Zum Hauptinhalt springen
News

Wie KundInnen im Urlaub Akzente beim Servicepersonal wahrnehmen

10. Juni 2024

David Bourdin, Senior Researcher im Department of Communication der FHWien der WKW, präsentierte bei der „La Londe International Research Conference in Service Management“ seine neuesten Ergebnisse zu stereotypischen Wahrnehmungen von Servicepersonal mit Akzent.

David Bourdin ist Senior Researcher im Department of Communication der FHWien der WKW. In seiner Forschung hat er sich u. a. auf die Wahrnehmung akzentbasierter Stereotype beim Servicepersonal spezialisiert.  Seine bisherigen Studien widmeten sich der Wahrnehmung von Akzenten durch KonsumentInnen in Verkaufssituationen im Inland (>> Journal of Service Research). Nun hat er das Forschungsfeld ausgedehnt und führte kürzlich mit seiner Co-Autorin Ana María Garcés Vidal, die in der Tourismus- und Hotelbranche tätig ist, eine Studie unter geänderten Rahmenbedingungen durch. Diesmal wurden erstmalig die Reaktionen von TouristInnen untersucht, die bei Dienstleistungen im Auslandsurlaub mit Angestellten interagieren, die entweder einen muttersprachlichen oder einen ausländischen Akzent in der lokalen Sprache des Gastlandes haben. Dabei wurde zwischen Situationen unterschieden, in denen der ausländische Akzent der Servicefachkraft entweder aus demselben oder einem anderen Ursprungsland stammt als dem der TouristInnen. Außerdem wurde überprüft, welche Rolle die kulturelle Aufgeschlossenheit der TouristInnen und die wahrgenommene kulturelle Kongruenz zwischen dem Akzent und dem Service-Setting spielen. Das Paper zur Studie „Does social distance overshadow cultural proximity when judging employees abroad?” stellte David Bourdin im Mai auf der La Londe International Research Conference in Service Management der Universität Aix-Marseille vor.

Onlinestudie unter ÖsterreichInnen und MexikanerInnen

Die beiden Forschenden führten eine Onlinestudie mit 128 ÖsterreicherInnen und 119 MexikanerInnen durch. Diese wurden gebeten sich vorzustellen, dass sie in den Vereinigten Staaten Urlaub machen und hörten sich eines von sechs einminütigen Audio-Szenarien einer fiktiven Interaktion mit einem/r Angestellten an. Das faktorielle Forschungsdesign umfasste zwei Akzente: amerikanisches oder mexikanisches Englisch sowie drei Settings: Airline, Hotel oder mexikanisches Restaurant. Anschließend wurden in einem Fragebogen die abhängigen Variablen und potenziellen Moderatoren erhoben:

 

FHWien der WKW-Service-Konferenz-Frankreich-David-Bourdin-Forschungskonzept

 

 

Nachdem die Manipulationsüberprüfungen zeigten, dass die experimentellen Bedingungen erfolgreich implementiert wurden und in einer konfirmatorischen Faktorenanalyse die Reliabilität, Konvergenzvalidität und Diskriminanzvalidität der erhobenen Variablen sichergestellt wurden, lieferte die Berechnung des Hypothesenmodells folgende spannende Erkenntnisse:

  • Mexikanische TouristInnen stereotypisieren in den Vereinigten Staaten englischsprachige Angestellte mit mexikanischem (im Vergleich zu muttersprachlichem) Akzent negativer. Dies widerspricht der etablierten Theorie der „In-Group-Bevorzugung“ und deutet auf einen Konflikt zwischen sozialer Distanz und kultureller Nähe bei der Einstellungsbildung hin. Wohlhabendere MexikanerInnen, die es sich leisten können ins Ausland zu reisen, blicken womöglich auf mexikanische MigrantInnen mit niedrigeren Berufsqualifikationen herab und streben eine psychologische Abgrenzung von ihnen an, obwohl sie aus demselben Land stammen.
  • Trotz dieser Vorurteile mexikanischer Reisenden gegenüber mexikanischstämmigen Angestellten in den Vereinigten Staaten, rechnen sie interessanterweise dennoch damit, eine bessere Servicequalität zu erhalten. Möglicherweise schreiben sie diesen MitarbeiterInnen zwar eine niedrigere Arbeitsmoral zu, erwarten aber dennoch, dass sie aufgrund ihres gemeinsamen Geburtslandes „die Extrameile“ gehen und sich durch ein gewisses Verbundenheitsgefühl mehr Mühe geben.
  • Eine Aufschlüsselung von akzentbasierten Stereotypen in unterschiedliche Dimensionen zeigt, dass Angestellte mit mexikanischem Akzent sowohl von mexikanischen als auch von österreichischen TouristInnen als weniger dynamisch wahrgenommen werden, was sich jedoch nicht in geringeren Serviceerwartungen niederschlägt (im Gegensatz zu Fähigkeit und Sympathie, die als Voraussetzung für eine zufriedenstellende Serviceleistung betrachtet werden). Diese unbedeutende Rolle von Dynamismus ist kontraintuitiv, denn Eigenschaften wie Proaktivität und Selbstvertrauen werden üblicherweise durchaus mit motivierten und kundenorientierten MitarbeiterInnen in Verbindung gebracht. Womöglich ist Dynamismus als persönliche Eigenschaft jedoch ein zweischneidiges Schwert mit ambivalenten Konnotationen und es gibt einen Kipppunkt, ab dem „zu viel“ Dynamismus eher als aufdringlich, künstlich oder überzogen wahrgenommen wird.
  • Bei österreichischen TouristInnen führt kulturelle Offenheit dazu, dass Angestellte mit einem muttersprachlichen Akzent und einem mexikanischen Akzent als ähnlich attraktiv wahrgenommen werden, während weniger aufgeschlossene Reisende mexikanischstämmiges Servicepersonal eher unvorteilhafter beurteilen.
  • Die Übereinstimmung von MitarbeiterInnenakzent und Dienstleistungssetting (z. B. mexikanischer Akzent in einem mexikanischen Restaurant in den Vereinigten Staaten) macht einen ansonsten neutral wahrgenommenen oder gar stigmatisierten Akzent wünschenswert, da er zur Authentizität des Service-Erlebnisses beiträgt.

Um diese vorläufigen Ergebnisse zu bestätigen und alternative psychologische Erklärungsmechanismen ausschließen zu können sind weitere Labor- und Feldexperimente geplant, bevor eine Publikation in einer begutachteten Fachzeitschrift angestrebt werden kann.

Die zum 18. Mal von der Universität Aix-Marseille organisierte La Londe International Research Conference in Service Management fand von 20. bis 23. Mai 2024 auf der französischen Mittelmeerinsel Porquerolles statt und zählte rund 60 internationale TeilnehmerInnen. Danke an David Bourdin für die zahlreichen Fotos!