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Mutiger investigativer Journalismus in Krisenzeiten – Nachbericht zur Dataharvest 2022

28. Juni 2022

Investigativer Journalismus und Datenjournalismus sind in Krisenzeiten wie keine anderen Disziplinen gefordert, gesellschaftliche und politische Missstände aufzudecken. Bei der „Dataharvest“, der europäischen Konferenz für investigativen Journalismus, die im Mai 2022 in Mechelen (Belgien) stattfand, konnte sich Academic Expert & Lecturer Regula Blocher über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in ihrem Fachbereich informieren.

Die Dataharvest 2022 fand in Mechelen, Belgien, statt und war mit über 550 Teilnehmern ausverkauft.
Die Dataharvest 2022 fand in Mechelen, Belgien, statt und war mit über 550 TeilnehmerInnen ausverkauft. ©Frédéric Moreau de Bellaing
Regula Blocher, Academic Expert & Lecturer für New Media & Online Journalism an der FHWien der WKW ©Regula Blocher
Regula Blocher, Academic Expert & Lecturer für New Media & Online Journalism an der FHWien der WKW ©Regula Blocher

Aufdecker-Journalismus im Interesse der Öffentlichkeit

Nicky Hager, ein renommierter Investigativ-Journalist aus Neuseeland, sprach in der Keynote über Themenfelder, bei denen er die Rolle des aufdeckenden Journalismus besonders gefordert sieht: etwa der Ukraine-Krieg, die Klimakrise, die soziale Spaltung zwischen Arm und Reich oder die Verbreitung von Verschwörungstheorien auf sozialen Medien. Gerade dort genauer hinzuschauen, wo es schwierig ist, und beharrlich Fakten zu sammeln und analysieren, sei die Grundlage für diesen Beruf. Abschließend erinnerte er an das journalistische Selbstverständnis: „Investigative journalism is a public service”. Als solcher arbeiten Aufdecker-JournalistInnen im Interesse der Öffentlichkeit und sehen sich ethischen und professionellen Werten verpflichtet.

Krieg und Journalismus: Erfahrungsberichte aus der Ukraine & Russland

Die zweite Keynote zum Thema „Krieg und Journalismus“ brachte Einblicke zur Kriegsberichterstattung aus erster Hand: Anna Babinets, ukrainische Investigativ-Journalistin, und Pavel Kanygin, ehemaliger Redakteur bei der russischen Oppositionszeitung „Nowaja Gaseta“, berichteten von den Auswirkungen der russischen Invasion auf ihre Arbeit: Babinets dachte im ersten Moment, dass es für sie nun nichts mehr zu tun gäbe, weil ihr Thema – Korruption in der ukrainischen Armee und Politik, etwa die Offshore-Firmen des Präsidenten – im Krieg nicht mehr wichtig sei. Doch nach einer Besprechung mit ihrem Redaktionsteam entschied sie weiterzumachen: „We decided to investigate on the war, because war is a crime“. Nun beschäftigt sie sich damit, möglichst viele russische Soldaten in der Ukraine zu finden, zu identifizieren und mit ihnen zu sprechen, um die russische Invasion zu beweisen und Kriegsverbrechen aufzudecken.

Gut einen Monat nach der Invasion musste die „Nowaja Gaseta“ aufgrund der Drohungen der russischen Behörden gegen unabhängige Medien ihr Erscheinen einstellen. Kanygin und seine KollegInnen flohen aus Russland. Nun veröffentlicht er Videos auf YouTube und Telegram, in denen er die Auswirkungen des Krieges auf Russland thematisiert. Der Krieg sei für Russland eine schlimmere Krise, als viele es wahrhaben wollten, so Kanygin. Er hoffe auf ein Aufwachen der russischen Zivilbevölkerung, denn nur deren Widerstand könne Putin stoppen. Die versammelten JournalistInnen, Studierenden und WissenschaftlerInnen waren von den persönlichen Geschichten und der mutigen Arbeit der beiden Dataharvest-Gästen beeindruckt und applaudierten mit Standing Ovations.

Internationales Networking & österreichischer Abend mit Filmvorführung

Weitere renommierte Investigativ-JournalistInnen des europäischen Raums gaben bei der dreitägigen Konferenz Einblicke in ihre Arbeit und boten Workshops zu Arbeitstechniken und Tools an. Im Rahmen von Networking Sessions wurde die Suche nach KooperationpartnerInnen für internationale Zusammenarbeit ermöglicht. Einen österreichischen Abend der besonderen Sorte gab es mit einer englisch untertitelten Filmvorführung von „Der Bauer & der Bobo“ – einem Film des österreichischen Journalisten und Filmemacher Kurt Langbein, der die Geschichte des Landwirts Christian Bachler und der Auseinandersetzung mit dem Investigativjournalisten Florian Klenk erzählt.

>> Weitere Informationen zur Dataharvest, der europäischen Konferenz für investigativen Journalismus gibt es unter https://dataharvest.eu/

 

Für weiterführende Fragen zu Multimedia- & Datenjournalismus wenden Sie sich bitte an:

Mag.a (FH) Regula Blocher
Academic Expert & Lecturer
New Media & Online Journalism
regula.blocher@fh-wien.ac.at