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Mediale Rezeption der sogenannten „digitalen Transformation“ und bildungspolitische Forderungen

Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung arbeitete in einer Studie (vgl. Peneder et al. 2016) heraus, dass die langfristigen Folgen der Digitalisierung für Österreich kaum zu überschätzen sind. Durch die geringeren Transaktionskosten für Information und Kommunikation werden die Wirkungsradien der Unternehmen größer und die Konkurrenz intensiver. Dies erhöht die Anforderungen an digitale Kompetenzen von Unternehmen und ArbeitnehmerInnen und bestimmt die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern und Regionen. Insbesondere Berufe mit analytischen und interaktiven Tätigkeiten, die vor allem von Arbeitskräften mit universitärer oder Fachhochschul Ausbildung ausgeübt werden, unterliegen einem Wandel, der mit höheren Ansprüchen an die Kompetenzen und formalen Qualifikationen der Beschäftigten einhergeht.

Die Chancen und Risiken der Veränderung gehen mit „digitalen Ängsten“ einher, die auf der befürchteten Automatisierung von Tätigkeiten oder auf der Veränderung von Tätigkeitsprofilen innerhalb der Berufe beruhen können (vgl. Peneder et al. 2016). In diesem Sinne beschäftigt sich auch die mediale Diskussion in den Bereichen Marketing und Kommunikation intensiv mit veränderten Arbeitsbedingungen und Qualifikationsanforderungen.  Demnach verändert die Digitalisierung unsere Art zu arbeiten (vgl. Gillies 2015), sind die Chancen von Unternehmen, gut (digital) ausgebildete und berufserfahrene Marketing Spezialisten zu verpflichten, drastisch zurückgegangen (vgl. Ulbrich / Koschik 2016), werden Datenexperten auch außerhalb von IT-Unternehmen immer stärker gesucht (vgl. Dämon 2017), klagen klassische Agenturen über Ertragsrückgänge während E-Marketing Dienstleister von der steigenden Nachfrage profitieren (vgl. von Elm 2009), hinken Marketing-Abteilungen mit der Umsetzung der Digitalisierung hinterher (vgl. www.pressebox.de 2016), fehlen der EU im IT-Sektor bis 2020 eine Million Fachleute – so auch im Marketing und Medienbereich (vgl. Hagen 2016) und entstehen neue Berufsbilder wie Social Media Manager, Digital Storyteller oder Web- und Screendesigner (vgl. Baldia 2013).

Im Bereich der Bildungspolitik wird im Zuge dieser Entwicklungen eine „digitale Bildungsoffensive“ gefordert. Beispielsweise wird das Einführen einer Programmiersprache als weitere „Fremdsprache“ in das Lehrprogramm aller Schulen, die Schaffung einer staatlich zertifizierten E-Learning-Plattform für alle BürgerInnen und ein breites Angebot an Ausbildungen in neuen digitalen Berufsfeldern angestrebt (vgl. Politische Akademie der ÖVP 2016). Neben der Ausbildung in Schule und (Erst-)studium wird auch die digitale Weiterbildung bereits in den Arbeitsprozess integrierter ArbeitnehmerInnen als zentrale Aufgabe der Politik angesehen (vgl. Kollmann / Schmidt 2016). Hier ist der MA (CE) Digitale Kommunikation und Marketing verortet: Er dient als Studium für Berufstätige mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung, die ihr Know-How in den Bereichen Kommunikation und Marketing um die digitale Komponente erweitern wollen. Die spezifischen digitalen Qualifikationserfordernisse werden im nächsten Abschnitt genauer analysiert.

Studienergebnisse zu Qualifikationsanforderungen im Bereich digitales Marketing

Bereits 2010 beschäftigten sich Schlee und Harich mit der Frage, ob die Marketing Curricula US-amerikanischer Hochschulen den aktuellen Qualifikationsanforderungen am Arbeitsmarkt genügen. Zur Analyse der Arbeitsmarktanforderungen untersuchten sie 500 Stellenanzeigen für Marketingjobs unterschiedlicher Hierarchieebenen (von Einstiegslevel bis Senior Level). Sie stellten fest, dass auf allen Hierarchieebenen eine breite Palette technischer Fertigkeiten bezüglich der Verwendung von Software, der Beherrschung von Programmiersprachen und des Einsatzes von Internet-Tools gefragt war. Die meisten Marketing Curricula deckten diese Fertigkeiten nicht ab; Schlee und Harich (vgl. 2010) schlussfolgern, dass die Marketing-Studierenden Informatik inskribieren müssten, um Kompetenzen in SQL, SAP, XML usw. erwerben zu können. Sie orten zudem einen Bedarf kontinuierlicher technischer Weiterbildung für Marketing-AbsolventInnen früherer Jahrgänge. Die Ergebnisse von Schlee und Harich (vgl. 2010) wurden im Rahmen einer Stellenanzeigenanalyse von Spranger (vgl. 2013) des Instituts für Kommunikation, Marketing & Sales der FHWien der WKW bestätigt. Von den 531 österreichischen Marketing-Stellenanzeigen enthielten 41,1% explizit geforderte IT-Anwenderkenntnisse; zudem konnte beobachtet werden, dass sich im Vergleich zu älteren Stellenanzeigenanalysen neue Berufsbilder wie „Onlinemarketing“ und „E-Commerce“ herausbildeten. In einer qualitativen Befragung von 77 Marketing-PraktikerInnen, die ebenfalls vom Institut für Kommunikation, Marketing & Sales durchgeführt wurde, wurden die IT-Kompetenzen, die Marketing-Studierende bereits während des Studiums erwerben sollten, von den PraktikerInnen näher spezifiziert (siehe Abbildung 1). Dabei wurden neben den obligatorischen Office-Kenntnissen Grafik-Programme, Social Media Tools, SAP, Content Management Systeme, CRM Software, Marktforschungs- bzw. Datenanalyse-Tools, Programmiersprachen und Videobearbeitungssoftware häufiger genannt (vgl. Jakab / Pezenka 2016).

Marketingtools

ABBILDUNG 1: MARKETINGRELEVANTE IT TOOLS (JAKAB / PEZENKA 2016)
Bathen und Jelden (2014) setzten sich in einer umfangreichen Studie des Deutschen Marketing Verbandes mit der Marketingorganisation der Zukunft auseinander. Im Rahmen von 40 Einzelinterviews und 810 quantitativen Online-Interviews mit PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen aus dem Marketing-Umfeld diagnostizierten sie große Unsicherheit der Marketingverantwortlichen hinsichtlich zukünftiger Strukturen, Prozesse und Kompetenzen des Marketings. Eine der wesentlichen Herausforderungen wird in der Digitalisierung gesehen – die meisten MarketingmitarbeiterInnen trauten jedoch ihrer Marketingleitung (Chief Marketing Officer) nicht zu, die Herausforderungen zur Neuausrichtung der Marketing-/Kommunikationsabteilung zu bewältigen. Eher werden noch junge Talente als Treiber von Veränderungen angesehen. Ein möglicher Lösungsansatz besteht in der Schaffung neuer Führungspositionen, die für den digitalen Change verantwortlich zeichnen, z.B. funktionenübergreifend für das gesamte Unternehmen ein sogenannter „Chief Digital Officer“ oder innerhalb der Marketingabteilung ein „Chief Marketing Technology Officer“.

Bedingt durch die Vielzahl der (digitalen) Informationen differenzieren sich Wissen und Funktionen im digitalen Marketing –und damit die Jobprofile der MitarbeiterInnen – stärker aus. Die „digitale Kanalexplosion“ führt dazu, dass in vielen Marketingabteilungen unterschiedliche Verantwortliche für die verschiedenen Kanäle (Online, Social, Mobile) bestellt werden. Dies erhöht wiederum den Koordinierungsbedarf im Sinne einer einheitlichen Content-Strategie. Die umfassenden Daten und die höhere Geschwindigkeit der technologischen Veränderungen werden von den Befragten als weitere wesentliche Herausforderungen der Digitalisierung gesehen. Somit werden MitarbeiterInnen benötigt, die aus Daten neue Erkenntnisse und Maßnahmen ableiten können. Bathen und Jelden (2014) nehmen daher an, dass Datenanalysten, Statistiker und Programmierer in Marketingabteilungen der Zukunft eine bedeutendere Rolle einnehmen werden.

Eine Studie von Boggs (2016) bestätigt die Bedeutung digitaler Kompetenzen bei der Einstellung neuer Marketing-MitarbeiterInnen. Die 186 Befragten hatten durchwegs Einfluss auf die Auswahl der BewerberInnen für Marketing Positionen. Von den neu eingestellten MitarbeiterInnen wurden bei 39% Expertise im Bereich „digitales Marketing“ verlangt, bei 32% Expertise im Bereich Datenanalyse, bei 27% im Bereich Web Development und bei 26% im Bereich Content Management (Mehrfachauswahl war möglich, die nicht digitalen Kompetenzen werden hier nicht aufgezählt). Insgesamt wurden bereits bei 90% der Stellen digitale Kompetenzen, Analysekompetenzen oder beides verlangt.

Die Rekrutierung von geeigneten Talenten im Bereich des digitalen Marketings stellt derzeit jedoch ein großes Problem dar, wie eine Befragung von 285 TeilnehmerInnen aus der Geschäftsführungs- und Vorstandsebene ergab (vgl. Deutscher Marketing Verband 2017). Insbesondere das Fehlen spezifischer, individuell zugeschnittener Aus- und Weiterbildungsoptionen wird beklagt. Die damit zusammenhängenden Probleme in der Abwicklung komplexer IT-Projekte führen dazu, dass derzeit häufig noch IT-Anwendungen mit einem einzelnen funktionalen Schwerpunkt wie Reporting-Tools oder Markenführung gegenüber komplexeren Anwendungen wie Marketing-Mix-Modellierung oder Customer-Touchpoint-Analysen der Vorzug gegeben wird. Als größte inhaltliche Herausforderung für die Zukunft wird von den Befragten das Omnichannel-Management, d.h. die Gestaltung eines reibungslosen Einkaufserlebnisses für die KundInnen über alle Kanäle hinweg, angesehen.

Diese Entwicklung bestätigt auch eine Umfrage von Econsultancy (vgl. 2017) unter 4054 Marketern, bei der die Optimierung der Customer Journey über mehrere Touchpoints als wichtigster Agendapunkt im digitalen Marketing für die nächsten Jahre angesehen wird, dicht gefolgt von der kanalübergreifenden Konsistenz beim Messaging. Die meisten Investitionssteigerungen im Bereich digitales Marketing werden von den Unternehmen für 2017 in den Bereichen Social-Media-Marketing, Content-Marketing, Personalisierung, Videowerbung, Lead-Generierung, Marketing-Analysen, Marketing auf mobilen Endgeräten, E-Mail-Marketing, Marketing-Automatisierung und Suchmaschinenoptimierung geplant.

Schlussfolgerungen

Die Arbeitsmarktnachfrage nach ExpertInnen im Bereich digitales Marketing war in den letzten Jahren hoch und wird als weiter ansteigend prognostiziert. Die Unternehmen suchen intensiv nach MitarbeiterInnen, die eine Kombination von Kompetenzen aus dem IT-Bereich und dem Marketing-Bereich in sich vereinen. Dabei zeigt sich auf Grund der hohen Anforderungen an Spezialwissen in unterschiedlichen Marketing-Arbeitsbereichen zunehmend eine starke Ausdifferenzierung von digitalen Kompetenz- und Jobprofilen.

Die „gemeinsame Klammer“ für diese unterschiedlichen Marketing Arbeitsbereiche stellt grundlegendes IT-Wissen dar. Für die inhaltliche Gestaltung von zweijährigen MA (CE) Programmen für berufstätige Studierende, die bereits über betriebswirtschaftliches Marketingwissen aus Vorstudium und/oder Beruf verfügen, bedeutet dies, dass zunächst die marketingrelevanten IT Grundlagen gelehrt werden. Die weiterführende Spezialisierung im Rahmen eines MA (CE) Programms zu digitaler Kommunikation und Marketing bietet eine Vielzahl beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten, da zurzeit der Großteil des digitalen Marketingbudgets in diesen Bereich fließt.

Quellen

Baldia, Patrick (2013): Digitales Marketing: Werben auf allen Kanälen. In: DiePresse, 15.02.2013, diepresse.com/home/bildung/weiterbildung/1345497/Digitales-Marketing_Werben-auf-allen-Kanaelen (abgerufen am: 22.05.2017).

Bathen, Dirk / Jelden, Jörg (2014): Marketingorganisation der Zukunft. Düsseldorf: Deutscher Marketing Verband.

Boggs, Michelle (2016): 2016 Marketing Hiring Trends: The Spread Of Strategic Digital Marketing Across Business Functions. McKinley Marketing Partners
Deutscher Marketing Verband (2017, Hrsg.): European Marketing 2020. Eine Studie der führenden Europäischen Marketingverbände.

Dämon, Kerstin (2017): Die Zukunft gehört den Datenexperten. In: Wirtschaftswoche.
11.04.2017, www.wiwo.de/erfolg/beruf/it-jobs-2020-die-zukunft-gehoert-den-datenexperten/19657796.html (abgerufen am: 22.05.2017).

Econsultancy (2017, Hrsg.): Digital Intelligence Briefing. Digitale Trends 2017. offers.adobe.com/de/de/marketing/landings/digitale_trends_2017.html (abgerufen am:
23.05.2017).

Gillies, Judith-Maria (2015): Digitaler Daumen gesucht. In: Handelsblatt. 12.01.2015, www.handelsblatt.com/technik/it-internet/cebit2017/jobs-im-wandel-digitaler-daumen-gesucht/11216128.html (abgerufen am: 22.05.2017).

Hagen, Lara (2016): Woher die fehlenden Fachkräfte im IT-Bereich kommen sollen. In: derStandard.at. 08.08.2016, derstandard.at/2000042230201/Woher-die-fehlendenFachkraefte-im-IT-Bereich-kommen-sollen (abgerufen am: 22.05.2017).

www.pressebox.de (2016): Digitale Transformation: Marketing-Abteilungen hinken der Digitalisierung hinterher. www.pressebox.de/inaktiv/engn-gmbh/DigitaleTransformation-Marketing-Abteilungen-hinken-der-Digitalisierung-hinterher/boxid/800168 (abgerufen am: 22.05.2017).

Jakab, Manuel / Pezenka, Ilona (2016): Ergebnisse Stakeholder Befragung zum Curriculum 2020. Unveröffentlichte Studie des Instituts für Kommunikation, Marketing & Sales der FHWien der WKW.

Kollmann, Tobias / Schmidt, Holger (2016): Deutschland 4.0. Wie die Digitale Transformation gelingt. Wiesbaden: Springer Gabler.

Peneder, Michael / Bock-Schappelwein, Julia / Firgo, Matthias / Fritz, Oliver / Streicher, Gerhard (2016): Österreich im Wandel der Digitalisierung. Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart (abgerufen am: 22.05.2017).

Politische Akademie der ÖVP (2016, Hrsg.): #innovationsbericht_digital. Impulse für Österreichs Erfolg in der digitalen Welt. Verlag noir, Wien.

Schlee, Regina Pefanis / Harich, Katrin R. (2010): Knowledge and Skill Requirements for Marketing Jobs in the 21st Century. In: Journal of Marketing Education 32(3), S. 341-352.

Spranger, Jennifer (2013): Die Employability von Bachelor- und MasterabsolventInnen am österreichischen Arbeitsmarkt. Eine Stellenanzeigenanalyse in den Bereichen Marketing und Vertrieb. Diplomarbeit am Institut für Kommunikation, Marketing & Sales der FHWien der WKW.

Ulbrich, Jürgen / Koschik, Anne (2016): Unternehmen suchen dringend Marketing-Profis. In: Wirtschaftswoche. 28.07.2016, www.wiwo.de/jobmarkt-im-umbruch-unternehmen-suchen-dringend-marketing-profis/13938970.html (abgerufen am: 22.05.2017).

Von Elm, Kirstin (2009): Talente im Digital Business gesucht. In: karriere.de. 12.06.2009.