Trotz seiner Last-Minute-Bewerbung sieht Christoph Löger seine Entscheidung Journalismus zu studieren als wichtigste in seinem Leben. Sein Ziel war klar und das Studium auf seine Wünsche zugeschnitten.
„Ein Hobby zum Beruf zu machen, ist kein unerreichbarer Traum.“
Wann hast du an der FH Journalismus studiert?
Begonnen hat mein FH-Studium im Prinzip fünf Minuten vor Mitternacht an jenem Tag, an dem die Bewerbungsfrist für den zweiten Jahrgang geendet hat. Der Stempel des nächsten geöffneten Postamts am Westbahnhof sagt, glaub ich, 23:57 Uhr. Ich hab lang mit mir gehadert, weil ich gedacht hab, mein bereits 1996 in Innsbruck begonnenes Uni-Studium (Politik/Anglistik, schon tief im 2. Abschnitt) irgendwann noch zu beenden. Im Endeffekt war diese nächtliche Straßenbahnfahrt und die anschließende Abgabe der FH-Bewerbung der wohl wichtigste Schritt meines Lebens. Im Frühling 2009 hab ich die Vorbereitung für die Diplomprüfung dann zelebriert, mir allein für eine Woche eine Finca auf Mallorca gemietet – ohne Handy, ohne Internet – und bin direkt vom Flughafen zur Prüfung gefahren. Weil ich wollte, dass mein FH-Studium ähnlich spektakulär aufhört wie es begonnen hat.
Warum hast du dich damals für das Studium beworben?
Die inoffizielle Version: Meine Mutter hat mir einen Link geschickt („Christoph, magst dir das nicht bitte zumindest einmal anschauen? Das wäre doch endlich was für dich!“). Die offizielle (und auch nicht so falsche) Version: Das frische Angebot FH Journalismus/Medienmanagement war das erste, das komplett auf mich und meine Wünsche zugeschnitten war: akademischer Abschluss, absolute Praxis-Nähe, tolle Lektoren (die nicht im wissenschaftlichen Elfenbeinturm ergrauen), dazu die Verbindung mit meiner bereits gesammelten Berufs-Erfahrung und vor allem – so ehrlich muss ich sein: ein fixer Stundenplan, der einen dazu zwingt, in der Früh aufzustehen. Mangelt es einem an zeitlicher Selbstdisziplin, hat man an der Uni nämlich verloren.
Welche Praktika hast du im Rahmen des Studiums gemacht?
Schwierige Frage, weil ich als Spät-Twen bei meinem FH-Einstieg schon viel redaktionelle Berufserfahrung gesammelt hatte und eigentlich nicht mehr sondieren musste, in welche Richtung ich gehen will. Motorjournalist war ja immer klar. Aber toll war das verpflichtende Praktikum, das ich beim KURIER absolvieren durfte. Es hat mir nicht nur einen „temporär fixen“ Platz in der Branchen-intern angesehenen KURIER-Motorredaktion beschert, sondern im Zuge unseres FH-Projekts „Festival-KURIER“ haben meine Studienkollegin Klara Trautner und ich auch das erste gedruckte Interview mit der mittlerweile recht großen Band „Ja, Panik!“ geführt – in einem kleinen Lokal im 17. Bezirk. War damals ein kleines Highlight.
Was machst du jetzt und wie bist du dorthin gekommen?
Ich leite das Auto-Ressort der ÖAMTC-Website und bin parallel Redakteur beim Club-Magazin „auto touring“, das mit 1,7 Millionen LeserInnen nach wie vor das Reichweiten-stärkste Magazin Österreichs ist. Davor war ich drei Jahre lang Test-Redakteur bei „Alles Auto“, danach beim KURIER. Ich bin beim ÖAMTC (online) verantwortlich für aktuelle Fahrberichte neuer Auto-Modelle, reise deshalb auch sehr, sehr viel – was Freunde oft schnippisch mit „Oh, Herr Löger fliegt für zwei Tage nach San Francisco“ quittieren. Als Vater eines Zweijährigen sieht man die vielen Tage, die man aus dem Koffer lebt und erst beim zehnten Paris-Besuch den Eiffelturm sieht, naturgemäß anders. Die Zeiten, als MotorjournalistInnen begnadete Geschenk-AnnehmerInnen waren, sind in der Praxis übrigens – gottseidank – vorbei. Für das Print-Produkt auto touring bin ich außerdem verantwortlich für Reise-Stories und Interviews zum Thema „Mobilität“ (z.B. Hubert von Goisern, Ex-Guns’n’Roses-Gitarrist Slash oder … ähm .. Trackshittaz). Zur berühmten Frage: „Wie ergattert man den Traumjob „MotorjournalistIn“? – Man sollte zuerst wissen, dass die Redaktionen der (wenigen) Qualitäts-Motormedien in Österreich tagtäglich Bewerbungs-Mails á la „Ich bin schon mal mit dem Ferrari vom Onkel gefahren und kann auch schreiben“ bekommen. Die wandern dann ungelesen in den Mistkübel. Was man in erster Linie braucht, ist: Marktüberblick und –Einschätzung. Die Liebe zum Auto sollte sich nicht als „Boah, ist das Ding geil“, sondern eher als „Ich bin gern damit unterwegs“ manifestieren. Mein persönlicher Werdegang war folgender: Ich bin nach der Matura in OÖ zwecks Studium nach Innsbruck gegangen, wo ich als Nebenjob bei einer Mietwagen-Firma begonnen hab, tolle Autos in Europa hin- und herzukutschieren. Und jedes Mal, wenn ich zum Beispiel einen gestohlenen 7er BMW aus Mailand „heim“geholt hab (das passiert bei Mietwagen übrigens öfters, als man glaubt), hab ich mich am Abend vor den Computer gesetzt und unermüdlich einen Testbericht des jeweiligen Autos an die einschlägigen Redaktionen in Wien geschickt. Vier Jahre lang, mindestens ein Test pro Woche, immer ohne Antwort. Eines Abends im Herbst 1999 kam dann ein Mail von Alles Auto, ob ich nicht nach Wien umziehen möchte.
Was ist dir von der FH in Erinnerung geblieben?
Wordrap: Zwei Freundschaften für die Ewigkeit. Schinken/Käse-Toast im Artner. Pausen-Zigarette mit Anneliese Rohrer. Sonnenuntergang auf dem Dach. Raum 111 oder 259 oder 417 mit Armin Thurnher. Kimberly Weinrich. Die schöne Erkenntnis, dass an der wunderschönen Ö1-Stimme von Paul Kraker ein Mensch hängt, der privat gern Heavy Metal hört. Und Florian Klenk.
Welche Lehrinhalte von der FH kannst du in deinem jetzigen Job gut gebrauchen?
Genauigkeit der Sprache. JournalistInnen sind keine Stars, sondern Informations-VermittlerInnen. Information ist alles, aber geh sorgfältig damit um und tu niemandem weh damit. Denk beim Schreiben nie drüber nach, was du grad schreibst, aber denk fünfmal nach, was du davon veröffentlichst. Alles, was als Presse-Geschenk über einen Kuli hinausgeht, ist abzulehnen – etwas, worauf man vor allem als Motor-, Reise- und MusikjournalistIn extrem aufpassen muss.
Hat sich dein Berufswunsch, den du als Erstsemestriger hattest, erfüllt?
Ja. Vor der FH, während der FH und auch danach. Ich hab mein Hobby zum Beruf gemacht. Und bin glücklich, mich früh spezialisiert zu haben.
Wie erlebst du die österreichische Medienlandschaft und wie wird sie in 20 Jahren aussehen?
Qualitätsmedien verfallen dem Boulevard, betreiben zunehmend Schlagzeilen-Journalismus, langwierig recherchierte Inhalte werden der Agentur-copy/paste-Geschwindigkeit geopfert. Es geht nur mehr um Speed, clicks, speed, clicks, speed. Es ist offenbar nicht einmal mehr Zeit, kopierte APA-Artikel auf simple Grammatik-Fehler gegenzulesen. Investigativer Nachwuchs (der hungrig wäre, aber eben auch was im Kühlschrank zum essen braucht) wird im Ansatz abgedreht, indem niemand sich traut, Geld in die Hand zu nehmen, um eine Person vier Wochen „an die Front“ zu schicken. Parallel bricht der ORF (nebst tausend anderen Fehlern) seinen Bildungsauftrag und verkauft die GIS-Gebühr mit der rosa Sonnenbrille „Werbe-Freiheit“. Schön, wir haben also Quasi-Privat-Fernsehen mit Bezahlung, aber ohne Werbe-Unterbrechung. Sommergespräche? Wie gut hätte man die machen können, open end zum Beispiel, ging ja bei der Felix-Baumgartner-Übertragung auch. Stattdessen rüttelt man lieber an dem legendären Club-2-Format und dreht es einfach ab, wenn die Sendezeit aus ist. Wie wird die österreichische Medienlandschaft in 20 Jahren aussehen? Ich denke, dass es den ORF in dieser Form nicht mehr geben wird. Ich hoffe aber, dass Ö1 überleben wird.
Welche Fähigkeiten müssen JournalistInnen in Zukunft haben?
Technisch auf jeden Fall Multitasking-fähig. Es wird wohl so sein, dass die Journalistin oder der Journalist der Zukunft allein eine Story gleichzeitig plant, etwaige Spesen (Flüge, etc.) vorstreckt, filmt, fotografiert, ein Interview aufnimmt, dann heimfährt, es in der Nacht für Print/Online/Radio/TV transkribiert, aufbereitet, schneidet, und um 08:00 Uhr ins Redaktions-CMS einspielt. Daneben sollte sie oder er einen Werkvertrag ausfüllen, um das Gehalt rechtzeitig zwei Monate später am Konto zu haben und sich nicht ärgern, wenn die SVA-Beiträge höher sind, als der Verdienst. Ein berufliches perpetuum mobile, quasi.
Worauf können JournalistInnen in Zukunft getrost verzichten?
Fix-Anstellung, geregelte Arbeitszeiten und -Familie, geregeltes Gehalt. Naiven Idealismus.
Wo bzw. wie siehst du deine persönliche Zukunft im Journalismus?
Auch noch in 20 Jahren bei jeder Redaktionssitzung mit einer unmöglichen Idee daherzukommen. Die – abgeschwächt – dann doch im nächsten Heft ist. Grundregel: Die ursprüngliche Idee muss immer 150 Prozent sein. Wenn sie durch die Hierarchie „Chefredaktion-CvD-Layout“ gegangen ist und 100 Prozent übrig bleiben, hast du gewonnen.