Das Institute for Business Ethics & Sustainable Strategy (IBES) der FHWien der WKW präsentierte eine aktuelle Studie zur Lieferkettenverantwortung in Österreich, die vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) in Auftrag gegeben wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass österreichische Klein- und Mittelunternehmen (KMU) derzeit vor allem von Lieferketten-Regulierungen in anderen Ländern betroffen sind, ohne selbst Nutzen daraus zu ziehen.
Das Kompetenzzentrum „Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft“ (FIW) des BMAW lud Ende August zur Präsentation aktueller FIW-Studien zum Themenkomplex Unternehmerische Verantwortung und Lieferkettenverantwortung. Die IBES-Studienautorinnen Maria Riegler und Melanie Rainer gaben dabei einem interessierten Fachpublikum einen Ausblick auf verschiedene Regulierungsvorhaben zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht im Menschenrechtskontext und deren Relevanz für heimische Unternehmen. Dazu stellte Cynthia Zimmermann, Leiterin der Sektion EU und internationale Marktstrategien des BMAW, fest: „Das Thema Unternehmerische Verantwortung wird auch in Österreich immer wichtiger, gesellschaftliche Erwartungen an das unternehmerische Handeln steigen kontinuierlich, Lieferketten werden zunehmend komplexer. Die gelungene Studie im Auftrag des BMAW vermittelt einen hervorragenden Überblick über die Auswirkungen der Lieferkettengesetze anderer Staaten auf österreichische Unternehmen und zeugt von der Kompetenz des IBES der FHWien der WKW im Bereich nachhaltige Unternehmensführung.“
Lieferkettengesetze betreffen auch heimische Zulieferbetriebe
Die IBES-Studie zeigt, dass nur 0,1% der heimischen Unternehmen direkt vom aktuellen Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission betroffen sind, der Unternehmen zur stärkeren Achtung der Menschen- und Umweltrechte in ihren Lieferketten verpflichten soll. Nichtsdestotrotz werden viele österreichische KMU wegen ihrer hohen Exportrate indirekt mit – teilweise sogar mehreren – Lieferkettenregulierungen anderer Länder konfrontiert. Für die Umsetzung der damit verbundenen Sorgfaltspflicht müssen Unternehmen mit zusätzlichen finanziellen und personellen Aufwänden rechnen. Eine Nichtbeachtung des Themas birgt beispielsweise das Risiko einer Auslistung als Zulieferer. Dies betrifft insbesondere das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das bei Österreichs wichtigstem Handelspartner mit Anfang 2023 in Kraft tritt. Damit sind laut Studienautorin Maria Riegler „heimische Unternehmen in der aktuellen Situation zwar als Zulieferer von den Lieferkettenregulierungen anderer Länder betroffen, ohne von den Reputationsgewinnen und anderen Vorteilen der Lieferkettenverantwortung zu profitieren.“
Lieferkettenverantwortung birgt strategische Vorteile für österreichische KMU
Denn abgesehen von Reputationsgewinnen zählen die Pflege von Stakeholder-Beziehungen zum Wissenstransfer sowie die durch umfassendere Risikoanalysen ermöglichten Evaluierungen und Optimierungen als weitere Vorteile der Lieferkettenverantwortung. Da unternehmerische Verantwortung für Menschenrechts- und Umweltthemen in den nächsten Jahren voraussichtlich weiter an Relevanz gewinnen wird, kann die frühe Beschäftigung mit dem Thema auch österreichischen KMU Vorreiter-Vorteile bringen. Deshalb empfiehlt Studienautorin Melanie Rainer den Unternehmen „Lieferkettenverantwortung nicht als Verwaltungsaufwand, sondern vielmehr als nachhaltig ausgerichtete Investitionsmaßnahme zu sehen. Eine proaktive Auseinandersetzung mit dem Thema kann Unternehmen auch strategische Vorteile verschaffen.“
Über die Studie „Lieferkettenverantwortung in Österreich“
Um den ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Globalisierung besser als bisher zu begegnen, fordern Industrieländer zunehmend die Erfüllung von Sorgfaltspflichten von Unternehmen mittels Regulierungsinitiativen. Im Februar 2022 hat die Europäische Kommission zudem das „Proposal for a Directive on Corporate Sustainability Due Diligence“ veröffentlicht. Dieser Richtlinienentwurf soll Unternehmen umfangreich zur stärkeren Achtung der Menschen- und Umweltrechte in ihren Lieferketten verpflichten.
Im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) untersuchte das Institute for Business Ethics & Sustainable Strategy (IBES) der FHWien der WKW sowohl bestehende als auch geplante Lieferkettenregulierungen in Hinblick auf den regulatorischen und ökonomischen Aspekten sowie hinsichtlich möglicher Vor- und Nachteile für Unternehmen.
Dafür wurden mittels einer systematischen Literaturrecherche Daten im Kontext der unternehmerischen Lieferkettenverantwortung kategorisch aufbereitet. Es wurden öffentlich zugängliche Studien, internationale Medienberichte, Wirtschaftspublikationen, Berichte von NGOs sowie akademische Ressourcen verwendet. Die gewonnenen Erkenntnisse bieten einen Überblick über die Relevanz von Lieferkettengesetzen für Österreich und ermöglichen eine politische Positionierung, insbesondere vor dem Hintergrund einer anstehenden EU-weiten Harmonisierung.
StudienautorInnen: Anna Burton, Katharina Eggenwerber, Melanie Rainer, Maria Riegler und Markus Scholz