Gisela Reiter, Forscherin an der FHWien der WKW, erhielt renommierten Wissenschaftspreis für eine aktuelle Studie über ethische Herausforderungen in der Kommunikationspraxis.
Die Studie identifiziert unklare Rollen und systemische Herausforderungen als zentrale Konfliktherde. Die Ergebnisse wurde von Gisela Reiter beim österreichischen Kommunikationstag und bei der Jahreskonferenz der International Communication Association (ICA) 2023 in Toronto präsentiert. In Kanada wurde Reiter dafür mit dem renommierten „Top Three Faculty Papers Award“ der ICA ausgezeichnet. Die Studie ist Teil des Projekts „Blurring Boundaries between PR, Advertising and Journalism“ der Universität Wien, das in Kooperation mit der FHWien der WKW, der Wirtschaftsuniversität Wien und der Universität Innsbruck durchgeführt wird.
Die Grenzen zwischen Public Relations, Journalismus, Marketing und Werbung verschwimmen zunehmend. Einer der 46 Befragten aus Medienorganisationen, Unternehmen, Non-Profit-Organisationen und Kommunikationsagenturen beschreibt die Situation so:
Es gibt Tage, da bin ich zu 90 Prozent Journalist. Es gibt aber auch Tage, da bin ich hauptsächlich Marketing- oder Vertriebsmitarbeiter. Und wenn ein „Online-Sturm“ droht, dann bin ich auch noch Community-Manager oder Öffentlichkeitsarbeiter.
Eine Stimme, welche die Rollenvielfalt von Kommunikationsprofis verdeutlicht.
Rollen- und Systemkonflikte als Herausforderung im Kommunikationsbereich
Viele KommunikatorInnen haben Schwierigkeiten, sich eindeutig einem Kommunikationsbereich zuzuordnen und beschreiben ihre Arbeit als eine Mischung aus verschiedenen Bereichen. Die unscharfen Grenzen zwischen den Bereichen führen zu Interessenskonflikten. Laut der Studie von Gisela Reiter zu ethischen Herausforderungen in der Kommunikationspraxis werden Rollenkonflikte in unterschiedlicher Form wahrgenommen:
- persönliche Konflikte der KommunikatorInnen
- interne Konflikte in Medienunternehmen und Agenturen
- externe Konflikte der Medienunternehmen und Agenturen
Neben diesen drei Konflikttypen kristallisierte sich im Rahmen der Studie ein vierter, weniger offensichtlicher, aber durchaus vorhandener Konflikttyp heraus: ein Systemkonflikt. Hier werden globale Trends wie Digitalisierung, Globalisierung oder Medialisierung als Treiber und Ursachen für die Entstehung ethischer Herausforderungen genannt. Auch der zunehmende ökonomische Druck in der Medienbranche führt den Journalismus langsam in eine immer tiefere Krise.
Dies spiegelt sich auch in den eingangs identifizierten Konfliktherden wider. So gibt es persönliche Konflikte aufgrund eigener Überzeugungen und Werte, mangelnder Distanz zu den Objekten der Berichterstattung oder Diskrepanzen zu Kundenanforderungen. Interne Konflikte entstehen vor allem in den Grenzbereichen redaktioneller Einflussnahme, Kundenanforderungen und Offenlegung bezahlter Inhalte. Externe Konflikte entstehen durch Eingriffe von außen. Dies betrifft insbesondere Kunden, die eine positive Darstellung ihres Unternehmens wünschen.
Teamarbeit und Organisationskultur zur Bewältigung der Herausforderung
Gisela Reiter und ihre KollegInnen kommen zu dem Schluss, dass die Bewältigung dieser Konflikte gute Teamarbeit und eine unterstützende Organisationskultur mit klaren Richtlinien erfordert. Große Unternehmen scheinen besser in der Lage zu sein, ethische Herausforderungen zu bewältigen. Die Studie legt nahe, dass eine Schärfung der Prozesse und Strukturen, die die Kommunikationspraxis regeln, dazu beitragen könnte, den Herausforderungen der Branche zu begegnen. Je unschärfer die Kommunikationslandschaft wird, desto klarer sollte die Selbstidentität der KommunikatorInnen und der kommunizierenden Organisation werden. Ein aus der Studie entwickeltes Kursangebot soll anhand exemplarischer Fallstudien für ethische Grenzen sensibilisieren und unterschiedliche Argumentationswege diskutieren und erarbeiten.