Negativ behaftete ausländische Akzente rufen kulturelle Stereotypen bei KundInnen wach. Gezieltes Personaltraining kann jedoch die Kundenzufriedenheit erhöhen.
David Bourdin, Senior Researcher am Department of Communication der FHWien der WKW, hat gemeinsam mit Christina Sichtmann von der Berner Fachhochschule und Vasileios Davvetas von der Leeds University Business School einen Artikel mit dem Titel „The Influence of Employee Accent on Customer Participation in Services“ im renommierten Journal of Service Research publiziert. Die führende Fachzeitschrift für Dienstleistungsforschung mit einem Impact Factor von 12.4 und einem „A“-Rating in der VHB-Rangliste belegt im aktuellen Scopus CiteScore Ranking den Platz 3 von 226 Journals in der Kategorie „Organizational Behavior and HR Management“.
Der Artikel geht anhand von 4 Studien (mit 1027 österreichischen TeilnehmerInnen) der Frage nach, welche Einstellungs- und Verhaltensreaktionen ausländische Akzente von immigrierten Service-MitarbeiterInnen bei KundInnen auslösen und insbesondere, ob und wie sich die kulturellen Stereotypen, die durch nicht-muttersprachliche Akzente ausgelöst werden, auf die Bereitschaft der KundInnen auswirkt, sich aktiv in den Dienstleistungsprozess einzubringen. Die Zusammenhänge wurden sowohl in fiktiven als auch realen Dienstleistungen und in verschiedenen Branchen (Bank, Fluggesellschaft, geführte Meditation) untersucht.
KundInnenpartizipation erhöht Zufriedenheit
Durch die globalisierungsbedingte Zunahme von immigrierten Angestellten in Dienstleistungen und im Einzelhandel sind interkulturelle Dienstleistungsbegegnungen zu einem alltäglichen Phänomen geworden. Bei diesen Interaktionen verwenden KundInnen häufig den sprachlichen Akzent der ServicemitarbeiterInnen als Basis für Rückschlüsse auf deren ethnischen Hintergrund, was negative oder aber auch positive kulturelle Stereotypen hervorrufen kann. Es war bis dato noch gänzlich unerforscht, wie sich die akzentbasierte Stereotypisierung von MitarbeiterInnen auf die KundenInnenpartizipation auswirkt, also auf das Ausmaß, in dem KundInnen in den Dienstleistungsprozess eingebunden sind, indem sie Aufwand, Wissen, Informationen und andere (auch physische) Ressourcen zur Erstellung und Erbringung der Dienstleistung beitragen.
KundInnen werden zunehmend aufgefordert, mehr Verantwortung für die Serviceerstellung und -erbringung zu übernehmen, auch wenn dies profunde technische Kenntnisse erfordert und die erforderlichen Aufgaben durch hohe Komplexität charakterisiert sind. Dennoch haben Organisationen erkannt, dass die Ermutigung von KundInnen, „Co-Produzierende“ der Dienstleistung zu werden, zu erhöhter Kundenzufriedenheit und -loyalität führen kann. Vor diesem Hintergrund braucht es ein Verständnis dafür, ob, warum, wie und unter welchen Bedingungen ausländische Akzente von MitarbeiterInnen die KundenInnenpartizipation beeinflussen und folglich die Beziehung zwischen KundInnen und Dienstleistern verbessern oder beeinträchtigen.
Negativitäts-Bias herrscht vor
Die Ergebnisse von David Bourdin und seinen KollegInnen zeigen, dass:
- KundInnen weniger bereit sind, am Dienstleistungsprozess zu partizipieren, wenn ihr Gegenüber einen negativ behafteten ausländischen Akzent (im Vergleich zu einem lokalen Akzent) hat,
- die negativen Auswirkungen unvorteilhafter Akzente (z. B. slawisch) auf freiwillige KundenInnenpartizipation stärker sind als die positiven Effekte beliebter Akzente (z.B. französisch), d. h. es gibt einen asymmetrischen „Negativitäts-Bias“,
- akzentbasierte Stereotypen anhand der Wahrnehmungsdimensionen Überlegenheit, Attraktivität und Dynamik eine Mediatorrolle in der Wirkung von Akzenten auf KundenInnenpartizipation einnehmen,
- unvorteilhafte Akzente von MitarbeiterInnen sogar verpflichtende Kundenpartizipation mildern aber dafür ersetzbare KundenInnenpartizipation (Aufgaben die entweder von KundInnen oder MitarbeiterInnen erledigt werden können, wie z. B. der Check-In für einen Flug) erhöhen und
- die Effekte von Akzenten auf KundenInnenpartizipation für KundInnen mit hohem Bedarf nach zwischenmenschlichen Interaktionen gedämpft werden und auch durch das Anbieten von Self-Service-Alternativen neutralisiert werden können, wenn diese eine hohe wahrgenommene Kontrolle über das Dienstleistungsgeschehen bieten.
Resultate unterstützen Personaltraining
Diese Resultate unterstützen Führungskräfte in Unternehmen in Bezug auf Personalbesetzung und -training. Tief verwurzelte kulturelle Stereotypen, die von der Gesellschaft des Gastlandes und/oder den persönlichen Erfahrungen der KundInnen geprägt sind, spielen eine weitaus wichtigere Rolle als die Frage, ob DienstleistungsmitarbeiterInnen mit einem bestimmten Akzent sprechen. Obwohl Personalverantwortliche diesen Vorurteilen nicht direkt entgegenwirken können, sollten Organisationen bedenken, dass kontraproduktives Verhalten von KundInnen eher auf deren Wahrnehmung als auf einen Akzent zurückzuführen ist. Oftmals verwenden KundInnen den Akzent von MitarbeiterInnen als Ersatzerklärung für Probleme, die mit Unternehmensprozessen per se oder ihren eigenen Emotionen und Erwartungen verbunden sind. Aufgrund der sozialen und rechtlichen Implikationen (z. B. Diskriminierung) sollten Unternehmen bei Personalentscheidungen diese Unterscheidung verinnerlichen. Entgegen diskriminierenden Maßnahmen, die auf kulturellen und sprachlichen Gründen basieren, wird DienstleisterInnen geraten, inklusive Konzepte in Erwägung zu ziehen, wie z. B. die Kombination von MitarbeiterInnen mit stigmatisiertem Akzent und MitarbeiterInnen mit positiv behaftetem oder muttersprachlichen Akzent, oder die Rotation zwischen Frontline- und Back-Office-Positionen (wenn möglich), da solche Ansätze die Auswirkungen negativer Stereotypisierung bei der Erbringung von Dienstleistungen begrenzen würden.
Sprachtraining statt Akzentreduktion
Darüber hinaus sind Weiterbildungen für ServicemitarbeiterInnen zu empfehlen, die auf die Förderung von Sprachfertigkeiten abzielen. Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass die akustische Verständlichkeit einen signifikanten Einfluss auf die freiwillige Kundenpartizipation hat, was darauf hindeutet, dass Organisationen Schulungen anbieten sollten, die sich auf die allgemeine Sprachqualität (d. h. Lautstärke, Zögern, Aussprache und Klarheit der Argumente) – und nicht zwangsläufig auf die Reduzierung eines Akzents – sowohl für muttersprachliche als auch für ausländischstämmige MitarbeiterInnen konzentrieren, da sprachliche Fähigkeiten die Effektivität der Kommunikation und die Verständlichkeit der Anforderungen an die KundInnen verbessern. Denn Akzente beeinträchtigen nicht unbedingt die Verständlichkeit eines Sprechers oder einer Sprecherin. Selbst Zugewanderte, die die Landessprache des Gastlandes perfekt beherrschen und dort seit vielen Jahren leben, neigen dazu, mit einem für Muttersprachler wahrnehmbaren Akzent zu sprechen.
Die Beherrschung der deutschen Sprache als einziges Kriterium für die Einstellung von MitarbeiterInnen ist jedoch möglicherweise nicht ausreichend, um Defizite bei der KundenInnenpartizipation in interkulturellen Servicebegegnungen zu beheben. Schulungen, die darauf abzielen, die Fähigkeiten zur Erbringung von Dienstleistungen (z. B. Seminare zur Servicequalität, zum Umgang mit „herausfordernden“ KundInnen, zur Gesprächsführung und Beobachtungsgabe) oder zum KundenInnenbeziehungsmanagement (z. B. KundenInnenorientierungstrainings) zu fördern, würden die MitarbeiterInnen darauf vorbereiten, die durch ihren ausländischen Akzent ausgelösten negativen Stereotypen zu überwinden oder zumindest professionell damit umzugehen. Ein solches Training würde wahrscheinlich auch das Vertrauen der KundInnen in die Fähigkeiten und Absichten der MitarbeiterInnen stärken, was die Interaktion zwischen beiden Seiten generell verbessert.
Self-Service als Alternative
Die Ergebnisse zeigen auch, dass eine hohe erwartete Kontrolle von KonsumentInnen über den Serviceprozess ihre negative Einschätzung von MitarbeiterInnen mit „unvorteilhaften“ Akzenten abschwächt. Daher empfehlen wir Organisationen mit einem kulturell vielfältigen Team, ihre Dienstleistungsabläufe durch Self-Service-Alternativen zu ergänzen. Solche interaktionsminimierenden Optionen bieten KundInnen, die Servicepersonal aufgrund ihres Akzents stereotypisieren, einen alternativen Weg zur Dienstleistungskonsumation, indem sie ihnen die Autonomie und Kontrolle über die Erfüllung wichtiger Serviceprozesse ohne menschliche Interaktion überlassen. Eine potenziell alarmierende Konsequenz von negativ behafteten Akzenten von Servicepersonal, die die Ergebnisse ebenfalls zeigen, ist offenbar die Existenz von KundInnen, die nicht einmal bereit sind verpflichtende und somit essenzielle Aufgaben im Serviceprozess zu übernehmen. Obwohl wir nicht davon ausgehen, dass sich dies auf standardisierte Dienstleistungen mit generischen Outputs verallgemeinern lässt (z. B. Reisepassverlängerung, Sehtest, Lottospielen, Bezahlen von Autobahngebühren an einem Automaten), besteht dennoch das Risiko, dass einige Aspekte des Dienstleistungserlebnisses negativ beeinflusst werden, wenn diese Dienstleistungen eine Interaktion zwischen MitarbeiterInnen und KundInnen erfordern. In solchen Fällen sollten Firmen ein Gleichgewicht zwischen ersetzbaren Tätigkeiten (d. h. jenen die von MitarbeiterInnen oder KundInnen erfüllt werden können) und verpflichtenden (die nur von KundInnen erledigt werden können) anstreben, z. B. indem einige zwischenmenschliche Vorgänge in Selbstbedienungsprozesse umgewandelt werden.
Abschließend zeigen unsere Untersuchungen, dass die negativen Auswirkungen unvorteilhafter Akzente bei KundInnen mit einem hohen Interaktionsbedürfnis abnehmen. Obwohl dieses Bedürfnis eher eine stabile Eigenschaft darstellt, ist es plausibel, dass Dienstleistungssysteme das Bedürfnis der KundInnen nach Interaktion situativ durch den Einbau interaktiver Elemente oder die Eliminierung unpersönlicher Dienstleistungsprozesse steigern können. Vor diesem Hintergrund ist es für DienstleisterInnen ratsam, dem Personal die Erlaubnis zu erteilen, Skripte anzupassen oder von ihnen abzuweichen, um der Einzigartigkeit jeder Servicebegegnung Rechnung zu tragen.
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Kontakt:
David Bourdin, BA MSc PhD
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