmung dominierend: der ambitionierte Pioniergeist. »Fachhochschulen waren Mitte der Neunzigerjahre ähnlich wie Start-ups, innovative Konstrukte also, die viele Ziele hatten, allerdings erst Strukturen aufbauen mussten«, sagt Beate Huber, Vorsitzende des Kollegiums an der FHWien der WKW.
Von 700 auf 54.000 FH-Studierende
25 Jahre später sind die mittlerweile 21 Anbieter von Fachhochschul-Studiengängen aus der heimischen Bildungslandschaft nicht mehr wegzudenken: »Zu Beginn gab es nur rund 700 FH-Studierende, inzwischen zählen wir 54.000«, erklärt Raimund Ribitsch, Präsident der Österreichischen Fachhochschul-Konferenz (FHK) und Geschäftsführer der Fachhochschule Salzburg. Und er verknüpft diese Zahl auch gleich mit einer Forderung: »Qualität hat ihren Preis: Fachhochschulen brauchen als bundesfinanzierte Einrichtungen die Mittel, um die Qualität zu sichern. Deshalb ist die sofortige Erhöhung der Bundesfinanzierung unabdingbar.«
Immer wieder ringt die Fachhochschulkonferenz mit der Politik um eine Inflationsanpassung der Fördersätze, schließlich erhöhen sich auch an den Fachhochschulen die Personal- und Sachkosten Jahr für Jahr. Seit Gründung der ersten Fachhochschulen vor 25 Jahren wurden die Bundesfördersätze pro Studienplatz allerdings erst zweimal teilvalorisiert.
Nicht auf den Lorbeeren ausruhen
Jedenfalls sind Fachhochschulen aus dem tertiären Bildungssektor in Österreich nicht mehr wegzudenken. Für Institutionen wie die FHWien der WKW – die inzwischen mehr als 2.800 Studierende in den Bachelor- und Master-Studiengängen zählt – ist das freilich kein Grund, sich auf den Lorbeeren der vergangenen Jahre auszuruhen. Vielmehr ist stetige Weiterentwicklung gefragt, zumal der Fachhochschulsektor eng mit der Wirtschaft verknüpft ist, die sich immer schneller und schneller bewegt.
»Der Arbeitsmarkt verändert sich rasant durch die Digitalisierung und durch die Alterung der Gesellschaft. Somit wird es in Zukunft von Vorteil sein, technologisches Wissen mit fachlichem Knowhow zu verknüpfen. Gerade diese Querschnittskompetenzen werden in FH-Studiengängen eine große Rolle spielen«, prognostiziert FHK-Präsident Ribitsch. An der FHWien der WKW startete im laufenden Wintersemester der Bachelor-Studiengang Digital Business, der digitale Technologie und Wirtschaft verknüpft. An der FH Salzburg nahm dieses Semester der Studiengang Human-Computer-Interaction seinen Betrieb auf.
Hohe soziale Kompetenz
»Fachhochschulen zeichnen sich dadurch aus, dass die Studierenden ein hohes Maß an sozialen Kompetenzen lernen und auch stark an ihren Präsentations- und Kommunikationsfähigkeiten arbeiten«, berichtet Ribitsch. Damit sind AbsolventInnen von heute gut für den Arbeitsmarkt von morgen gerüstet.
»Niemand weiß genau, welche Berufsbilder es in zwanzig Jahren tatsächlich geben wird. Fakt aber ist, dass sich Führungskräfte Skills wie Empathie, Kritikfähigkeit und die Fähigkeit zu vernetztem Denken von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünschen werden«, ist Ali Mahlodji, Keynote Speaker, Gründer der Berufsorientierungs-Plattform Whatchado und Autor des »Work Report 2019«, überzeugt. Verstärkt wird dieser Bedarf durch den Einzug von Künstlicher Intelligenz in Arbeits- und Lebenswelten – durch die Tatsache also, dass Computer herkömmliche »Basisaufgaben« übernehmen. Denn menschliche Sozialkompetenz werden die Maschinen nie übernehmen können.
Kulturell vielfältig gebildet
Das Thema interkulturelle Empathie hat die FHWien der WKW bereits in den Fokus gerückt, etwa im Rahmen ihrer intensiven Internationalisierungs-Bemühungen. »In unseren Zukunfts-Workshops hat sich gezeigt, wie wichtig es in kommenden Jahrzehnten sein wird, auf unterschiedliche Kulturen eingehen zu können und verhandlungsfähig zu sein. Wir integrieren diesen Aspekt in den FH-Alltag«, so Michael Heritsch, Geschäftsführer der FHWien der WKW.
Den »Arbeitgeber fürs ganze Leben «, der noch vor ein, zwei Generationen gang und gäbe war, hat ausgedient: »Das Wechseln des Jobs alle drei bis fünf Jahre wird nicht mehr als Nachteil gewertet. Dabei galt das vor 15 Jahren noch als unentschlossenes Job-Hopping«, schildert Ali Mahlodji. Flexibilität ist eine weitere Kernkompetenz für das Arbeitsleben geworden. »In der Zukunft wird Mut zur Lücke belohnt. Ein Lebenslauf muss keine durchgängigen Ausbildungs- und Arbeitsphasen ausweisen«, ist Mahlodji überzeugt. Wer etwa authentisch erklären kann, warum eine Auszeit in einer bestimmten Lebensphase für die persönliche Entwicklung notwendig war, kann damit bei ChefInnen der Zukunft sogar punkten.
Bereitschaft zu ständiger Weiterbildung
Größere Bedeutung wird die Bereitschaft zur ständigen Weiterbildung bekommen. »In der modernen Gesellschaft ist lebenslanges Lernen unumgänglich. Das ist eine Haltung, die wir unseren Studierenden zu vermitteln versuchen«, so FHWien-Geschäftsführer Michael Heritsch. Die Vielzahl der (digitalen) Möglichkeiten unterstützt diesen Prozess. »Studierende können heute Kanäle wählen, die ihrem persönlichen Lernmodus entsprechen«, weiß Beate Huber: »Als ich selbst Ende der 80er-Jahre studierte, stand ein Professor am Pult und las aus seinem Skript vor, es war im wörtlichen Sinn eine Vorlesung. Das ist nicht für jeden und jede ansprechend.« Gerade Videos sind in der Bildung mittlerweile ein gern eingesetztes Tool. Derzeit wird an der FHWien der WKW ein Raum ähnlich einem TV-Studio eingerichtet, wo Lehrende in Zukunft Videos für ihren Unterricht aufnehmen können.
Seit ihrer Gründung vor 25 Jahren ist die Bedeutung von E-Learning an der FHWien der WKW stark gewachsen. »2004 gab es ein erstes Pilotprojekt. Es folgten Lernplattformen, die individuell von den einzelnen Studiengängen gestaltet wurden. Inzwischen gehören sie längst zum Studien-Alltag«, schildert Kollegiumsleiterin Huber. Die Strategien zu E-Learning gehen 2019 weit über den Betrieb einer Online-Lernplattform hinaus, so Huber: »Ziel ist es, dass 20 Prozent jedes Studiengangs mittels Distance Learning an einem anderen Ort absolviert werden können. Damit erleichtern wir den Studierenden das Studium und ersparen ihnen die Anreise, was auch positiv im Sinne der Nachhaltigkeit ist, ein Aspekt, der der FHWien der WKW am Herzen liegt«, so Huber.
Präsenz bleibt wichtig
Werden Gebäude wie jenes der FHWien der WKW am Währinger Gürtel in Zukunft vielleicht sogar obsolet? Findet das Studium irgendwann zur Gänze zu Hause vor dem Bildschirm statt? »Dieses Ziel haben wir nicht«, betont Beate Huber: »Man darf nicht vergessen, dass das Lernen einen starken sozialen Aspekt hat.« Und dieser soziale Aspekt kommt gerade bei einem Fachhochschul-Studium zum Tragen, da es sich durch Projekt- und Praxisbezogenheit auszeichnet. Die Studierenden wollen und sollen sich stark vernetzen – sowohl mit ihren KommilitonInnen als auch mit den Vortragenden. Und das ist nun einmal vor dem Laptop deutlich schwieriger als von Angesicht zu Angesicht.
Huber geht ohnehin nicht davon aus, dass künftig alle Studierenden in den Hörsälen bloß noch über ihre Laptops gebeugt sein werden: »Durch das handschriftliche Mitschreiben merkt man sich viel mehr. Ich glaube nicht, dass digitale Medien analoge Lernbehelfe ersetzen werden. Jedes Medium hat seinen Platz und die Lehrenden und Studierenden haben eine Vielzahl an Möglichkeiten, die sich ergänzen«, ist die Kollegiumsleiterin der FHWien der WKW überzeugt.
»Als Fachhochschule können wir die Studierenden begleiten, ihre Persönlichkeit können wir allerdings nicht verändern«, betont FHWien-Geschäftsführer Michael Heritsch. Eigenverantwortung, die Bereitschaft, das Heft in die Hand zu nehmen, bleibe letzten Endes ein wichtiger Faktor, um – gegenwärtig wie zukünftig – beruflich erfolgreich und glücklich zu sein. »Wer nur in eine fachliche Richtung geht, um eine Arbeitsplatzgarantie zu haben, wird in seinem Job nicht zufrieden sein. Arbeitgeber spüren das. Diese Personen sind dann die ersten, die man gehen lässt«, warnt Ali Mahlodji: »Das Wichtigste im Leben kann uns keine Einrichtung der Zukunft beibringen: zu lernen, gute Entscheidungen für uns selbst zu treffen.«
»Wir bleiben unseren Kerndisziplinen treu«
Michael Heritsch ist selbst Alumnus der FHWien der WKW und seit 2006 deren Geschäftsführer. Mit studio! sprach er über die Bedeutung von Nachhaltigkeit, Globalisierung und Digitalisierung im Fachhochschul-Alltag – und über das sich rasch drehende Karussell am Ausbildungsmarkt.
Herr Heritsch, worin liegen die Herausforderungen in dem Prozess, die FHWien der WKW erfolgreich für die Zukunft auszurichten?
Heritsch: Vieles gibt uns der Markt vor: Wir müssen fachlich immer am Puls der Zeit bleiben. Diese Herausforderung verbindet alle Aus- und Weiterbildungs-Einrichtungen. Das Karussell dreht sich sehr schnell. Das bedeutet, alle fünf Jahre die Lehrpläne anzupassen und gut auf die Anforderungen der Wirtschaft zu hören.
Wie reagieren Sie auf die aktuellen Vorgaben des Markts?
Heritsch: Wir leben in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung. Unser Ziel ist es daher, die Internationalität an unserer Fachhochschule noch stärker zu verankern. Inzwischen gibt es schon für alle Vollzeit-Bachelor-Studiengänge ein verpflichtendes Auslandssemester. Der nächste Schritt ist, dass noch mehr Lehrende aus dem Ausland bei uns unterrichten. Ein Professor aus einem anderen Land bringt mehr mit als die bloße Materie, die er lehrt: Er vermittelt Lebenserfahrung und die Kultur seiner Heimat. Wir möchten die »Internationalisierung at Home« stark ausbauen. Es ist wichtig, dass die Studierenden lernen, auf unterschiedliche Kulturen einzugehen.
Welche anderen Themen dominieren in der Zukunft?
Heritsch: Nachhaltigkeit ist ein Schlagwort, das von großer Bedeutung ist. Unsere Studierenden sollen ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie nachhaltig ihre Entscheidungen sind, also wie ökologisch angreifbar und zukunftsfähig diese sind. Seit geraumer Zeit haben wir hierzu Ringvorlesungen mit Best-Practice-Vortragenden. Nun gehen wir einen Schritt weiter: Wir versuchen, die Studierenden durch das Ausschreiben entsprechender Themen für Abschluss- und Seminararbeiten zu motivieren, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Wir haben auch eine Stiftungsprofessur in diesem Bereich und gehören dem PRME-Network an, einem Zusammenschluss von Wirtschaftshochschulen, die sich dem Nachhaltigkeitsgedanken verschrieben haben.
Wie kommt das Thema Nachhaltigkeit bei den Studierenden an?
Heritsch: Derzeit führen wir einen Relaunch der Lehrpläne durch, wie er alle fünf Jahre passiert. Es gibt in den Curricula viele neue Projekte, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Sie sprechen die Studierenden an. Ich höre immer wieder, dass sie dabei das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun.
Welche Visionen gibt es für die FHWien der WKW?
Heritsch: Wir möchten noch ein Stück weit wachsen und das Portfolio ausbauen. Aktuell unternehmen wir Schritte in Richtung IT und Digitalisierung. Soeben ist etwa der neue Studiengang »Digital Business« gestartet. Grundsätzlich aber wird die FHWien der WKW den Kerndisziplinen Kommunikation und Wirtschaft treu bleiben. Ein Herumhüpfen können und wollen wir uns nicht leisten. Dieses Verhalten ist zudem wichtig, da wir den Studierenden im täglichen Geschäft vorleben möchten, wie man ein Unternehmen ökonomisch sinnvoll und nachhaltig führt.
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