KundInnen können zu Marken sehr persönliche Beziehungen entwickeln. Für die Messung dieser KundenInnen-Marken-Beziehungsnormen hat Senior Researcher David Bourdin nun eine robuste Skala entwickelt, die über Länder und Studien hinweg eingesetzt werden kann.
David Bourdin, Senior Researcher am Department of Communication der FHWien der WKW, reiste im Juli nach Seoul (Südkorea) zur Global Marketing Conference, um den Artikel „What Can I Expect From This Brand? Development and Validation of a Consumer-Brand Relationship Norms Scale“ zu präsentieren, der derzeit bei einer internationalen Fachzeitschrift den Begutachtungsprozess durchläuft. Zusammen mit Katerina Makri von der Universität Wien und Georgios Halkias von der Copenhagen Business School entwickelte und validierte er eine Skala, mit der erhoben werden kann, welche normativen Erwartungen KonsumentInnen in ihren Beziehungen mit Marken haben.
Hohe Erwartungen an Marken in KundInnen-Marken-Beziehungen
Menschen entwickeln manchmal eine starke Bindung und sogar leidenschaftliche Liebe zu einer Marke, insbesondere wenn der Konsum der Marke dazu beiträgt, die Identität der VerbraucherInnen zu definieren, konstruieren, und erhalten. Unternehmen haben diese Entwicklung in den letzten Jahrzehnten gefördert, indem sie eine beziehungsorientierte Marketingperspektive anstelle einer rein transaktionsorientierten Perspektive eingenommen haben. In der Tat haben Wissenschaftler einen Paradigmenwechsel vom Marketing-Mix-Management hin zu einer Ära des Beziehungsaufbaus und -managements beschrieben. Daher betrachten KonsumentInnen heutzutage einige Marken als „Beziehungspartnerin“, ähnlich wie sie es in zwischenmenschlichen Beziehungen tun. Sie bevorzugen Marken, die bestimmten Ansprüchen hinsichtlich der Kundenbeziehung gerecht werden, und sie fühlen sich enttäuscht oder sogar betrogen, wenn Marken diese Erwartungen nicht erfüllen. Wenn VerbraucherInnen das Risiko verspüren, dass eine Marke sie als Beziehungspartnerin in die Irre führen oder hintergehen könnte, indem sie gegen grundlegende Regeln verstößt, sind sie möglicherweise weniger bereit, mit der Marke zu interagieren (z. B. Produkte der Marke zu kaufen). Verstöße gegen erwartetes Verhalten seitens Marken lösen wahrscheinlich nicht so viel Unmut aus wie in zwischenmenschlichen Beziehungen, weil Beziehungen mit Marken leichter überdacht oder beendet werden können, aber genau diese niedrigen Wechselkosten für die VerbraucherInnen können für Unternehmen, die eine langfristige Customer Relationship Management Strategie aufbauen möchten, sehr herausfordernd sein. Trotz der offensichtlichen Relevanz von Verhaltensnormen im Kontext von KonsumentInnen-Marken-Beziehungen gibt es jedoch erstaunlicherweise keine etablierten und verlässlichen Messinstrumente zur Operationalisierung dieser Normen in empirischen Studien.
Validierung einer Messskala für zukünftige Studien
Zu diesem Zweck entwickelten und validierten David Bourdin und seine Co-AutorInnen eine Skala zur Erfassung der Beziehungsnormen zwischen KonsumentInnen und Marken, indem sie relevante Items aus der bisherigen Literatur recherchierten:
- Diese wurden einem Screening hinsichtlich ihrer inhaltlichen Passung für den B2C-Kontext unterzogen und anschließend von 6 ExpertInnen bzgl. ihrer Angemessenheit und Notwendigkeit kategorisiert, um das Konstrukt KonsumentInnen-Marken-Beziehungsnormen zu widerspiegeln (Studie 1).
- Nach dieser ersten Bereinigung durchgingen die 10 übrig gebliebenen Items nach einer Datenerhebung anhand 8 echten Marken aus 4 Produktkategorien eine explorative Faktoranalyse, aus deren Ergebnissen sich eine eindimensionale Faktorstruktur der Skala schließen lässt (Studie 2).
- Anschließend wurde mit Daten einer weiteren Studie in Deutschland eine konfirmatorische Faktoranalyse durchgeführt, um die Konvergenz- und Diskriminanzvalidität der Skalenitems und somit die Reliabilität der Gesamtskala zu etablieren (Studie 3).
- In der letzten Studie (Studie 4) wurde abschließend die nomologische Validität der Skala sichergestellt, indem das Konstrukt in einer Strukturgleichungsmodell eingebettet wurde, das eine Reihe von Einflussfaktoren und Konsequenzen der Beziehungsnormen zwischen VerbraucherInnen und Marken abbildet. Für diese Studie wurden 869 US-KonsumentInnen befragt, um auch die Messinvarianz der Skala im Ländervergleich (USA vs. Deutschland) zu untersuchen und somit erste Einblicke in die internationale Robustheit und Anwendbarkeit der neu entwickelten Skala zu gewinnen.
Aus wissenschaftlicher Sicht leistet die Arbeit von David Bourdin und seinen KollegInnen einen Beitrag zur Markenliteratur, indem sie eine robuste und parsimonische Skala zur Messung von Konsumenten-Marken-Beziehungsnormen vorstellt, die konsistent über Studien hinweg angewandt werden kann und somit zukünftig integrative Arbeiten wie meta-analytische Untersuchungen, Replikationsstudien und systematische Literatur-Reviews zu diesem Thema ermöglicht.
Implikationen für Unternehmen
Trotz der methodologischen Ausrichtung des Beitrags bieten die Ergebnisse der 3. Studie auch praktische Erkenntnisse für Brand Manager:
Zum einem zeigen sie, dass die Überzeugung von KonsumentInnen, dass eine Marke sich um ihr Wohlbefinden sorgt und aktiv dazu beiträgt, das Verhältnis zwischen KonsumentInnen und Marke zu pflegen, zu Liebesgefühlen gegenüber der Marke und zu einer stärkeren Kaufabsicht führt. Daher sollten Kommunikationsstrategien von Unternehmen vermitteln, dass die Marke eine zuverlässiger und entgegenkommender Partnerin ist, der bereit ist, über die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hinaus die „extra mile“ zu gehen. Dies kann beispielsweise erreicht werden, indem die digitale Kommunikation individuell auf die VerbraucherInnen zugeschnitten wird, indem loyalen KundInnen exklusive Angebote gemacht werden, indem:
- ein Treueprogramm mit attraktiven Vorteilen eingeführt wird,
- neue Entwicklungen der Marke in hohem Maße transparent gemacht werden,
- die Reaktionszeiten auf Anfragen oder Beschwerden minimiert werden,
- bei unvorhersehbaren Markenausfällen sehr großzügig und kompetent reagiert wird und
- Inhalte oder Anleitungen bereitgestellt werden, die den Kunden bei der Lösung von Problemen helfen.
Zweitens ist der positive Effekt von Beziehungsnormen auf die Markenliebe noch ausgeprägter, wenn Marken von den KonsumentInnen anthropomorphisiert werden. Der Aufbau einer einzigartigen Markenpersönlichkeit, die konsequente Verknüpfung der Marke mit menschenähnlichen Attributen und die Verwendung von Produkt-, Verpackungs- oder Werbedesign-Elementen, die als menschlich wahrgenommen werden, können daher praktikable Optionen für Unternehmen sein, die ihre Bemühungen um den Aufbau von KundenInnenbeziehungen intensivieren wollen.
Über die Global Marketing Conference
Die internationale Konferenz findet alle zwei Jahre statt, zählte dieses Jahr rund 800 TeilnehmerInnen, und wird von der Global Alliance of Marketing & Management Associations (GAMMA) organisiert, einer Dachorganisation von nationalen und regionalen wissenschaftlichen Marketingverbänden. Zu den Gründungsmitgliedern gehören beispielsweise die European Marketing Academy, Australian & New Zealand Marketing Academy, Korean Scholars of Marketing Science, und Japan Society of Marketing and Distribution.